International
Österreich

Koalitionsverhandlungen in Österreich scheitern - Rücktritt des Kanzlers

FILE - Austrian Chancellor Karl Nehammer attends a press conference in Vienna on Thursday, Aug. 8, 2024. (AP Photo/Heinz-Peter Bader, File)
In einer Videobotschaft bestätigt Österreichs Kanzler Karl Nehammer das Scheitern der Koalitionsverhandlungen und kündigt seinen Rücktritt an.Bild: keystone

Gespräche über Mitte-Regierung in Österreich gescheitert – Kanzler Nehammer tritt zurück

04.01.2025, 19:2104.01.2025, 21:14
Mehr «International»

Gut drei Monate nach dem Wahlsieg der FPÖ in Österreich sind Gespräche über eine Mitte-Regierung ohne die Rechtspopulisten gescheitert. Die konservative ÖVP habe ihre Gespräche mit der sozialdemokratischen SPÖ beendet, teilte Kanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer mit. Gleichzeitig kündigte er an, in den kommenden Tagen als Regierungs- und Parteichef zurückzutreten.

Erst am Freitag waren die liberalen Neos nach wochenlangem Ringen überraschend aus Verhandlungen mit ÖVP und SPÖ über eine Ampel-Koalition ausgestiegen. Danach setzten die zwei verbliebenen Parteien die Gespräche am Samstagnachmittag fort. Bereits am Abend waren die Verhandlungen jedoch schon wieder zu Ende.

Nehammer beharrt auf seiner Ablehnung der Kickl-FPÖ

«Es ist augenscheinlich, dass die destruktiven Kräfte in der SPÖ die Oberhand gewonnen haben», sagte Nehammer in einer Videobotschaft. Die ÖVP werde keinem wirtschafts- und leistungsfeindlichen Programm zustimmen, betonte er.

Gleichzeitig machte Nehammer klar, dass er weiterhin nicht bereit sei, mit der rechten FPÖ unter Parteichef Herbert Kickl Koalitionsgespräche zu führen. «Es ist meine tiefe Überzeugung, dass Radikale für kein einziges Problem eine Lösung bieten», sagte Nehammer. Der Kanzler hatte die FPÖ unter der Führung Kickls unter anderem wegen dessen Russland-freundlicher Haltung und wegen mangelnder Abgrenzung von rechtsextremen Gruppen wie den Identitären abgelehnt. Der Wirtschaftsflügel seiner Partei bevorzugt hingegen eine Koalition mit der FPÖ statt mit den Sozialdemokraten.

SPÖ-Chef befürchtet nun «rechtsextremen» Kanzler Kickl

SPÖ-Chef Andreas Babler machte in einer Stellungnahme diese Kräfte unter den Konservativen für das Scheitern einer möglichen Grossen Koalition verantwortlich. «Jener Flügel hat sich durchgesetzt, der von Anfang an mit den Blauen geliebäugelt hat», sagte er unter Verweis auf die Parteifarbe der FPÖ. Jetzt drohe «ein rechtsextremer Kanzler», sagte Babler. Wer Nehammer nachfolgen wird, war vorerst ebenso unklar wie die Frage, ob die ÖVP nun als möglicher Juniorpartner mir der FPÖ verhandelt, oder ob Neuwahlen ausgerufen werden.

Gerüchte über Comeback von Sebastian Kurz

Österreichische Medien hatten in den vergangenen Tagen Ex-Kanzler Sebastian Kurz unter Berufung auf konservative Kreise als möglichen neuerlichen ÖVP-Chef ins Spiel gebracht. Kurz hatte von 2017 bis 2019 als Kanzler mit der FPÖ und danach mit den Grünen regiert. Wegen Korruptionsermittlungen gegen ihn zog er sich 2021 aus der Politik zurück. Die Untersuchungen zu den Vorwürfen, die Kurz bestreitet, laufen noch. Kurz hat sich zu den Gerüchten über ein mögliches Comeback noch nicht geäussert. Neben Kurz kursiert auch der Name der ehemaligen EU-Ministerin Karoline Edtstadler für die Nachfolge von Nehammer.

Meinungsforscher sehen FPÖ weiter im Aufwind

Nun liege der Ball bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen, sagte FPÖ-Chef Kickl mit Blick auf einen möglichen Regierungsauftrag, der ihm bisher verwehrt worden war. «Er ist nach den Ereignissen des heutigen Tages unter Zugzwang», sagte Kickl. Die FPÖ hatte die Wahl Ende September gewonnen. Die drei Mitte-Parteien hatten danach versucht, eine Koalition zu schmieden und die Rechten von der Macht fernzuhalten. Auch Van der Bellen hätte solch eine Regierung bevorzugt. Sollte es zu Neuwahlen kommen, könnte die rechtspopulistische FPÖ auf einen fulminanten Sieg hoffen. Letzte Umfragen signalisierten ein weiteres grosses Stimmen-Plus im Vergleich zur Nationalratswahl. Danach könnte die FPÖ ihr Ergebnis von 29 Prozent noch einmal deutlich auf rund 35 Prozent steigern. (sda/dpa)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
95 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Dr. Rodney McKay
04.01.2025 19:33registriert September 2024
Das Ego von Politikern (m/w/d) und ihren Partei dämlichen Parteiprogrammen ist wichtiger als das Wohl des Volkes. Diesen Trend beobachtet man Weltweit immer öfters und zwar über alle Parteien hinweg.

Dieser Schritt wird in AT wie auch bald in DE nur zu einem führen: Noch mehr stimmen für gewisse andere Parteien.
8612
Melden
Zum Kommentar
avatar
raab23@gmail.com
04.01.2025 19:26registriert Mai 2022
Das freut die fpö: Neuwahlen und noch mehr Prozente für die fpö.
6213
Melden
Zum Kommentar
avatar
Flatterschnack
04.01.2025 21:13registriert Juli 2019
Ich wohne knapp 2 Jahre in AT und begegne durch meiner Arbeit sehr vielen Menschen. Das Problem: jeder jammert, Politiker schauen auf sich ob SPÖVPFPÖ etc. aber alle sind "fürs Volk".
Wer hat denn die ganzen Schulden angehäuft?
Coronazahlungen in AT war ein Genickbruch auf Zeit.
Sou Häfeli Sou Deckeli..seis wies will, mit demokratie hat das nichts zu tun und deshalb, liebe Schweizer Bürger, schätzt das direkte.
All die KK Lobyisten im NR sind eh auch präsent, aber man kann immerhin dagegen"steuern".
314
Melden
Zum Kommentar
95
    Kirchlicher Kurswechsel? Vatikan mit neuen Tönen zum Thema Transidentität
    In der Vergangenheit hat sich der Vatikan immer entschieden gegen Geschlechtsangleichungen ausgesprochen – jetzt sendet die Rede eines hohen Kardinals plötzlich ungewohnt offene Signale.

    Der argentinische Kardinal Victor Manuel Fernández äusserte sich auf einer theologischen Konferenz in Köln zum Thema Transgender. Gemäss CNN deutet seine Rede auf einen möglichen Sinneswandel des Vatikans hin.

    Zur Story