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Wagner-Boss Prigoschin: Alles, was wir über den Privatjet-Absturz wissen

Putin: «Er hat ernsthafte Fehler gemacht» – das Neuste zum Prigoschin-Absturz in 7 Punkten

24.08.2023, 21:3425.08.2023, 21:36
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Was ist passiert?

Am Mittwoch ist in der Region Twer ein Privatjet abgestürzt. Wie die russische Luftfahrtbehörde bekannt gab, gehört auch Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin zu den Todesopfern. Zuvor hatten bereits diverse russische Medien sowie der Telegram-Kanal des 63-Jährigen, Grey Zone, geschrieben, Prigoschin sei tot. Eine amtliche Bestätigung oder eindeutige Belege für den Tod des langjährigen Vertrauten von Kremlchef Wladimir Putin gab es bis zum Donnerstagmorgen nicht.

FILE - In this handout image taken from a video released by Prigozhin Press Service on Friday, May 5, 2023, head of Wagner Group Yevgeny Prigozhin stands in front of multiple bodies lying on the groun ...
Wagner-Boss Jewgeni Prigoschin ist wohl tot.Bild: keystone

Wer war sonst noch an Bord?

Laut Medienberichten sollen zehn Menschen an Bord gewesen sein – drei Besatzungsmitglieder und sieben Passagiere. Auch die Luftfahrtbehörde Rosawiazija veröffentlichte eine Passagierliste. Neben Prigoschin soll auch Dimitri Utkin zu den Toten gehören – der 53-Jährige gehört ebenfalls zu den Gründern der Wagner-Truppe.

Alle zehn Leute an Bord sollen tot sein. «Nach vorläufigen Informationen kamen alle an Bord ums Leben», so das russischen Notfallministerium. Noch am Abend wurden sieben Leichen aus den Trümmern geborgen, wie Quellen im Rettungsdienst der Stadt Bologoje der Agentur Tass sagten.

Video vom AbsturzVideo: twitter/mash

Wohin war die Maschine unterwegs?

Die Maschine vom Typ Embraer Legacy 600 sollte von Moskau nach St. Peterburg fliegen, wo Prigoschins Firmen ihren Sitz haben. Sie stürzte demnach im Gebiet Twer bei dem Ort Kuschenkino mehr als 200 Kilometer von Moskau entfernt ab.

Wie kam es zum Absturz?

Nach dem Absturz verbreitetet Prigoschins Internetmedium die Version eines gezielten Abschusses. Die Maschine sei über dem Gebiet Twer von der Flugabwehr abgeschossen worden, hiess es auf dem Telegram-Kanal Grey Zone. Priogoschin nutzte ihn üblicherweise, um seine Videos zu verbreiten. Überprüfbar war die Behauptung eines Abschusses nicht. «Prigoschin starb als Ergebnis der Handlungen von Verrätern Russlands», hiess es in einem Post.

Grey Zone schrieb, es seien zwei Flugzeuge der Privatarmee Wagner in der Luft gewesen. Das zweite habe auf dem Flug nach St. Petersburg kehrt gemacht und sei im Flughafen Ostafjewo südlich von Moskau gelandet. Grey Zone zog die Behördenversion in Zweifel, wonach Prigoschin auf der Passagierliste der ersten Maschine gestanden habe und getötet worden sei. «Wo Jewgeni Prigoschin letztlich war, dazu gibt es im Moment keine genauen Informationen», hiess es.

Video: twitter/liveuamap

«Der Mord an Prigoschin wird katastrophale Folgen haben», schrieb der Militärjournalist Roman Saponkow auf Telegram. «Die Leute, die den Befehl gegeben haben, verstehen nichts von der Stimmung in der Armee und ihrer Moral.» Prigoschin war wegen seiner Kritik an der regulären Armeeführung und einigen Erfolgen seiner Söldner auf dem Schlachtfeld beliebt bei Soldaten.

Der kremltreue russische Fernsehsender Zargrad stellte ebenfalls den Verdacht eines Mordkomplotts gegen Prigoschin in den Raum. Er gab aber dem ukrainischen Militärgeheimdienst die Schuld am Absturz des Flugzeugs.

Die «New York Times» und andere US-Medien berichteten am Donnerstag unter Berufung auf US-Geheimdienstkreise, vermutlich habe eine Explosion an Bord des Flugzeuges den Absturz ausgelöst. Eine endgültige Schlussfolgerung sei noch nicht gezogen, aber eine Explosion sei derzeit die führende Theorie für die Absturzursache, schrieb die «New York Times».

Was sagt Wladimir Putin zum Vorfall?

Am Tag des Absturzes war nichts vom Kreml-Chef zu hören. Am Donnerstag bestätigte Putin dann ebenfalls, dass der Wagner-Boss tot sei. In einer Fernsehansprache nannte er Prigoschin einen «talentierten Menschen», sagte aber weiter: «Er war ein Mensch mit einem schwierigen Schicksal, und er hat ernsthafte Fehler gemacht», sagte Putin. Zugleich habe der Geschäftsmann und Söldnerführer Ergebnisse erzielt – für sich wie für die gemeinsame Sache.

Putin formulierte vorsichtig, dass ersten Erkenntnissen zufolge am Vorabend ein Flugzeug mit Angehörigen der Privatarmee Wagner abgestürzt sei. Wagner habe einen wichtigen Beitrag in den Kämpfen in der Ukraine geleistet, der nicht vergessen werde.

FILE - Businessman Yevgeny Prigozhin, left, shows Russian President Vladimir Putin, around his factory which produces school meals, outside St. Petersburg, Russia on Sept. 20, 2010. Prigozhin made his ...
Prigoschin und Putin im Jahr 2010 – in den letzten Jahren waren die beiden fast nie mehr zusammen zu sehen.Bild: keystone

Putin sprach den Angehörigen sein Beileid aus. Er kündigte eine umfassende Aufklärung des Absturzes an. Diese habe bereis begonnen, werde aber eine Zeit lang dauern, sagte er bei einem Treffen mit dem russischen Verwaltungschef von Donezk, Denis Puschilin.

Weiter berichtete Putin, Prigoschin sei erst am Mittwoch aus Afrika zurückgekehrt. Dort habe er zuvor «bestimmte offizielle Personen getroffen».

Wie reagiert das Ausland?

Mychajlo Podoljak, ein Berater, des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, schreibt auf X (früher Twitter), es sei offensichtlich, dass Putin niemandem verzeihe. «Es ist offensichtlich, dass Prigoschin ein besonderes Todesurteil für sich selbst unterschrieben hat, als er an Lukaschenkos bizarre ‹Garantien› und Putins ebenso absurdes ‹Ehrenwort› glaubte.» Podoljak sieht Prigoschins Tod als Zeichen Putins vor den Wahlen 2024 – also dass der Kreml-Chef damit sagen will, fehlende Loyalität ihm gegenüber werde bestraft.

Die US-Regierung hält es für wahrscheinlich, dass Prigoschin beim Flugzeugabsturz in Russland tatsächlich starb. Laut der ersten US-Einschätzung, die auf verschiedenen Faktoren beruhe, sei Prigoschin vermutlich bei dem Absturz der Maschine ums Leben gekommen, sagte der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, Pat Ryder, am Donnerstag.

Den USA lägen keine Informationen vor, dass das Flugzeug durch eine Boden-Luft-Rakete abgeschossen worden sei, sagte Ryder. Entsprechende Berichte seien nach US-Einschätzung nicht korrekt. Weitere Angaben zur möglichen Ursache für den Flugzeugabsturz könne er jedoch nicht liefern.

Kaja Kallas, Premierministerin von Estland, meldete sich ebenfalls zu den Vorfällen zu Wort. «Sollte das stimmen, zeigt es, dass Putin jeden Gegner eliminiert», sagt sie. «Das schreckt alle mit einer anderen Meinung davon ab, diese zu äussern.»

Wie erlangte Prigoschin Bekanntheit?

Prigoschin (62) hatte auf den Tag genau vor zwei Monaten mit seiner Privatarmee Wagner gegen die russische Führung gemeutert, wobei die Hintergründe dieser Ereignisse bis heute unklar sind. Bei dem Vormarsch auf Moskau forderten die Meuterer die Ablösung von Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow. Prigoschin griff aber auch Präsident Wladimir Putin selbst an. Der Kremlchef nannte Prigoschin einen Verräter. Die Meuterei endete damit, dass der Wagner-Chef und Tausende seiner Bewaffneten nach Belarus gehen konnten.

Der Wagner-Aufstand in 25 Bildern

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Der Wagner-Aufstand in 25 Bildern
Sicherheitskräfte und gepanzerte Fahrzeuge besetzen das Hauptquartier der russischen Armee des südlichen Militärbezirks, 24. Juni 2023.
quelle: epa / stringer
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Die von ihm aufgebaute Söldnertruppe hatte für Russland erst inoffizielle Spezialaufträge in Syrien, später auch in mehreren Staaten Afrikas erfüllt. Im Angriffskrieg auf die Ukraine warb Prigoschin Häftlinge aus russischen Gefängnissen an. Die Truppe erlitt schwere Verluste in den Kämpfen um die ostukrainische Stadt Bachmut. Prigoschin warf der regulären Militärführung Unfähigkeit und Korruption vor.

Prigoschin hatte selbst im Gefängnis gesessen und später Karriere als Hoflieferant für den Kreml gemacht, daher rührt sein Beiname «Putins Koch». Er soll auch der Geschäftsmann hinter den Trollfabriken in St. Petersburg gewesen sein, die über soziale Netzwerke Einfluss auf westliche Länder zu nehmen versuchten. (sda/dpa)

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277 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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RootAuthority
23.08.2023 19:17registriert März 2016
Da war das Hotelfenster wahrscheinlich nicht ausreichend.
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Hallwilerseecruiser
23.08.2023 19:20registriert Juli 2019
Wette verloren. Ich hatte fünf Franken auf einen Fenstersturz getippt.
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King33
23.08.2023 19:20registriert April 2017
Das ging ja schnell. Die wirklich Unangenehmen stürzen nicht aus dem Fenster, sondern werden gleich im Ganzen per Flugzeug entsorgt.

Effizient. Muss man Putin lassen.
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