Evakuierte Dörfer, ein Dammbruch und schon jetzt historische Schäden: Das kleine Slowenien kämpft mit der schwersten Naturkatastrophe in der Geschichte des seit 1991 unabhängigen Landes. Nach Starkregen und Überschwemmungen waren die Einsatzkräfte wegen drohender Dammbrüche und Erdrutsche auch am Sonntag noch in Alarmbereitschaft. Zwei Drittel Sloweniens waren betroffen. Ähnliche Bilder gab es teils im Süden Österreichs, wo nach verheerenden Niederschlägen vor allem in Kärnten die Gefahr von Hangrutschen gross war. Dort verunglückte ein Mensch tödlich. Auch Kroatien und Polen waren von den Unwettern betroffen - dort lief es aber zunächst glimpflich ab. Doch die Sorge in allen Ländern bleibt.
Die Bilder aus Slowenien am Sonntag zeigten nach Erdrutschen und Überschwemmungen verheerende Zustände: Dörfer waren durch das Wasser von der Aussenwelt abgeschnitten, zahlreiche Hubschrauber versorgten Tausende Katastrophenhelfer mit dem Nötigsten, im Osten des Landes flogen Helikopter Betonblöcke heran, um einen geborstenen Schutzdeich zu reparieren. Hunderte Menschen mussten wegen drohender Erdrutsche in Notunterkünfte.
Ministerpräsident Robert Golob sprach schon am Freitagabend von den «wahrscheinlich grössten Schäden durch eine Naturkatastrophe in der Geschichte des unabhängigen Sloweniens», berichtete die slowenische Nachrichtenagentur STA. Slowenien wurde 1991 unabhängig. Der Gesamtschaden werde voraussichtlich 500 Millionen Euro übersteigen, schätzte Golob. Beschädigt sei vor allem die Strassen- und Energieinfrastruktur sowie Hunderte Wohngebäude.
Seit Donnerstag gab es mehrere Tausend Einsätze in Slowenien, allein in der Nacht zum Sonntag half der Katastrophenschutz in 186 Orten. 137 Feuerwehreinheiten pumpten Wasser aus überschwemmten Häusern, beseitigten umgestürzte Bäume, retteten Menschen aus gefährdeten Gebäuden und lieferten dringend benötigte Lebensmittel und Medikamente.
Zu möglichen Todesopfern gab es zunächst keine genauen Angaben. Bei vier Todesfällen ermittelt die Polizei, ob sie im Zusammenhang mit den Unwettern stehen. Darunter waren zwei Niederländer, die wahrscheinlich beim Wandern vom Blitz getroffen wurden. Die Behörden suchten am Sonntag zudem einen vermissten Italiener.
Besondere Sorge bereitete am Sonntag der ansteigende Pegelstand der rund 450 Kilometer langen Mur, die in Österreich entspringt. Neben Slowenien berührt der Fluss auch Kroatien und Ungarn.
Bereits am Samstagabend hatte ein Dammbruch an der Mur im Osten des Landes die Region in Alarm versetzt, eilig wurden 500 Menschen aus dem Dorf Dolnja Bistrica in Sicherheit gebracht. Das Wasser sei auf landwirtschaftliche Flächen und Wiesen umgeleitet worden, berichtete Miroslav Vuk, der Leiter des örtlichen Katastrophenschutzes. Gleichzeitig waren Versuche im Gange, den Damm mit Sandsäcken und rund zwei Tonnen schweren Betonblöcken abzudichten.
Die hohe Bodenfeuchtigkeit mache Erdrutsche wahrscheinlicher, warnte der Geologische Dienst Sloweniens. Er rief die Bevölkerung auf, stärker auf Veränderungen am Boden, an Gebäuden und an Hängen zu achten. Betroffen waren unter anderem Ljubno ob Savinji im Tal des Flusses Savinja, der Raum Crna, die Region Zgornje Podravje an der Save, die Region Gorenjska 30 Kilometer westlich von Ljubljana sowie Dravograd am Fluss Drau. Auf der Landstrasse von Dravograd nach Maribor herrsche ständige Erdrutschgefahr, erklärten die Katastrophenschützer. Bürgermeister Anton Preksavec sprach nach einem Erdrutsch dort am Wochenende von einer «Apokalypse wahrhaft biblischen Ausmasses», wie STA berichtete.
Die Folgen der verheerenden Niederschläge teils über 36 Stunden hielten auch die Rettungskräfte in Teilen Österreichs in Atem, zeitweise waren dort 5000 Feuerleute im Einsatz, unterstützt von Soldaten. Vor allem die Bundesländer Kärnten und Steiermark und teils Burgenland waren vom Unwetter betroffen. In Zollfeld stürzte eine Person am Sonntag nach Angaben von Augenzeugen in den vom Hochwasser angeschwollenen Fluss Glan und konnte nur noch tot geborgen werden, wie die Regierung des Bundeslandes Kärnten berichtete.
Ein paar Dutzend Häuser und Wohnungen mussten evakuiert werden, etwa in den Kärntner Gemeinden Brückl und Keutschach, weil Schlammlawinen durch das Abrutschen völlig durchnässter Hänge drohten. In Klagenfurt pumpte die Feuerwehr rund um die Uhr Keller aus und die Stadt warnte, dass das Kanalsystem kaum noch Wasser aufnehmen könne. Bange blickten Anwohner auf die Mur und andere Flüsse, an denen der Wasserpegelstand teils bedrohlich stieg. Immerhin: Am Sonntag lugte erstmals seit Tagen zeitweise die Sonne hervor. Statt Starkregen gab es aber immer noch Schauer, wie der Wetterdienst Geosphere Austria berichtete.
Trotz Dauerbelastung gab es grenzüberschreitende Hilfsaktionen. So brachten österreichische Rettungskräfte am Samstag eine Mutter mit 14 Tage altem Baby wohlbehalten aus dem slowenischen Mežica in eine Klinik in das rund 100 Kilometer entfernte Klagenfurt, wie sie berichteten. Kärntner Einsatzkräfte halfen bei der Versorgung der Bevölkerung in schwer erreichbaren Ortschaften jenseits der Grenze.
In Kroatien blieben die Katastrophenschützer wachsam. Zwar waren die Pegelstände der aus Kroatien kommenden Flüsse gestiegen, doch blieben sie unter dem Rekordniveau vergangener Jahre. Teilweise trat die Save über die Ufer. «Wir gehen davon aus, dass es keinen weiteren Anstieg der Zuflüsse aus Slowenien geben wird», sagte der Chef des Wasserwirtschaftsamts, Zoran Djurokovic. Endgültige Entwarnung gab es zunächst nicht. Aus dem Fluss Save habe man grosse Wassermengen abgeleitet. Dennoch habe das Wasser in der Gemeinde Brdovec nahe Zagreb etwa 50 Häuser erreicht.
Ein schweres Gewitter mit Starkregen traf in der Nacht auf Sonntag auch den Nordosten Polens. In der Stadt Olsztyn standen nach Feuerwehrangaben Strassen 70 bis 80 Zentimeter unter Wasser, wie die Agentur PAP meldete. Meteorologen warnten davor, dass Flüsse in Nordostpolen wegen des andauernden Regens über die Ufer treten könnten. Am Sonntag zog ein Tief von West nach Ost durch das Land, eine Gewitterfront mit drohendem Sturm und Hagel rückte auf die Hauptstadt Warschau zu. Meldungen über Verletzte gab es nicht. (sda/dpa)