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Präsidentschaftswahl Iran: Reformer Peseschkian gewinnt

Reformer Peseschkian gewinnt Präsidentenwahl in Iran

06.07.2024, 16:52
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Iran steht nach dem Wahlsieg des vergleichsweise moderaten Präsidentschaftskandidaten Massud Peseschkian vor einem möglichen Politikwechsel. Der frühere Gesundheitsminister setzte sich mit 53,7 Prozent der Stimmen gegen seinen ultrakonservativen Herausforderer Said Dschalili durch, wie der Sprecher der Wahlbehörde in Teheran am Morgen verkündete.

Angesichts der komplexen politischen Gemengelage und mächtigen Interessengruppen in Iran ist jedoch unklar, inwiefern vom Stichwahlsieger Peseschkian tatsächlich ein signifikanter Kurswechsel zu erwarten ist.

Die iranischen Präsidentschaftskandidaten Massud Peseschkian und Said Dschalili.
Massud Peseschkian.bild: keystone

Das Staatsfernsehen zeigte Bilder von Anhängern, die den Wahlsieg des 69-Jährigen in den frühen Morgenstunden mit Hupkonzerten feierten. In der Hauptstadt Teheran waren die Reaktionen zunächst jedoch verhalten.

Der Politiker gehört zum Lager der Reformbewegung. Ihre Anhänger glauben an den Status quo der Islamischen Republik und wollen das System nach eigenen Angaben von innen reformieren. Dschalili hingegen gehört den sogenannten Fundamentalisten an, dem zweiten grossen Politik-Bündnis, die oft auch als Hardliner bezeichnet werden.

Nichtwähler haben Glauben an politische Veränderungen verloren

Einige Aktivisten wie die inhaftierte Friedensnobelpreisträgerin Narges Mohammadi hatten vor der Präsidentenwahl zum Boykott aufgerufen. Der Tod der jungen Kurdin Jina Mahsa Amini im Herbst 2022 entfachte landesweite Proteste gegen das islamische Herrschaftssystem. Grosse Strassendemonstrationen hat es seitdem nicht mehr gegeben, wohl auch aus Angst vor gewaltsamer Repression. Die Enttäuschung ist jedoch allgegenwärtig. Viele gebildete Iranerinnen und Iraner mit guten Abschlüssen wollen das Land verlassen.

Peseschkian: «Werden allen die Hand reichen»

Den Glauben an grosse innenpolitische Veränderungen haben die meisten Iraner und vor allem junge Menschen jedoch inzwischen verloren. Reformen des politischen Systems seien nicht möglich, heisst es oft resigniert.

«Wir werden allen die Hand der Freundschaft reichen», sagte Peseschkian nach seinem Wahlsieg. «Lasst uns alle am Aufstieg des Landes arbeiten.» Auch politische Konkurrenten seien Brüder. Der unterlegene Dschalili gratulierte seinem Kontrahenten am Nachmittag und sagte ihm seine Unterstützung zu. Auf der Plattform X schrieb er, er werde Peseschkians «Regierung helfen, um die Probleme zu überbrücken und den Fortschritt des Landes voranzutreiben». Dass die verfeindeten Lager tatsächlich kooperieren, gilt allerdings als unwahrscheinlich.

Regime gratuliert

Religionsführer Ajatollah Ali Chamenei hat Massud Peseschkian zur Wahl gratuliert. «Ich rufe alle zur Zusammenarbeit auf», sagte das Staatsoberhaupt laut Irans staatlicher Nachrichtenagentur IRNA. Die politische Rivalität im Wahlkampf solle nun in Freundschaft umgewandelt werden.

Auch der Kommandeur der Revolutionsgarden, Hossein Salami, gratulierte:

«Wir sind umfassend bereit, die Zusammenarbeit und Interaktion zwischen den Revolutionsgarden und der Regierung fortzusetzen und zu stärken.»

Die Revolutionsgarden sind die Elitestreitmacht der Islamischen Republik und gelten als eine der mächtigsten Institutionen im Land.

Wahlbeteiligung leicht höher als bei der ersten Wahlrunde

Rund 61 Millionen Menschen waren am Freitag dazu aufgerufen, sich in der zweiten Abstimmungsrunde zwischen Peseschkian und Dschalili zu entscheiden. Das Innenministerium verlängerte die Möglichkeit zur Stimmabgabe mehrfach bis in die späten Abendstunden. Letztlich entschieden sich gut 16,4 Millionen Wahlberechtigte für den moderaten Kandidaten Peseschkian, etwa 13,5 Millionen für Dschalili.

Wie bereits bei der diesjährigen Parlamentswahl waren die Wochen vor der Abstimmung von auffälliger Gleichgültigkeit geprägt. In der ersten Runde schlug sich das in einer historisch niedrigen Wahlbeteiligung von offiziell rund 40 Prozent nieder. In der zweiten Runde erreichte die Beteiligung dann offiziell 49,8 Prozent.

Die vorgezogene Wahl folgte auf den Tod von Amtsinhaber Ebrahim Raisi, der im Mai bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben gekommen war. Seine knapp dreijährige Regierungszeit war von grosser politischer Repression, Protestwellen und einer Verschlechterung der Wirtschaftslage geprägt.

Reformkandidat will Vertrauen des Volkes zurückgewinnen

Peseschkian stammt aus dem Nordwesten des Landes. Während des Ersten Golfkriegs mit dem Nachbarn Irak absolvierte er ein Medizinstudium und diente zwischenzeitlich auch an der Front. Nach dem Krieg führte er seine Arbeit als Arzt fort und machte in der Millionenmetropole Tabris als Herzchirurg Karriere.

Im Wahlkampf warb der eher unscheinbare Politiker für ein neues Vertrauensverhältnis zwischen Regierung und Volk, denn die meisten Iraner sind nach gescheiterten Reformversuchen masslos enttäuscht von der Politik. Wie viele andere Politiker des Reformlagers auch forderte Peseschkian eine Verbesserung der Beziehungen zum Westen, auch um das Land zu öffnen und die angeschlagene Wirtschaft anzukurbeln.

Der Witwer, der Anfang der 90er Jahre seine Ehefrau und einen seiner Söhne bei einem Verkehrsunfall verlor, erschien auf seinen Wahlkampfterminen auch mit Tochter und Enkelkind. Mit seinem Bemühen um Nahbarkeit und dem Wahlkampfslogan «für Iran» wollte Peseschkian deutlich machen, dass er sich für das Volk einsetze.

Inwieweit er dieses Versprechen einlösen will und kann, ist unklar. Peseschkian bekundete seine uneingeschränkte Loyalität zu Religionsführer Ajatollah Ali Chamenei, der in allen strategischen Belangen das letzte Wort hat und der mächtigste Mann in der Islamischen Republik ist.

Während der zweiten Präsidentschaft Mohammad Chatamis (2001–2005) sammelte Peseschkian bereits Regierungserfahrung als Gesundheitsminister. Trotz seiner gemässigten Rhetorik stellte er sich hinter die mächtigen Revolutionsgarden, die Elitestreitmacht der Islamischen Republik, und lobte den jüngsten Angriff mit Drohnen und Raketen auf den Erzfeind Israel im April. In den TV-Debatten bezeichnete er sich selbst als wertkonservativen Politiker, der jedoch Reformen für notwendig hält.

Experte: Symbolischer Erfolg

«Selbst unter Anhängern des Regimes gibt es trotzdem bedeutende Massen, die sich für einen moderateren Umgang, für vorsichtige Reformen aussprechen», sagt der Politikwissenschaftler Tareq Sydiq von der Marburger Universität. Er sieht in Peseschkians Wahlsieg einen symbolischen Erfolg für moderate und reformgesinnte Kräfte innerhalb Irans. «Das wird sicherlich auch innerhalb des Machtsystems zumindest zur Kenntnis genommen werden», sagt der Iran-Experte.

Es sei auch unklar, wie Peseschkian in der Praxis seine Kritik an der Kopftuchpolitik und den scharfen Kontrollen der Moralpolizei umsetzen will.

«Ob sich die verschiedenen Machtblöcke von seinen Ideen beeindrucken lassen, ist offen.»
Tareq Sydiq

Insgesamt bleibe aber abzuwarten, ob die eigentlich totgesagte Bewegung der Reformpolitiker wieder an die Macht kommt. Das Parlament ist aktuell mehrheitlich von radikalen Hardlinern dominiert.

Wirtschaftskrise im Fokus der Wahlkampfdebatten

Irans politisches System vereint seit der Revolution von 1979 republikanische und auch theokratische Züge. Freie Wahlen gibt es jedoch nicht: Der sogenannte Wächterrat, ein mächtiges islamisches Kontrollgremium, prüft Kandidaten stets auf ihre Eignung. Von 80 Präsidentschaftsbewerbern liess der Wächterrat diesmal nur sechs als Kandidaten zu.

Anders als in vielen anderen Ländern ist der Präsident im Iran nicht das Staatsoberhaupt. Die eigentliche Macht konzentriert sich auf den Religionsführer, seit 1989 ist das Chamenei. Auch die Revolutionsgarden haben ihren politischen und wirtschaftlichen Einfluss in den vergangenen Jahrzehnten ausgebaut.

Im Wahlkampf debattierten die Kandidaten vor allem über Wege, die gravierende Wirtschaftskrise im Land zu bewältigen. Wegen seines umstrittenen Atomprogramms ist die Islamische Republik mit internationalen Sanktionen belegt und vom weltweiten Finanzsystem weitgehend abgeschnitten. Das Land benötigt Investitionen in Milliardenhöhe. Daneben diskutierten die Bewerber über innenpolitische Themen, Kulturpolitik und den Umgang mit dem Westen.

(rbu/sda/dpa)

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Die Gesichter des Protestes gegen das Regime in Iran
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Die Gesichter des Protestes gegen das Regime in Iran
Der Auslöser für die Proteste war der Tod der jungen Kurdin Mahsa Amini. Die 22-Jährige starb wohl, weil sie ihr Kopftuch nicht so getragen hatte, wie die iranischen Mullahs und das iranische Gesetz es für Frauen vorsehen. Die genauen Umstände ihres Todes sind noch unklar. Amini wurde zu einer Ikone im Kampf für Freiheit.
quelle: keystone / abedin taherkenareh
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So wird der Tod Ebrahim Raisis im Iran und auf der Welt gefeiert
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25 Kommentare
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manuel0263
06.07.2024 06:46registriert Februar 2017
Es grenzt an ein Wunder, dass Peseschkian gewinnen "durfte". Wahrscheinlich wollte man fürs Volk eine beruhigende Figur, um dem breiten Unmut strategisch zu begegnen, und macht hinter den Kulissen weiter wie bisher. Aber natürlich muss man dem Mann alles Gute und zumindest gewisse Erfolge bei Reformen wünschen.
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flausch
06.07.2024 10:19registriert Februar 2017
Der Typ wurde nicht als Reformer gewählt, sondern als Opium für das Volk.
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Händlmair
06.07.2024 13:36registriert Oktober 2017
Solange Religionsführer Ajatollah Ali Chamenei und die mächtigen Revolutionsgarden das sagen haben, kann gewählt werden was will. Echte Reformen wird und kann es gar nie geben. Der Präsident im Iran ist nur eine vom Wächterrat zugelassene Marionettenfigur. Mehr nicht.
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