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Wahl in Iran: Eine Präsidentschaftswahl zwischen Hoffnung und Kampf

Zwischen Hoffnung und Machtkampf: In Iran wird ein neuer Präsident gewählt

28.06.2024, 05:4828.06.2024, 07:29
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Iran wählt an diesem Freitag einen neuen Präsidenten. Rund 61 Millionen Wählerinnen und Wähler sind aufgerufen, einen Nachfolger des bei einem Hubschrauberunglück ums Leben gekommen Ebrahim Raisi zu wählen.

Die Wahllokale sind von 8.00 bis 18.00 Uhr Ortszeit (6.30 bis 16.30 Uhr MESZ) mit der Möglichkeit zur Verlängerung geöffnet. Mit ersten Ergebnissen wird am Samstag gerechnet. Erlangt keiner der Bewerber eine absolute Mehrheit, geht es am 5. Juli in die Stichwahl.

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Die Präsidentschaftskandidaten: Masoud Pezeshkian, Alireza Zakani, Mostafa Pourmohammadi, Amirhossein Ghazizadeh Hashemi, Mohammad Bagher Qalibaf und Saeed Jalili. Bild: keystone

Anders als in vielen anderen Ländern ist der Präsident in Iran nicht das Staatsoberhaupt. Die eigentliche Macht konzentriert sich auf den Religionsführer Ajatollah Ali Chamenei. Dieser eröffnete denn auch die Wahl. Das Staatsoberhaupt gab am Freitag seine Stimme traditionell in einer Hochsicherheitszone im Zentrum der Hauptstadt Teheran ab. In einer kurzen Rede forderte er die Nation zu einer regen Beteiligung auf. Um die «Richtigkeit und Ehrlichkeit des Systems der Islamischen Republik zu beweisen», sei die Anwesenheit des Volkes «notwendig und unabdingbar», sagte Chamenei nach der Stimmabgabe vor Reportern.

Machtkampf schwächt Chancen der konservativen Kräfte

Der sogenannte Wächterrat, ein mächtiges islamisches Kontrollgremium, hat nur sechs Kandidaten für die Wahl zugelassen. Zwei Bewerber zogen sich bereits zurück. Die sogenannten Fundamentalisten – das sind loyale und erzkonservative Anhänger des Systems – sind am stärksten vertreten. Unter ihnen brennt ein Machtkampf zwischen dem amtierenden Parlamentspräsidenten Mohammed Bagher Ghalibaf und dem Hardliner Said Dschalili.

Ghalibaf, früherer General der mächtigen Revolutionsgarden, gilt als konservativer Machtpolitiker. Dschalili vertritt radikalere Positionen. Bis zuletzt hatten Regierungsanhänger und Fundamentalisten gehofft, sich auf einen Spitzenkandidaten einigen zu können.

Women walk around the old main bazaar of Tehran, Iran, Thursday, June 13, 2024. (AP Photo/Vahid Salemi)
Zwei Frauen beim Einkauf in Teheran: In Iran will keine Wahlstimmung aufkommen.Bild: keystone

Als gefährlichster Herausforderer gilt der moderate Politiker und frühere Gesundheitsminister Massud Peseschkian. Führende Stimmen aus dem Reformlager haben ihm die Unterstützung zugesagt. Bei einer hohen Wahlbeteiligung dürften seine Chancen gar nicht schlecht sein. Insbesondere, wenn es in die Stichwahl geht und sich das iranische Volk zwischen einem Konservativen und Reformer entscheiden müsste.

Wenig Wahlstimmung, viel Frustration

Wie viele Menschen letztlich wählen gehen, wird sich zeigen. Den Glauben an grosse innenpolitische Veränderungen haben die meisten, vor allem die jungen Menschen, verloren. Der Tod der jungen Kurdin Jina Mahsa Amini im Herbst 2022 entfachte landesweite Proteste gegen das islamische Herrschaftssystem.

Die Wahlbeteiligung bei der diesjährigen Parlamentswahl erreichte ein Rekordtief von rund 40 Prozent. Bei Präsidentschaftswahlen in Iran gehen traditionell jedoch mehr Menschen wählen.

Im Wahlkampf debattierten die Kandidaten vor allem über Wege, die enorme Wirtschaftskrise im Land zu bewältigen. Iran ist wegen seines umstrittenen Atomprogramms mit internationalen Sanktionen belegt und vom weltweiten Finanzsystem weitgehend abgeschnitten. Das Land benötigt Investitionen in Milliardenhöhe. Daneben diskutierten die Bewerber über innenpolitische Themen, Kulturpolitik und den Umgang mit dem Westen.

Irans politisches System vereint seit der Revolution von 1979 republikanische und auch theokratische Züge. Freie Wahlen gibt es jedoch nicht: Das Kontrollgremium des Wächterrats prüft Kandidaten stets auf ihre Eignung. Eine grundsätzliche Kritik am System wird nicht geduldet, wie die Niederschlagung von Protesten in den vergangenen Jahren zeigte. (leo/sda/dpa)

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Die Gesichter des Protestes gegen das Regime in Iran
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Die Gesichter des Protestes gegen das Regime in Iran
Der Auslöser für die Proteste war der Tod der jungen Kurdin Mahsa Amini. Die 22-Jährige starb wohl, weil sie ihr Kopftuch nicht so getragen hatte, wie die iranischen Mullahs und das iranische Gesetz es für Frauen vorsehen. Die genauen Umstände ihres Todes sind noch unklar. Amini wurde zu einer Ikone im Kampf für Freiheit.
quelle: keystone / abedin taherkenareh
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So wird der Tod Ebrahim Raisis im Iran und auf der Welt gefeiert
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