Am Mittwoch mussten vier Banker der Gazprombank Schweiz vor dem Bezirksgericht Zürich antraben. Der Vorwurf: mangelnde Sorgfalt bei Finanzgeschäften. Dabei geht es um Konten des Cellisten Sergey Roldugin, welche die Gazprombank zwischen 2014 und 2016 verwaltete.
So besteht der Verdacht, dass die beiden Konten eigentlich nicht Roldugin, sondern Wladimir Putin gehörten. Es hätte den Bankern klar sein müssen, dass es sich bei dem angeblich «wirtschaftlich Berechtigten» Sergej Roldugin um einen Strohmann handelte, schreibt die Anklagebehörde weiter. Doch wer ist dieser Roldugin? Und wie steht es um sein Verhältnis zu Putin? Eine Übersicht in drei Punkten.
Sergey Roldugin lam am 28. September 1951 in der Oblast Sachalin zur Welt. Zur Schule ging er später in Riga, Lettland, wohin sein Vater Pavel, ein Soldat, versetzt worden war. Schon in jungen Jahren lernte er Roldugin Klavier und Cello zu spielen. Sein Talent war früh erkennbar, im Jahr 1980 war er Preisträger des Festivals Prager Frühling. Die Musik führte ihn später zu den St. Petersburger Philharmonikern und später zum renommierten Mariinski-Theater, wo er im In- und AuslandBekanntheit erlangte. Von 2002 bis 2004 war er Rektor des Sankt Petersburger Konservatorium.
Im Jahr 1977 lernte Roldugin Wladimir Putin kennen. Entscheidend war dabei der Bruder des Musikers, der wie Putin beim Geheimdienst KGB war. Es entstand eine Freundschaft, die über die Jahre andauerte. Im Jahr 1980 stellt Ruldogin Putin seine zukünftige Frau Ljudmila vor, 1985 machte Putin Roldugin sogar zum Patelonkel seiner Tochter Maria Woronzowa. In seiner Biografie beschrieb Roldugin seine Beziehung zu Putin mit folgenden Worten:
Als Wladimir Putin seinen politischen Aufstieg startete, protitierte auch Sergey Roldugin. Wie viele andere Vertraute des heutigen Kremlbosses startete auch der Musiker so eine Karriere in der Geschäftswelt.
Im Jahr 2005 wurde Roldugin mit 3,96 Prozent der Anteile Minderheitsaktionär der Rossiya Bank. Diese war schon damals Teil eines von Putin orchestrierten Untergrundnetzwerks. «Die Aktionäre der Bank Rossiya sind [...] fast alle Milliardäre geworden», so «Le Monde» im Jahr 2016. «Sie bilden das Herz der russischen Oligarchie und kontrollieren die wichtigsten Vermögenswerte des Landes: Öl, Gas, Eisenbahnen, Bauwesen, Medien.»
Im April 2016 tauchte Roldugins Name im Skandal um die Panama Papers auf. Zu den dubiosen Vermögenswerten, mit denen er in Verbindung gebracht wird, gehören die Vermögenswerte von sieben Offshore-Firmen, die alle von der Rossiya Bank hinter der Fassade einer diskreten Schweizer Anwaltskanzlei verwaltet werden und sich auf rund zwei Milliarden US-Dollar belaufen.
Unter den Tausenden von Dokumenten, die in Panama sichergestellt wurden, finden sich auch einige, welche die von der Bank Rossiya verdeckten Operationen beschreiben. Also auch von Roldugin, welcher sich immer wieder als «einfachen» Musiker darstellt, der «nur von seinem Cello» lebt und sagt, er verabscheue die Bezeichnung «Geschäftsmann», die ihm von den Medien zugeschrieben wurde.
Zudem wird über die Herkunft und die Höhe des Vermögens von Wladimir Putin spekuliert. Wie zahlreiche Medien berichteten, soll sich der Kremlchef seit Jahren auf ein Netzwerk von Briefkastenfirmen verlassen, die alle auf die Namen seiner engsten Vertrauten lauten. Musiker Roldugin könnte dabei eine zentrale Rolle gespielt und ein Doppelleben geführt haben:
Im Zuge der Panama Papers bezeichnete ihn Washington als «Hüter des Offshore-Vermögens von Putin». Andere nennen ihn «Putins Geldbeutel». Und seit dem Beginn der russischen Invasion in der Ukraine gehört Roldugin zu den von Brüssel sanktionierten Persönlichkeiten.
Die Justiz stellte sich am Mittwoch in Zürich vor den vier Bankern die Frage, wie ein Mann, der sich als einfacher Musiker ausgibt, einen solchen Reichtum und Einfluss anhäufen konnte. Seine Rolle als Günstling des Kremls habe es ihm ermöglicht, «beträchtliche Summen zu erhalten».
Die Bereicherung von Putins Vertrauten sei zwar «tadelnswert», so die Verteidigung weiter, aber nichts habe darauf hindeuten können, dass der Musiker nicht der Besitzer der Konten war. Um seinen guten Glauben zu beweisen, habe der Mann «am 7. Februar 2022 schriftlich bestätigt, dass er der wahre Eigentümer aller Offshore-Firmen und ihrer Beteiligungen ist», berichtet «24 heures».
Eines ist sicher: Roldugin ist ein Meister der Verschleierung geworden. In all diesen Jahren ist es ihm gelungen, weitgehend unter dem Radar der investigativen Medien zu fliegen. Er wurde viel mehr als Solist und Mäzen hervorgehoben als als Freund Putins. «Weder ein Oligarch noch ein Politiker», so die «Süddeutsche Zeitung» über Roldugins Rolle. Aber wer ist er dann? Es bleibt abzuwarten, ob die Gerichte durch den Fall der Gazprombank einen Teil vom Geheimnis Roldugin lüften können. Das Urteil wird am 30. März gefällt.
Wenn der ausgelegte Hut gross genug ist, kann man als Strassenmusiker auf dem Roten Platz offenbar eine Menge Kohle machen.