In Russland überschlagen sich derzeit die Ereignisse. Die Söldnergruppe Wagner ist in die Grossstadt Rostow am Don einmarschiert, hält dort nach eigenen Angaben Militärgebäude besetzt. Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin drohte, er werde auf Moskau marschieren, wenn nicht Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow zu ihm kämen.
Prigoschin betonte zwar, es handele sich nicht um einen Putsch. Der Machtkampf zwischen ihm und der Militärführung allerdings spitzt sich schon seit Monaten zu. Mehr zu den aktuellen Entwicklungen lesen Sie hier. Was steckt dahinter? Und könnte Prigoschin mit seinem Coup Erfolg haben?
Die Experten der US-Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) bezeichnen die derzeitigen Vorkommnisse als eine «bewaffnete Rebellion». Prigoschin wolle wahrscheinlich einen Führungswechsel im Verteidigungsministerium erzwingen. Doch sie prognostizieren: Das wird wahrscheinlich schiefgehen.
In ihrem täglichen Report schreiben die Experten, dass sich Prigoschin womöglich «gewaltig verkalkuliert» habe. Es sei möglich, dass er annehme, dass er Rückendeckung vom russischen Präsidenten Wladimir Putin habe. Dessen Beziehungen zu Schoigu waren in der Vergangenheit angespannt. «Diese Eventualität ist jedoch ausserordentlich unwahrscheinlich, wenn man bedenkt, dass Putin sich in letzter Zeit stärker auf die Seite des Verteidigungsministeriums gestellt hat und die bisherigen Reaktionen des Kremls auf Prigoschins Auftreten auf Überraschung und mangelndes Einverständnis mit Prigoschin schliessen lassen», heisst es in dem Bericht.
Angaben darüber, wie viele Wagner-Kräfte in der Region Rostow sein könnten und wo sich derzeit ein Grossteil der Söldner befindet, können die Experten derzeit nicht machen. Es sei aber wahrscheinlich, dass nach ihrem Rückzug aus den Kämpfen bei der ukrainischen Stadt Bachmut ein grösseres Kontingent an Kräften in besetzten ukrainischen Gebieten im Donbas geblieben ist. Zudem hat Wagner ein Ausbildungszentrum nahe der Grossstadt Krasnodar, die rund 280 Kilometer von Rostow am Don entfernt liegt.
Der Aussage Prigoschins, seine Aktion in Rostow am Don habe keine Auswirkungen auf den Krieg in der Ukraine, widersprechen die Experten entschieden. Denn in der Stadt befindet sich das Hauptquartier des Militärbezirks Süd. Deren 58. Armee sei derzeit massgeblich an der Verteidigung gegen die ukrainische Gegenoffensive in der Südukraine beteiligt. Zudem liegt dort eine wichtige Kommandozentrale für die russischen Streitkräfte in der gesamten Ukraine.
Doch warum hat sich Prigoschin für einen solch eskalativen Schritt entschieden? Laut den ISW-Experten sieht sich der Wagner-Chef wahrscheinlich in einem «existentiellen Überlebenskampf». Er hatte zuvor die Kampferfolge Wagners im Kampf um Bachmut genutzt, um mehr Einfluss für sich zu beanspruchen. «Prigoschins weitgehend unabhängige Kontrolle über die Wagner-Kräfte war der Eckpfeiler seiner Kampagne, die ihn zur zentralen Figur der russischen ultranationalistischen Bewegung werden liess», schreiben die Experten.
Im Mai aber hatte sich Wagner aus Bachmut zurückgezogen und eine Kampfpause angekündigt. Das nutzt nun offenbar das Verteidigungsministerium und intensiviert Bestrebungen, die Söldnergruppe dem Ministerium unterzuordnen. So wurden Wagner-Söldner angewiesen, Verträge mit dem Ministerium zu unterzeichnen.
Verwendete Quellen:
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Nach seinen Sturz landet Prigoschin in Straflager, wo er sich ja von früheren Zeit gut auskennt. Dort könnte er in der Küche als Koch arbeiten oder wieder Söldner für die Russische Armee anwerben.
(Zitat aus Jagd auf Roter Oktober)