International
Russland

Das ist in der Ukraine während der Nacht passiert – Teil 140

Medwedew droht Ukrainern mit dem «Jüngsten Gericht» – das Nachtupdate ohne Bilder

18.07.2022, 05:1218.07.2022, 05:12

Aus Ärger über Verrat im ukrainischen Sicherheitsapparat hat Präsident Wolodymyr Selenskyj die Chefs von Geheimdienst und Generalstaatsanwaltschaft abgesetzt. Aus diesen Behörden seien mehr als 60 Mitarbeiter in den russisch besetzten Gebieten geblieben und kollaborierten mit dem Feind, sagte Selenskyj am Sonntagabend in Kiew. Das Präsidialamt veröffentlichte Erlasse, mit denen der Leiter des Geheimdienstes SBU, Iwan Bakanow, und Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa ihrer Ämter enthoben wurden.

>> aktuelle Entwicklungen in der Ukraine im Liveticker

In einem Telefonat mit dem kanadischen Ministerpräsidenten Justin Trudeau kritisierte Selenskyj erneut eine Ausnahme von den Sanktionen gegen Moskau: Kanada gibt eine dort gewartete Turbine über Deutschland an Russland zurück, die für die Gasleitung Nord Stream 1 durch die Ostsee benötigt wird. Die Aussenminister der EU-Staaten beraten am Montag in Brüssel über die Vorschläge der Europäischen Kommission für ein neues Paket mit Russland-Sanktionen. Es ist der 145. Tag des Krieges.

Viele Überläufer im ukrainischen Geheimdienst

Selenskyj greift in den Sicherheitsbehörden durch. Es gebe 651 Strafverfahren gegen Mitarbeiter von Staatsanwaltschaft und anderen Strafverfolgungsbehörden wegen Hochverrats und Kollaboration mit russischen Diensten. In 198 Fällen seien Betroffene informiert worden, dass sie unter Verdacht stehen. Diese «Reihe von Verbrechen gegen die Grundlagen der nationalen Sicherheit» werfe Fragen an die Behördenleiter auf, sagte der Präsident. Er bestätigte, dass ein ranghoher SBU-Mann festgenommen worden sei, der früher für die Schwarzmeer-Halbinsel Krim zuständig war. Er solle Informationen an Russland weitergegeben haben.

Bakanow leitete den Geheimdienst SBU seit 2019. Für ihn wurde kein Nachfolger genannt. Die Generalstaatsanwaltschaft soll vorübergehend von Oleksij Simonenko geleitet werden.

Die ukrainische Armee schlug nach Angaben ihres Generalstabs vom Sonntagabend russische Angriffe im Donbass nahe der Städte Slowjansk und Bachmut zurück. Aus der Region Sumy im Norden der Ukraine meldete die Verwaltung am Sonntag über 50 Mal Beschuss mit Artillerie. Nachts wurde die Stadt Nikopol im Gebiet Dnipropetrowsk beschossen.

Ukrainischer Unmut über Turbine bleibt

Der Turbinenstreit treibt einen Keil zwischen die Ukraine und einen ihrer wichtigsten militärischen Unterstützer. Kiew werde Kanadas Entscheidung zur Rückgabe der Turbine über Deutschland nach Russland nicht akzeptieren, sagte Selenskyj. Nach dem Gespräch mit Trudeau schrieb er auf Twitter, die Position zu Sanktionen müsse prinzipienfest sein. «Nach den Terrorangriffen auf Winnyzja, Mykolajiw, Tschassiw Jar und andere muss der Druck erhöht, nicht verringert werden.» Er bezog sich dabei auf russische Raketenangriffe in ukrainischen Städten fern der Front mit Dutzenden Toten.

Der russische Energiekonzern Gazprom hat die Gaslieferungen durch die nach Deutschland führende Leitung Nord Stream 1 seit Juni deutlich gedrosselt und dies auch mit der fehlenden Turbine begründet. Kanada will mit der Rückgabe Deutschland und anderen europäischen Staaten gegen drohenden Energiemangel helfen.

Scholz sieht EU als Gegenbild zum imperialistischen Russland

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz setzt sich als Konsequenz aus Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine für eine stärkere und «geopolitische Europäische Union» ein. In einem Gastbeitrag für die «FAZ» schreibt der SPD-Politiker, die EU müsse ihre Reihen schliessen: «Bei der Migrationspolitik etwa, beim Aufbau einer europäischen Verteidigung, bei technologischer Souveränität und demokratischer Resilienz».

Scholz bezeichnete die EU als «gelebte Antithese zu Imperialismus und Autokratie», weshalb sie Machthabern wie Russlands Präsident Wladimir Putin ein Dorn im Auge sei. Die russischen Raketen auf die Ukraine hätten nicht nur massive Zerstörungen verursacht, «sondern auch die europäische und internationale Friedensordnung der vergangenen Jahrzehnte in Schutt und Asche gelegt». Scholz versicherte, die Ukraine werde unterstützt, solange sie dies brauche.

Medwedew droht Ukrainern mit dem «Jüngsten Gericht»

Die Nato und die Ukraine bleiben nach den Worten des Vizechefs des russischen Sicherheitsrates, Dmitri Medwedew, eine Bedrohung für Russland. Solange die Nato und die Ukraine die 2014 annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim nicht als Teil Russlands anerkennen, sei das eine Gefahr. Das sagte der frühere Präsident vor Veteranen in Wolgograd (früher Stalingrad). Sollte die Ukraine versuchen, die Halbinsel zurückzuerobern, werde über alle Ukrainer das «Jüngste Gericht» hereinbrechen, «sehr schnell und schwer», drohte Medwedew.

Journalistin Owsjannikowa wegen Kriegsprotest vorübergehend in Haft

Nahe Moskau wurde am Sonntag die Fernsehjournalistin Marina Owsjannikowa vorübergehend festgenommen. Auf ihrem Telegram-Kanal wurden Fotos gepostet, die angeblich zeigen, wie sie von Polizisten in einen Minibus abgeführt wird. In der Nacht zum Montag meldete das Bürgerrechtsportal «OVD-Info» unter Berufung auf den Anwalt Dmitri Sachwatow, sie sei wieder frei. Owsjannikowa hatte am Freitag Fotos gepostet, wie sie mit einem Protestplakat in Sichtweite des Kremls steht. «Putin ist ein Mörder», stand auf dem Plakat. Die bislang linientreue Mitarbeiterin des russischen Staatsfernsehen hatte im März in einer Live-Sendung ein Protestplakat gegen den Krieg gezeigt.

In der polnischen Hauptstadt Warschau protestierten am Sonntag Ukrainer und Polen vor der russischen Botschaft gegen den Krieg.

Das wird am Montag wichtig

Das EU-Sanktionspaket, über das die Aussenminister beraten, sieht unter anderem ein Einfuhrverbot für russisches Gold vor. Die Strafmassnahmen könnten noch diese Woche in Kraft treten. Über Entwicklungen im Ukraine-Krieg soll bei dem Treffen in Brüssel per Videokonferenz mit Aussenminister Dmytro Kuleba gesprochen werden. (sda/dpa)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Du hast uns was zu sagen?
Hast du einen relevanten Input oder hast du einen Fehler entdeckt? Du kannst uns dein Anliegen gerne via Formular übermitteln.
16 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
roger_dodger
18.07.2022 07:18registriert Februar 2016
Haben Selenskyj und Medwedew einen Job Tausch gemacht? Ich weiss ja dass Selenskyj vor seinem Amt als Politiker Clown war, offenbar hat Medwedew jetzt diesen Job inne.
331
Melden
Zum Kommentar
avatar
Majoras Maske
18.07.2022 06:13registriert Dezember 2016
Jetzt ist Putin schon die Stellvertretung Gottes auf Erden. Was kommt als nächstes? Die Krönung zum Kaiser von Eurasien?
Am Ende ist diese Drohung auch nur leer und sie ist ein Ausdruck der Schwäche und der Verzweiflung.
354
Melden
Zum Kommentar
16
Ohne Dänemark: USA wollen laut Bericht direkten Draht nach Grönland
Die USA wollen einem Bericht zufolge die dänische Regierung umgehen, um direkte Kontakte zur Regierung Grönlands aufzubauen. Wie die Zeitung «Politiken» berichtet, hätten die USA seit April wiederholt versucht, ein Treffen mit dem grönländischen Regierungschef Jens-Frederik Nielsen zu organisieren – unter Ausschluss dänischen Regierungspersonals. Nielsen war im April dieses Jahres gewählt worden.
Zur Story