Die Ukraine dringt inmitten schwerer Kämpfe im Osten des Landes auf zusätzliche und schnellere Waffenlieferungen aus dem Westen. Präsident Wolodymyr Selenskyj bat nach russischen Raketenangriffen in der Nacht zum Montag abermals um moderne Luftabwehr-Systeme.
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Von dem laut einem Medienbericht anstehenden Besuch des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz in Kiew erhofft sich die Ukraine die Zusage zur sofortigen Lieferung deutscher Panzer.
Seit der russischen Invasion im Februar seien ukrainische Städte von gut 2600 feindlichen Raketen getroffen worden, sagte Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache am Sonntag. «Das sind Leben, die hätten gerettet werden können, Tragödien, die hätten verhindert werden können - wenn die Ukraine erhört worden wäre.» Dabei habe das Land bereits vor dem Krieg um moderne Luftabwehr-Systeme gebeten, die schon vor Jahren hätten geliefert werden können, sagte Selenskyj.
In den umkämpften ostukrainischen Gebieten versuchten die russischen Truppen weiterhin, in Richtung von Städten wie Bachmut, Slowjansk und Lyssytschansk vorzustossen, sagte Selenskyj. In der strategisch wichtigen Stadt Sjewjerodonezk werde «buchstäblich um jeden Meter gekämpft». Nach Angaben vom Samstag kontrollierten ukrainische Truppen zu diesem Zeitpunkt rund ein Drittel der Stadt.
Russische Truppen haben nach Recherchen von Amnesty International durch den völkerrechtswidrigen Einsatz geächteter Streumunition zahlreiche Zivilisten im ostukrainischen Gebiet Charkiw getötet. «In Charkiw wurden Menschen in ihren Häusern und auf der Strasse getötet, während sie mit ihren Kindern Spielplätze besuchten, auf Friedhöfen ihrer Angehörigen gedachten, beim Anstehen für Hilfslieferungen oder beim Einkaufen», berichtete Janine Uhlmannsiek vom deutschen Ableger von Amnesty International. Als Streumunition werden Raketen und Bomben bezeichnet, die noch in der Luft über dem Ziel zerbersten und eine Vielzahl kleiner Sprengkörper freisetzen.
Der ukrainische Botschafter in Deutschland Andrij Melnyk sagte, es sei enttäuschend, wie langsam Deutschland Waffen in die Ukraine liefere. Seit dem 3. Mai seien keine Waffen mehr angekommen, nur sechs Millionen Schuss Munition. «Daher hoffen wir, dass die Ampel-Regierung endlich auf das Gaspedal drückt, um sowohl den Umfang als auch das Tempo massiv zu erhöhen, damit die Ukraine die russische Grossoffensive im Donbass abwehren kann.»
Die deutsche Bundesregierung hatte sich zwei Tage nach der russischen Invasion in die Ukraine am 24. Februar dafür entschieden, Waffen in das Kriegsgebiet zu liefern - ein Tabubruch. Seitdem kamen in der Ukraine Panzerfäuste, Flugabwehrraketen, Splittergranaten und mehr als 20 Millionen Schuss Munition an. Schwere Waffen wie Artilleriegeschütze und Flugabwehrpanzer wurden zwar zugesagt, aber noch nicht geliefert.
Die deutsche Bundesregierung genehmigte in den ersten gut drei Monaten des Kriegs die Lieferung von Waffen und anderen Rüstungsgütern im Wert von 350.1 Millionen Euro in die Ukraine. Das geht aus einer Antwort des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Sevim Dagdelen hervor, die der dpa vorliegt. Darunter sind Kriegswaffen für 219.8 Millionen Euro und sonstige Rüstungsgüter wie Helme und Schutzwesten für 85.2 Millionen Euro.
Zum Vergleich: Die USA haben der Ukraine von Kriegsbeginn bis zum 1. Juni nach Regierungsangaben Waffen und Ausrüstung im Wert von 4.6 Milliarden Dollar (4.37 Milliarden Euro) zugesagt oder geliefert. Dazu gehören schwere Waffen wie Haubitzen und Mehrfach-Raketenwerfer.
Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko hat hohe Erwartungen an einen möglichen Besuch von Olaf Scholz in der ukrainischen Hauptstadt. Der «Bild am Sonntag» zufolge plant der SPD-Politiker noch im Juni eine gemeinsame Reise mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dem italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi. «Wir brauchen von den drei Führern der wichtigsten Länder harte Unterstützungssanktionen und Waffen so schnell wie möglich», sagte Klitschko der «Bild».
Er gehe davon aus, dass die dramatische Lage der Ukraine durch einen Besuch deutlicher werden würde. «Ich glaube, man kann die Situation besser verstehen, wenn man Städte wie Butscha mit eigenen Augen gesehen hat», sagte Klitschko. Er sieht auch die Hauptstadt weiter in Gefahr eines Angriffs durch Russland. «Kiew war ein Ziel und Kiew bleibt ein Ziel.»
Unbekannte Hacker haben eine Botschaft gegen den Krieg in der Ukraine auf Webseiten des russischen Staatsfernsehens platziert. Auf dem Streaming-Portal «Smotrim.ru» etwa stand am Sonntagabend neben Fotos von Zerstörung in der Ukraine der Text «Putin vernichtet Russen und Ukrainer! Stoppt den Krieg!», wie Internet-Nutzer berichteten.
Das Staatsfernsehen räumte später eine Hacker-Attacke ein, durch die weniger als eine Stunde lang «Inhalte mit extremistischen Aufrufen» angezeigt worden seien. Russland bezeichnet den Angriffskrieg in der Ukraine als «militärische Spezial-Operation». Von der offiziellen Linie abweichende Darstellungen stehen als Verbreitung angeblicher Falschinformationen über russische Streitkräfte unter Strafe.
In der Industrieregion Donbass versuchen ukrainische Truppen weiter, die strategisch wichtige Stadt Sjewjerodonezk zu halten und russische Truppen aus anderen Ortschaften zurückzudrängen.
Der Angriff auf die Ukraine wird ab Montag ein zentrales Thema bei der vierwöchigen Sitzung des UN-Menschenrechtsrats in Genf sein. Russland trat im Frühjahr aus dem Gremium aus - und kam seinem Rausschmiss damit wohl zuvor. (sda/dpa)