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Russland

Flugzeug in Russland abgestürzt: Was wir wissen

Video: twitter/KyivPost

Hat die Ukraine ein russisches Flugzeug voller Gefangener abgeschossen? Was wir wissen

Ein russisches Militärtransportflugzeug ist am Mittwoch gegen 9 Uhr (Schweizer Zeit) über dem Gebiet Belgorod an der Grenze zur Ukraine abgestürzt.
25.01.2024, 01:3425.01.2024, 05:12
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Ein russisches Militärtransportflugzeug ist nach Angaben des Moskauer Verteidigungsministeriums am Mittwoch an der Grenze zur Ukraine abgestürzt. Alle 74 Insassen der Iljuschin Il-76 seien getötet worden, teilte das Ministerium mit. Es warf der Ukraine vor, die Maschine abgeschossen zu haben. Das Moskauer Militär verbreitete die Version, dass 65 ukrainische Kriegsgefangene an Bord gewesen seien. Sie hätten zu einem Gefangenenaustausch geflogen werden sollen. Ausserdem seien sechs Mann Besatzung und drei Begleitpersonen in der Maschine gewesen.

Unabhängige Angaben gab es nicht, wen oder was das Flugzeug transportierte. Der Absturz wurde von Kiewer Seite bestätigt. Die Ukraine äusserte sich nicht zu möglichen Gefangenen in dem Flugzeug. Allerdings wurde nach einem Bericht der Ukrajinska Prawda in Kiew bestätigt, dass ein Gefangenenaustausch geplant gewesen sei. Am Mittwochabend hat Wolodymyr Selenskyj eine internationale Aufklärung gefordert.

In sozialen Medien kursiert ein Video, das den Moment des Absturzes zeigen soll. Zu sehen ist eine Detonation in grosser Entfernung, nach der eine riesige schwarzgraue Wolke in den Himmel aufsteigt.

Das sagt Russland

An Bord der Maschine vom Typ Iljuschin Il-76 seien 9 russische Besatzungsmitglieder gewesen sowie 65 ukrainische Kriegsgefangene, meldete die russische Nachrichtenagentur Tass. Sie berief sich dabei auf das russische Verteidigungsministerium und den Chef des Verteidigungsausschusses in der russischen Staatsduma, Andrej Kartapolow. Die Iljuschin sei von der Ukraine mit westlichen Flugabwehrwaffen abgeschossen worden, erklärte das russische Verteidigungsministerium. Ebenso äusserte sich in Moskau der Chef des Verteidigungsausschusses im russischen Parlament, Andrej Kartapolow. Unabhängige Angaben gab es nicht, wen oder was das Flugzeug transportierte.

«Alle Insassen an Bord sind ums Leben gekommen», schrieb der Gouverneur der Region, Wjatscheslaw Gladkow, am Mittwoch auf seinem Telegram-Kanal – er machte jedoch keine Angaben zur Zahl der Personen an Bord. Er sagte lediglich, dass die Kriegsgefangenen zu einem geplanten Austausch geflogen worden seien. Und dort insgesamt 192 Ukrainer gegen 192 russische Gefangene hätten getauscht werden sollen.

In diesem Zusammenhang beschuldigte der Gouverneur allerdings die ukrainische Regierung, von dem Austausch gewusst zu haben: «Die ukrainische Führung wusste bestens über den geplanten Gefangenenaustausch Bescheid, wurde darüber informiert, wie die Gefangenen transportiert werden», sagte er. Für alle diese Angaben gab es zunächst keine andere Bestätigung. Eine zweite Maschine vom Typ Il-76 mit weiteren Gefangenen an Bord sei nach dem Abschuss umgekehrt.

Laut Kartapolow wurde das Militärflugzeug mit drei Flugabwehrraketen entweder des US-Systems Patriot oder des deutschen Systems Iris-T vom Himmel geholt. Das russische Verteidigungsministerium sprach davon, dass zwei Raketenabschüsse geortet worden seien. Der Abschussort liege bei Lipzy im ostukrainischen Gebiet Charkiw, etwa 100 Kilometer von der Absturzstelle entfernt. Duma-Chef Wjatscheslaw Wolodin kündigte eine Eingabe an den Bundestag und den US-Kongress an. Man müssen den Parlamentariern vor Augen führen, wem sie mit ihren Waffenlieferungen helfen, sagte Wolodin.

Die russische Nachrichtenagentur Tass bestätigte, dass das Flugzeug nicht auf bewohntes Gebiet, sondern auf Felder aufschlug.

Zumindest die Reichweite der Iris-T ist offiziell geringer als die Entfernung zur Absturzstelle. Experten bezweifeln zudem, dass die Ukraine die teuren Flugabwehrsysteme direkt an der Grenze aufgestellt hat, wo sie für Russland leicht zu bekämpfen sind. Bezweifelt wurde auch, dass die Gefangenen nur von drei Männern bewacht worden seien.

Das sagt die Ukraine

Mittlerweile hat die Ukraine bestätigt, dass für Mittwoch eigentlich ein Austausch von Kriegsgefangenen geplant gewesen war. «Heute hätte ein Gefangenenaustausch stattfinden sollen, der nicht stattfand», teilte der ukrainische Militärgeheimdienst HUR am frühen Abend mit. Die Version aus Moskau, wonach die ukrainischen Gefangenen an Bord der abgestürzten russischen Maschine sassen und nun tot sind, bestätigte Kiew nicht. Stattdessen hiess es in der Mitteilung: «Derzeit haben wir keine verlässliche und umfassende Information darüber, wer genau und wie viele sich an Bord des Flugzeugs befanden.»

Die Ukraine habe ihrerseits alle Vereinbarungen eingehalten und die russischen Soldaten pünktlich zum Austauschort gebracht, teilte der Geheimdienst mit. Weiter hiess es: «Gemäss der Vereinbarung musste die russische Seite die Sicherheit unserer Verteidiger gewährleisten. Zugleich wurde die ukrainische Seite nicht über die Notwendigkeit informiert, die Sicherheit des Luftraums im Gebiet um die Stadt Belgorod in einem bestimmten Zeitraum zu gewährleisten, so wie das in der Vergangenheit mehrfach getan wurde.»

Dass die ukrainische Seite dieses Mal nicht über die genauen russischen Transportmittel in Kenntnis gesetzt worden sei, «könnte auf vorsätzliche Massnahmen Russlands hinweisen, die darauf abzielen, das Leben und die Sicherheit von Gefangenen zu gefährden», schrieb die ukrainische Behörde. Staatliche russische Medien werteten die Mitteilung als indirekte Bestätigung dafür, dass die Ukrainer das Flugzeug mit ihren eigenen Soldaten an Bord abgeschossen hätten. Offiziell gibt es eine solche Bestätigung aus Kiew allerdings nicht.

Video: twitter/KyivPost

Dementsprechend teilte das Verteidigungsministerium der Ukraine mit, dass es die Meldung, dass die Il-76 von den ukrainischen Streitkräften getroffen worden sei, bisher nicht bestätigen könne, da zuerst noch Daten ausgewertet werden müssen.

Am Mittwochabend hat Wolodymyr Selenskyj eine internationale Aufklärung gefordert. Der ukrainische Militärgeheimdienst HUR versuche derzeit mehr über das Schicksal der Dutzenden ukrainischen Kriegsgefangenen zu erfahren, die laut Moskauer Angaben an Bord der Maschine gewesen sein sollen, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Ansprache am Mittwoch.

Er habe zudem den ukrainischen Aussenminister Dmytro Kuleba angewiesen, ausländische Partner mit allen Informationen zu versorgen, die der Ukraine zur Verfügung stünden. «Unser Staat wird auf eine internationale Aufklärung bestehen», betonte er. Selenskyj sagte ausserdem: «Es ist offensichtlich, dass die Russen mit dem Leben von ukrainischen Gefangenen, mit den Gefühlen ihrer Angehörigen und mit den Emotionen unserer Gesellschaft spielen.»

Unabhängige Angaben dazu, wen oder was das Flugzeug transportierte, gibt es aber weiterhin nicht.

Mit Material der Nachrichtenagenturen SDA und DPA.

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243 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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BG1984
24.01.2024 11:30registriert August 2021
Traue nie den Russischen Aussagen. Meist ist das Gegenteil der Fall.
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Dave 93
24.01.2024 11:10registriert Februar 2021
Ich gehe jede Wette ein, dass sich Raketen an Bord befunden haben. Das Inferno beim Aufprall ist laut Video viel zu gross für nur Flugzeugtreibstoff.

Schiff für Schiff, Flugzeug für Flugzeug, Russland wir demilitarisiert
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Grobianismus
24.01.2024 11:31registriert Februar 2022
Ziemlich hohe Flammen für Kriegsgefangene... Klingt natürlich besser, zu behaupten, die Ukraine töte die eigenen Leute.
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