Für die ukrainischen Truppen im Osten des Landes wird die Lage angesichts russischer Geländegewinne immer brenzliger. Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach von einer schwierigen Lage im Donbass. Während der russische Angriffskrieg auf sein Land in den vierten Monat ging, erneuerte er die Bitte um schwere Waffen wie Raketenartillerie, Panzer oder Anti-Schiffs-Raketen. «Das ist die beste Investition in den Erhalt von Stabilität in der Welt», sagte er am Dienstagabend in Kiew.
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Der frühere deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder stellte unterdessen klar, dass er keinen Aufsichtsratsposten beim russischen Energieriesen Gazprom übernehmen wolle. Auf die Nominierung habe er schon vor längerer Zeit verzichtet und dies dem Unternehmen auch mitgeteilt, schrieb Schröder auf dem Online-Portal «Linkedin».
Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine wird auch am Mittwoch viele internationale Treffen beschäftigen von den Aussenministern des Ostseerates bis zum Weltwirtschaftsforum in Davos in der Schweiz.
Mit massiven Artillerie- und Luftangriffen haben russische Truppen in den vergangenen Tagen die ukrainischen Verteidiger aus mehreren Ortschaften im Osten des Landes vertrieben, die ukrainische Front gerät ins Wanken. Für Moskau ist die vollständige Eroberung der ukrainischen Verwaltungsgebiete Donezk und Luhansk wichtiges Kriegsziel. In Luhansk ist dieses Ziel nahezu erreicht.
«In diesen Angriff wirft die russische Armee alle Kräfte, die sie noch hat», sagte Selenskyj in seiner Videoansprache von Dienstagabend. Er zählte die Städte Lyman, Popasna, Sjewjerodonezk und Slowjansk auf. «Die Besatzer wollen dort alles zerstören.» Es werde grosser Anstrengungen des ukrainischen Volkes bedürfen, um die russische Überlegenheit an Rüstung und Technik zu überwinden. Allein im Gebiet Donezk wurden nach Angaben der Verwaltung binnen 24 Stunden 15 Zivilisten getötet.
Auch das ukrainische Verteidigungsministerium sprach von einer schwierigen Lage im Kohle- und Stahlrevier Donbass. Offenbar wolle die russische Armee ukrainische Einheiten in den Grossstädten Sjewjerodonezk und Lyssytschansk einkesseln, sagte Sprecher Olexander Motusjanyk. Beide Städte hatten vor dem Krieg etwa 100 000 Einwohner.
Die Versorgung der ukrainischen Verteidiger dort läuft über eine einzige Strasse. Diese sei mittlerweile unter Beschuss durch russische Artillerie und Granatwerfer geraten, schrieb der Experte Nikolay Mitrokhin in der Zeitschrift «Osteuropa».
Russland will nach Militärangaben ab Mittwoch eine sichere Seepassage aus der eroberten ukrainischen Hafenstadt Mariupol durch das Asowsche Meer einrichten. Die von Minen geräumte Strecke Richtung Schwarzes Meer sei 115 Seemeilen (213 Kilometer) lang und 2 Seemeilen breit und ab 8.00 Uhr Ortszeit (7.00 MESZ) befahrbar. Zugleich werde die beschädigte Hafeninfrastruktur von Mariupol instandgesetzt.
Die letzten ukrainischen Verteidiger der Stadt hatten Ende vergangener Woche die Waffen gestreckt, Mariupol selbst ist weitgehend zerstört. In den von der Ukraine kontrollierten Häfen an der Schwarzmeer-Küste sitzen nach russischen Angaben noch etwa 70 ausländische Schiffe aus 16 Ländern fest.
Gazprom hatte Schröder Anfang Februar - kurz vor dem Angriff auf die Ukraine - für einen Posten im Aufsichtsrat nominiert. In einem Interview der «New York Times» vom April liess der ehemalige deutsche Bundeskanzler noch offen, ob er die Nominierung annehmen werde. Nun erklärte er, den Posten schon vor längerem abgelehnt zu haben.
Wegen seiner Verbindungen nach Russland stand Schröder in den vergangenen Monaten massiv in der Kritik. Der Altkanzler pflegt eine Freundschaft zu Kremlchef Wladimir Putin und hatte über die Jahre verschiedene Posten in der russischen Energiewirtschaft: einen Sitz im Aufsichtsrat des Ölkonzerns Rosneft sowie Tätigkeiten für die Gazprom-Töchter Nord Stream und Nord Stream 2. Am vergangenen Freitag hatte Rosneft bekanntgemacht, dass Schröder den Aufsichtsratsposten niederlegt.
Die EU-Kommission stellt am Mittwoch einen Vorschlag vor, wie russisches Vermögen beschlagnahmt und für den Wiederaufbau der Ukraine genutzt werden könnte. Nach jüngsten Zahlen haben russische Oligarchen seit Kriegsbeginn im Februar Vermögen für etwa zehn Milliarden Euro verloren. Ausserdem wird ein Vorschlag erwartet, das Umgehen von Sanktionen in der EU unter Strafe zu stellen.
Der russische Angriffskrieg beherrscht mehrere internationale Konferenzen. Beim Weltwirtschaftsforum in Davos in der Schweiz wird am Mittwoch der ukrainische Aussenminister Dmytro Kuleba erwartet. Die Aussenminister der Mitglieder des Ostseerates beraten am zweiten und letzten Tag ihres Treffens in Kristiansand in Norwegen über die Sicherheit im Norden Europas. Für Deutschland nimmt Aussenministerin Annalena Baerbock (Grüne) teil.
Finnland und Schweden entsenden unterdessen Delegationen zu Verhandlungen in die Türkei. Ankara hat ein Veto gegen den Beitritt der nordischen Länder zur Nato angekündigt. (sda/dpa)