Greta, du hast dich verändert.
Zu diesem Schluss kommt ein Redakteur in einem Interview mit der schwedischen Klimaaktivistin Greta Thunberg, das am Dienstag im «Stern» veröffentlicht wurde.
Nachdem sie in den letzten Monaten medial wenig präsent war, gewährt die Ikone der weltweiten Klimabewegung Fridays for Future einen ungewohnt offenen Einblick in ihren aktuellen Alltag – und fällt mit Blick auf die voranschreitende Klimakrise ein überraschendes Urteil in Bezug auf die Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken.
Corona-Pandemie, Krieg und die aktuelle Energiekrise: In den letzten Monaten sind viele Krisen dazwischengekommen, die immer wieder von der Klimakatastrophe abgelenkt haben. Doch auch Greta, inzwischen 19 Jahre alt, hat sich verändert. Sie ist extrovertierter geworden – und trotz Klimakrise vor allem eines: glücklich. «Tatsächlich bin ich so glücklich wie niemals zuvor. Vielleicht, weil ich einen Sinn spüre, weil ich weiss, dass es richtig ist, was ich tue.»
Und das, obwohl gerade viele europäische Staaten, wie auch Deutschland, verstärkt wieder zu den fossilen Energieträgern zurückkehren.
Und inmitten dieser Energiekrise tut die schwedische Aktivistin ein überraschendes Urteil kund: «Ich bin gegen Atomkraft. Ich glaube aber, dass es aktuell schlechter ist, bestehende Atomkraftwerke zu stoppen, wenn Kohle die Alternative ist.»
Diese Aussage kommt unerwartet – und widerspricht auch dem öffentlichen Statement von Fridays for Future. Wie Greta analytisch und abgeklärt begründet: «Es ist kein Geheimnis, dass wir weniger Energie verbrauchen müssen, wenn wir die Klimakrise bekämpfen wollen. Aber das heisst nicht, dass wir leiden sollen. Hätten wir früher ernsthaft in erneuerbare Energien investiert, hätten wir diese Schwierigkeiten heute gar nicht.»
Auch zum Krieg in der Ukraine bezieht Greta Stellung: «Ich bin gegen die Erhöhung von Militärausgaben, auch wenn ich das Bedürfnis mancher Menschen verstehe, sich verteidigen zu wollen.» Gleichzeitig bedauert sie die vertane Chance der europäischen Staaten, sich damit von Gas und Kohle weniger abhängig zu machen – «statt das zu tun, begeben wir uns in eine noch tiefere Abhängigkeit».
A reminder: the people in power don’t need conferences, treaties or agreements to start taking real climate action. They can start today.
— Greta Thunberg (@GretaThunberg) November 15, 2021
When enough people come together then change will come and we can achieve almost anything. So instead of looking for hope - start creating it.
Auch ihr inzwischen vertiefter Einblick in politische Hinterzimmer frustriere sie: «Im Prinzip gibt es drei Typen von Politikern: Jene, die die Klimakrise nicht verstehen. Jene, die sie verdrängen. Und jene, die sie mutwillig ignorieren.» Auch die Bedeutung des Begriffs «Hoffnung» im Politischen sei für sie inzwischen nur noch eine «wohlklingende Lüge, die die Menschen wieder einschlafen lassen soll.»
Solche Aussagen zeigen, wie stark sich die innere Gefühlswelt der ehemals schüchternen Klimaaktivistin zur abgeklärten Verhandlerin auf höchster politischer Ebene gewandelt hat.
Dennoch sei sie im Umgang mit Menschen lockerer geworden, wohne jetzt in einer WG in Stockholm und habe auch viele grossartige Freunde gefunden, mit denen sie auch weiter für Klimagerechtigkeit kämpfen will.
Ob sie in ihrer Annäherung an Menschen nun offener sei?
«Davor hatte ich wirklich Angst. Ich habe aber schnell gemerkt, dass ich immer noch ‚Fuck you' sagen kann.» Vor allem gegenüber den Mächtigen dieser Welt, die ihrer Ansicht nach auch «für das, was sie angerichtet haben, bezahlen» müssten – zum Beispiel vor einem Klimagericht.
Denn der Schluss, den sie aus ihren vielen Treffen mit Politikerinnen und Politikern gezogen habe, sei: «Sie werden nichts tun, wenn sie damit davonkommen können.» Verbittert habe sie diese Annahme nicht, sondern eher ihre Weltsicht geweitet: «Ich habe viele korrupte Menschen in einem korrupten System kennengelernt, aber auch viele grossartige Freunde gefunden, die an der Front leben und für Klimagerechtigkeit kämpfen.»
JonSerious
BernerSchädel
Ich glaube das trifft nicht nur auf die Klimakrise zu… Man kann diesen Begriff auch durch „Probleme“ ersetzten.
«Im Prinzip gibt es drei Typen von Politikern: Jene, die die Probleme nicht verstehen. Jene, die sie verdrängen. Und jene, die sie mutwillig ignorieren.» 🤷🏼
Sättigungsbeilage