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Österreich: FPÖ-Chef Kickl trifft Van der Bellen – die wichtigsten Punkte

Wird heute Kickls grosser Tag? Das Wichtigste aus Österreich in 7 Punkten

06.01.2025, 07:48
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Warum ist heute ein wichtiger Tag?

In Österreich wird ein Treffen von Bundespräsident Alexander Van der Bellen mit FPÖ-Chef Herbert Kickl am heutigen späten Vormittag mit Spannung erwartet. Es wird damit gerechnet, dass das Staatsoberhaupt den Rechtspopulisten mit der Bildung einer Regierung beauftragt.

epa11679742 Chairman of the Freedom Party of Austria (FPOe) Herbert Kickl during the election of the new parliamentary president in Vienna, in Vienna, Austria, 24 October 2024. EPA/MAX SLOVENCIK
Lange glaubte niemand an einen möglichen Kanzler Kickl – heute könnte der grosse Tag des Rechtspopulisten sein.Bild: keystone

Zuvor waren Verhandlungen für die vom Staatsoberhaupt selbst favorisierte Bildung einer Dreier-Koalition von konservativer ÖVP, sozialdemokratischer SPÖ und liberalen Neos nach sechs Wochen an grossen inhaltlichen Diskrepanzen gescheitert.

Was sagt Kickl dazu?

Kickl selbst gab sich im Vorfeld des Treffens eher vage. «Manches scheint heute um einiges klarer zu sein als in den letzten Tagen, manches liegt noch im Ungewissen», schrieb Kickl auf den sozialen Medien.

Zugleich hielt er mit Blick auf die jüngsten dramatischen Entwicklungen fest: «Uns trifft keine Verantwortung für verlorene Zeit, für chaotische Zustände und den enormen Vertrauensschaden, der entstanden ist.»

Warum ist das möglich?

Die FPÖ hatte die Parlamentswahl vor drei Monaten zwar klar gewonnen, war aber angesichts des Unwillens der anderen Parteien mit den Rechtspopulisten zusammenzuarbeiten, bei Koalitionsgesprächen zunächst übergangen worden. Die konservative ÖVP, bisher auf Gegenkurs zur FPÖ, kündigte an, nun doch für Bündnisgespräche mit der rechten Partei zur Verfügung zu stehen.

ABD0141_20250104 - WIEN - �STERREICH: ++ ARCHIVBILD ++ ZU APA0177 VOM 4.1.2025 - Bundeskanzler Karl Nehammer (�VP) am Mittwoch, 20. November 2024, in der Pr�sidentschaftskanzlei in Wien. Karl Nehammer ...
Der vorherige Bundeskanzler Karl Nehammer stellte sich lange gegen eine ÖVP-Zusammenarbeit mit der FPÖ.Bild: keystone

Bei einem Zustandekommen der Gespräche und einer Einigung wäre der Weg frei für den ersten Kanzler Österreichs aus den Reihen der FPÖ. Der 56-jährige Kickl, der sich im Wahlkampf als «Volkskanzler» positioniert hatte, ist unter anderem bekannt für seine russlandfreundliche Haltung und eine äusserst strikte Migrationspolitik mit Abschiebungen im grossen Stil.

Wie gut passen FPÖ und ÖVP zusammen?

Für etwaige Koalitionsgespräche von FPÖ und ÖVP zeichne sich eine grosse Übereinstimmung in der Wirtschafts-, Asyl- und Bildungspolitik ab, sagte die Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmerle am Abend in der ORF-Nachrichtensendung «ZiB2». Erhebliche Diskrepanzen seien dagegen bei der EU-, Aussen- und Sicherheitspolitik zu verorten, sagte Hämmerle.

Wie sieht die Lage bei der Budgetkrise aus?

Völlig offen seien auch gemeinsame Konzepte zur Bewältigung der tiefen Budgetkrise, sagte der Präsident des Fiskalrats Christoph Badelt im ORF. Es sei fraglich, ob ein neuer Kanzler von der FPÖ mit unpopulären Sparmassnahmen oder Steuererhöhungen starten wolle, so Badelt weiter. «Wir wissen alle nicht, wozu die FPÖ, wenn es wirklich ums Budgetkonsolidieren geht, eigentlich bereit wäre.» Österreich muss dringend sein Budget sanieren, um ein EU-Defizitverfahren zu vermeiden.

Was läuft gerade bei der ÖVP?

Nach dem Scheitern der Verhandlungen von ÖVP, SPÖ und Neos hatte Kanzler Karl Nehammer seinen Rücktritt angekündigt. Im Amt des Parteichefs folgte ihm interimistisch der bisherige ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker. Dieser gehörte wie Nehammer bisher zu den schärfsten Kritikern Kickls, dem er unter anderem Regierungsunfähigkeit unterstellte. Er hatte den FPÖ-Chef auch als «Sicherheitsrisiko» bezeichnet.

Zwischenzeitlich war auch ein Comeback von Ex-Kanzler Sebastian Kurz als Option für die ÖVP gehandelt worden. Am Sonntag wurde aber klar, dass der 38-Jährige, der inzwischen als Unternehmer erfolgreich ist, nicht als Nachfolger des aktuellen Kanzlers und ÖVP-Chefs Nehammer zur Verfügung steht, wie es aus seinem Umfeld hiess.

Former Austrian Chancellor Sebastian Kurz appears at court for the expected verdict of his trial in Vienna, Austria, Friday, Feb.23, 2024. Kurz is charged with having allegedly making false statements ...
Ein Kurz-Comeback ist derzeit ausgeschlossen.Bild: keystone

Was bedeutet das alles für Van der Bellen?

Die Entwicklung zugunsten der FPÖ gilt auch als ein Schlag für den Bundespräsidenten, der eine Dreier-Koalition ohne die Rechtspopulisten präferiert hatte. Nun gehe es aber darum, dass Österreich eine handlungsfähige und stabile Regierung erhalte, so das Staatsoberhaupt.

epa11807394 Austrian Federal President Alexander van der Bellen speaks to the press after an Austrian People's Party (OeVP) meeting following the announcement of the resignation of Austrian Chanc ...
Kommt nun doch nicht an Kickl vorbei; Alexander Van der Bellen.Bild: keystone

Zunächst wird Nehammer laut Van der Bellen noch kurze Zeit als Kanzler im Amt bleiben. Im Laufe der Woche werde die Kanzler-Nachfolge geregelt. Der neue Regierungschef oder die neue Regierungschefin wird bis zur Vereidigung der nächsten Regierung das Land führen.

Das Staatsoberhaupt hatte in seinen Erklärungen immer wieder betont, das er «nach bestem Wissen und Gewissen» darauf achten werde, dass die Grundpfeiler der Demokratie – er nannte den Rechtsstaat, die Gewaltenteilung, freie, unabhängige Medien und die EU-Mitgliedschaft – weiter hochgehalten würden.

(dab/sda/dpa)

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75 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Pafeld
06.01.2025 09:08registriert August 2014
Man sollte sich nochmals in Erinnerung rufen, dass Kickl damals als Justizminister sämtliche Ermittlungen wegen Korruption gegen Basti Kurz sabbotiert und an die ÖVP hat durchsickern lassen. Kickl ist nicht einfach nur der neue Rechtspopulist, den man aus ideologischen Gründen nicht als Kanzler haben will. Kickl hat sich selbst für dieses Amt schon aktiv inhaltlich disqualifiziert.
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Sisyphus
06.01.2025 09:41registriert Dezember 2021
Für mögliche Koalitionsgespräche zwischen FPÖ und ÖVP zeichnet sich eine grosse Übereinstimmung in der Wirtschafts-, Asyl- und Bildungspolitik ab. Ja, einer harmonischen Ehe scheint nichts mehr im Wege zu stehen.
Aber warum dieses Theater bisher?
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Amadeus
06.01.2025 10:18registriert September 2015
Ich denke, man sollte die Tragweite dieser Entwicklung nicht unterschätzen. Ein radikal rechter, populistischer Putinverharmloser könnte Österreich regieren. Das gefährdet die Demokratie in Österreich, und den Zusammenhalt und die Sicherheit in Europa massiv.
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