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Gericht in Brasilien: Bolsonaro darf bis 2030 nicht mehr kandidieren

Oberstes Wahlgericht greift durch: Bolsonaro darf bis 2030 nicht mehr kandidieren

Der brasilianische Ex-Staatschef Jair Bolsonaro schürte immer wieder Zweifel am Wahlsystem der grössten Demokratie Lateinamerikas. Das hat jetzt Konsequenzen. Das Oberste Wahlgericht entzieht ihm das passive Wahlrecht. Doch Bolsonaro will nicht aufgeben.
30.06.2023, 18:4130.06.2023, 22:09
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Platzverweis von der politischen Bühne: Brasiliens Ex-Präsident Jair Bolsonaro darf bis 2030 nicht mehr in ein öffentliches Amt gewählt werden. Das Oberste Wahlgericht in der Hauptstadt Brasília entzog dem rechten Ex-Präsidenten (2019-2022) am Freitag für acht Jahre das passive Wahlrecht. Der Zeitraum der Sperre beginnt rückwirkend ab der Präsidentenwahl im Oktober 2022. Wird das Urteil rechtskräftig, ist Bolsonaro damit auch von der Präsidentschaftswahl im Jahr 2026 ausgeschlossen.

Er sei politisch noch nicht erledigt, sagte Bolsonaro nach der Entscheidung. Er kündigte an, Berufung gegen das Urteil einzulegen. «Der Prozess hat weder Hand noch Fuss», sagte der Ex-Präsident am Freitag bei einer Pressekonferenz in Belo Horizonte.

Former Brazilian President Jair Bolsonaro speaks at the Conservative Political Action Conference, CPAC 2023, Saturday, March 4, 2023, at National Harbor in Oxon Hill, Md. (AP Photo/Alex Brandon)
Jair  ...
Bild: keystone

Bolsonaro könnte aus verfahrenstechnischen Gründen Rechtsmittel gegen die Entscheidung direkt beim Obersten Wahlgericht einlegen oder das Urteil vor dem Obersten Gerichtshof auf Verfassungsmässigkeit prüfen lassen. Beide Berufungen müssen innerhalb von drei Tagen eingelegt werden.

Das Verfahren war von der linken Demokratischen Arbeiterpartei (PDT) angestossen worden. Der ehemalige Präsident habe sein Amt missbraucht, Falschinformationen verbreitet und die brasilianischen Institutionen auf dem internationalen Parkett verächtlich gemacht, sagte Parteianwalt Walber Agra.

Die für das Wahlrecht zuständige Generalstaatsanwaltschaft warf Bolsonaro vor, bei einem im Fernsehen übertragenen Treffen mit ausländischen Diplomaten im Juli vergangenen Jahres das brasilianische Wahlsystem in Zweifel gezogen zu haben. Bolsonaro behauptete, dieses sei nicht sicher und könne manipuliert werden. Beweise für seine Behauptungen legte er allerdings nicht vor. «Er hat das Treffen zu einer Wahlkampfveranstaltung gemacht. Eine Rede dieser Art fällt nicht in den Bereich der Meinungsfreiheit», sagte der stellvertretende Generalstaatsanwalt Paulo Gonet.

Immer wieder Zweifel gestreut

Bolsonaro wies die Vorwürfe zurück. «Ich habe das Wahlsystem nicht angegriffen, ich habe mögliche Probleme aufgezeigt», sagte er am Freitag. Sein Anwalt Tarcisio Vieira de Carvalho sagte, die Debatte über das Wahlsystem dürfe in einer Demokratie kein Tabuthema sein.

Das Wahlsystem in Brasilien ist vollständig elektronisch und bestand im Mai vergangenen Jahres einen regelmässig stattfindenden Sicherheitstest des Obersten Wahlgerichts. Bolsonaro streute jedoch immer wieder Zweifel an der Verlässlichkeit des Systems und erkannte seine Wahlniederlage im vergangenen Oktober gegen Luiz Inácio Lula da Silva nie ausdrücklich an. Wenige Tage nach dem Amtsantritt seines Nachfolgers stürmten radikale Bolsonaro-Anhänger Anfang des Jahres den Kongress, den Regierungssitz und den Obersten Gerichtshof in Brasília und verursachten erhebliche Schäden. Erst nach Stunden brachten die Sicherheitskräfte die Lage wieder unter Kontrolle.

Der Vorsitzende von Bolsonaros Liberaler Partei (PL) kritisierte die Entscheidung des Obersten Wahlgerichts. «Es ist unfassbar, was hier geschieht: Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit verliert ein ehemaliger Präsident seine politischen Rechte, weil er seine Meinung gesagt hat», schrieb Valdemar Costa Neto auf Twitter. «Lasst uns doppelt so hart arbeiten und unsere Loyalität zu Präsident Bolsonaro zeigen.» (sda/dpa)

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Bolsonaro-Anhänger stürmen Kongressgelände in der Hauptstadt
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Bolsonaro-Anhänger stürmen Kongressgelände in der Hauptstadt
Anhänger des ehemaligen brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro haben den Kongress in der Hauptstadt Brasilia gestürmt.
quelle: keystone / eraldo peres
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33 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Bluecat1965
30.06.2023 18:35registriert Dezember 2020
Das sind sehr gute Neuigkeiten und eine, wenn auch kleine Chance für den Amazonas Regenwald.
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bokl
30.06.2023 18:44registriert Februar 2014
"Bolsonaro habe lediglich zur Verbesserung des Wahlsystems beitragen wollen."

Das hat er nun ja auch erreicht mit seinem Ausschluss 😂
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Macca_the_Alpacca
30.06.2023 19:07registriert Oktober 2021
Mans sollte Weltweit (ich weiss ein frommer Wunsch) Regeln und Prozederes festlegen wann jemand in ein Präsidentenamt gewählt werden kann. Diese Regeln müssen meiner Meinung nach über den Verfassungen der einzelnen Ländern stehen und klare Altersgrenzen Definieren (z.B. zwischen 35 und 60 wählbar), die Höchstdauer von Ämtern festlegen usw. Zum Prozedere müsste ein Psychologisches Gutachten, ein gewisses Niveau an Bildung gehören. Die Welt leidet aktuell an zu vielen Deppen in zu vielen wichtigen Ämtern (Putin, Erdogan, Orban und Trump steht auch schon wieder in den Startlöchern)
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