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Schweizer Firma bezieht Kupfer von giftiger Schmelzerei in Namibia

Schweizer Firma bezieht Kupfer von giftiger Schmelzerei in Namibia – mit tödlichen Folgen

Die Schweizer IXM S.A. lässt bulgarisches Kupfer mit hohem Arsengehalt in einem Schmelzwerk in Namibia verarbeiten und nimmt diesem die ganze Produktion auch wieder ab. Das giftige Arsen wird gemäss Berichten in Zuckersäcken in einer Freiluft-Deponie am Rand einer Kleinstadt gelagert.
26.10.2020, 05:4726.10.2020, 08:33
Roman Schenkel / ch media
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Seit Jahren wird die Schmelzerei im namibischen Tsumed von Nichtregierungsorganisationen wegen fehlender Umweltstandards und schlechter Arbeitsbedingungen kritisiert.
Seit Jahren wird die Schmelzerei im namibischen Tsumed von Nichtregierungsorganisationen wegen fehlender Umweltstandards und schlechter Arbeitsbedingungen kritisiert.bild: john grobler

Auf dem Wappen Tsumebs prangt der Bergarbeitergruss «Glück auf». Tsumeb, 400 Kilometer nördlich der namibischen Hauptstadt Windhoek gelegen, ist eine Bergarbeiterstadt. Seit Jahrzehnten wurden in den Minen in der Nähe verschiedene Mineralien abgebaut. Viele der Minen wurden inzwischen geschlossen. Sie waren erschöpft, die Förderung nicht mehr rentabel.

Die grosse Schmelzerei gleich neben der Stadt mit 35'000 Einwohnern ist nach wie vor in Betrieb. Eine Zugverbindung führt direkt an die Atlantikküste. 800 Angestellte arbeiten gemäss der kanadischen Besitzerfirma Dundee Precious Metals (DPM) in der Schmelzanlage. Sie ist eine der wenigen weltweit, die arsenhaltige Kupferkonzentrate behandeln kann, schreibt DPM auf seiner Website.

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bild: ch media

In Europa ist das Schmelzen verboten

Was die Firma nicht schreibt, ist der Grund, weshalb das so ist. Bei diesem Prozess wird das Konzentrat unter hohen Temperaturen geschmolzen, um das Kupfer von Sulfid, Arsen und anderen Verbindungen zu trennen. Früher konnte das Nebenprodukt Arsen für den Einsatz in der Landwirtschaft oder Holzproduktion weiterverkauft werden. Heute ist die Nachfrage eingebrochen. In vielen Ländern wurde der Einsatz von Arsen verboten. Arsen ist hochgiftig. Wird es über längere Zeit vom menschlichen Körper aufgenommen, kommt es zu Hautschädigungen, Herzerkrankungen und verschiedenen Krebsarten.

Schmelzereien müssen das Gift deshalb teuer deponieren oder entsorgen. In vielen Ländern ist das Schmelzen von arsenhaltigen Kupferkonzentraten deshalb verboten. Etwa in Bulgarien, wo DPM in Chelopech eine Gold- und Kupfermine betreibt oder auch in Peru, wo die Behörden gegen Ende der Nullerjahre eine grosse Schmelzerei geschlossen haben.

Um das geht es bei der KVI und dem Gegenvorschlag
Die Konzernverantwortungsinitiative kommt Ende November an die Urne. Sie verlangt, dass Unternehmen für die Verletzung von Umweltstandards oder Menschenrechten im Ausland haften - auch für Tochtergesellschaften und wirtschaftlich kontrollierte Zulieferer. Geschädigte könnten vor einem Schweizer Gericht gegen Unternehmen klagen.

Zudem sollen Unternehmen dazu verpflichtet werden, für die gesamte Lieferkette Sorgfaltsprüfungen durchzuführen. Hinter der Initiative steht eine Koalition von über 130 Menschenrechts- und Umweltorganisationen sowie Hilfswerken und kirchlichen Kreisen. Lehnen die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger die Initiative ab, tritt der indirekte Gegenvorschlag von Bundesrat und Parlament in Kraft. Er umfasst zwei Elemente.

Zum einen übernimmt er die Berichterstattungspflichten der EU. Publikumsgesellschaften sowie die grossen Finanzinstitute müssen ab einer bestimmen Grösse Rechenschaft ablegen in den Bereichen Umwelt, Sozial- und Arbeitnehmerbelange, Menschenrechte und Korruption. In zwei Bereichen würden Sorgfaltsprüfungen eingeführt: für Konfliktmineralien und Kinderarbeit. Eine Konzernhaftung gibt es nicht. Werden die Berichter- stattungspflichten verletzt, drohen Bussen. (chm)

Worum es bei der Konzern-Initiative geht – in 70 Sekunden erklärt

Video: watson/jara helmi

Diese Entwicklung brachte 2010 DPM und den Agrarkonzern Louis Dreyfus Company (LDC) zusammen. LDC, die ihre Aktivitäten von Genf aus steuert, ist einer der grössten Händler von Getreide, Baumwolle, Zucker und Reis. Die Metallsparte des Unternehmens betreibt aber verschiedene Minen. Der Konzern besass damals eine Kupfermine in Peru und war von oben erwähnter Schliessung direktbetroffen. Der Konzern brauchte eine Mine, in der noch stark arsenhaltiges Kupferkonzentrat geschmolzen werden konnte.

Mit finanzieller Hilfe von LDC übernahm DPM die Schmelzerei in Tsumeb. Gemäss einer Vereinbarung vom 14. Januar 2010 liefert LDC seither Kupferkonzentrat aus Peru nach Namibia. Hinzu kommt das DPM-Kupferkonzentrat aus Bulgarien. Damit konnte der Betrieb der Schmelzerei ausgelastet werden.

Kurz nach dem Kauf der Schmelzanlage wurde bekannt, dass deren Emissionen viel zu hoch sind. DPM musste auf Druck der Behörden 110 Millionen Dollar in Luftfilter investieren und setzte, gemäss eigenen Angaben, «einen ehrgeizigen Plan» um, um den Betrieb hinsichtlich Arbeitsbedingungen und Umweltstandards auf Vordermann zu bringen.

So wurde die Arsenlagerstätte «nach guter internationaler Praxis geplant, gebaut und betrieben». Die Anlage ist von der namibischen Regierung lizenziert und wird regelmässig von Wirtschaftsprüfern inspiziert. DPM ist im Besitz eines staatlichen «Environmental Clearance Certificate», das 2019 erneuert wurde und bis 2022 läuft.

Giftige Abfalldeponie befindet sich nahe von Wohngebieten

Allerdings zeigen Berichte der Nichtregierungsorganisation Bankwatch und ein Report eines investigativen Journalisten, der mehrmals vor Ort war, dass dies offenbar nicht der Wahrheit entspricht. Das Arsen wird demnach schlecht gelagert. Fotos zeigen eine grosse Deponie, in welcher die giftigen Abfälle aus der Schmelzerei in Zuckersäcken verpackt gelagert werden.

Die umstrittene Deponie der Schmelzerei Tsumed. In den Säcken befindet sich arsenverseuchte Abfälle aus dem Produktionsprozess.
Die umstrittene Deponie der Schmelzerei Tsumed. In den Säcken befindet sich arsenverseuchte Abfälle aus dem Produktionsprozess.bild: john grobler

Die Mulde befindet sich wenige hundert Meter von Wohngebieten und einer Schule entfernt. In der Deponie wird das arsenhaltige Material der Witterung überlassen. Zur Hitze im Sommer kommt der deutlich über dem namibischen Durchschnitt liegende Regenfall hinzu. Die Gegend wird deshalb landwirtschaftlich intensiv genutzt, das Gebiet wird «Maisdreieck» genannt. Gemäss Bankwatch werden heute bereits mehr als 126'000 Tonnen Arsen in der Deponie gelagert. Diese stelle eine Bedrohung für die Trinkwasserversorgung, die Landwirtschaft und die Mitarbeitenden dar. Bis die bulgarische Mine von DPM erschöpft ist, könnte die Deponie auf über 370'000 Tonnen Arsen anwachsen, schätzt Bankwatch.

Die Schule in Tsumed befindet sich nur wenige hundert Meter von der Deponie entfernt.
Die Schule in Tsumed befindet sich nur wenige hundert Meter von der Deponie entfernt.bild: john grobler

2014 wurden zwei Studien von der University of Namibia in Windhoek und internationalen Hochschulen durchgeführt. In Boden- und Wasserproben stellten sie eine hohe Belastung von Arsen und anderen Schwermetallen fest. «Die Konzentration von Arsen, Lead und Kadmium in den meisten Früchten und Gemüsen ... übersteigt die Grenzwerte der WHO und der EU», schreiben die Forscher.

Sie halten fest, dass diese hohe Belastung auf die Folgen der jahrzehntelangen Bergbautätigkeiten zurückzuführen sei. Ein direkter Link zur Deponie von DPM wird nicht gemacht. Die namibischen Behörden empfehlen aber, dass sich die Bevölkerung in diesen Gebieten nicht niederlassen sollte.

Die Recherchen des Journalisten vor Ort haben ergeben, dass zahlreiche ehemalige Mitarbeiter, die zwischen 2010 und 2016 in der Schmelzerei gearbeitet haben, an Krebs gestorben sind. Gemäss ärztlichen Aussagen wurde der Krebs durch eine zu hohe Arsenbelastung ausgelöst.

2017 verkaufte Louis Dreyfus die Metallsparte für 466 Millionen Dollar an den chinesischen Natural Resources Investment Fonds. Die Firma wurde umbenannt und heisst heute IXM. Ihren Sitz hat sie nach wie vor in Genf. IXM gilt als drittgrösstes Metallhandelsunternehmen neben Glencore und Trafigura. 2017 erzielte es einen Umsatz von 12.5 Milliarden Dollar und einen Gewinn von 92.3 Millionen Dollar.

Intensive Geschäftsbeziehung zwischen IXM und Schmelzerei

Die Geschäftsbeziehung zwischen IXM und DPM ist noch enger geworden. Gemäss Geschäftsbericht 2019 von DPM besteht ein exklusiver Vertrag zwischen der Schweizer und der kanadischen Firma. Laut diesem hat IXM die exklusiven Rechte, das Kupferkonzentrat in der bulgarischen Mine von DPM zu kaufen und in der Schmelze in Namibia weiterzuverarbeiten. Erst 2019 wurde der Vertrag erneuert; er dauert bis 2023. IXM ist damit Alleinabnehmerin des Kupfers der Tsumeb-Schmelzerei.

Für Oliver Classen, Sprecher der Nichtregierungsorganisation Public Eye, ist IXM ein Beispiel für eine Vielzahl von Firmen, die «komplett unter dem Radar agieren». «Die problematischsten Prozesse, wie hier die Schmelzerei in Namibia, befinden sich oft an Orten, wo internationale Umweltstandards ohne Konsequenzen verletzt werden können.»

Das sei kein Zufall, sondern ein Geschäftsmodell. «Da IXM Alleinabnehmerin des Kupfers aus Tsumeb ist, trägt sie Verantwortung für die Geschehnisse vor Ort», sagt Classen. Es brauche deshalb die Konzernverantwortungs-Initiative, damit Schweizer Firmen geradestehen, wenn sie so skrupellos agieren wie in diesem Fall.

Die Initiative verlangt eine Haftung nicht nur für Tochtergesellschaften, sondern auch für wirtschaftlich abhängige Zulieferer - was in diesem Fall wohl zutreffen würde. Auf Anfrage betont IXM, dass die ökologischen und sozialen Auswirkungen seiner Geschäfte überwacht und die Lieferkette überprüft werden.

«Wenn wir feststellen, dass ein Lieferant unsere Gruppenrichtlinie nicht einhält, gehen wir entweder mit Blick auf einen angemessenen Zeitrahmen vor, oder wir stellen die Beziehung ein.» Im Falle der Schmelzerei in Tsumeb sei man gemäss Informationen der Meinung, dass DPM umfangreiche Massnahmen zum Schutz seiner Mitarbeiter und der lokalen Gemeinden ergriffen hat.

Dies betont auch DPM gegenüber CH Media. Der Umweltschutz habe oberste Priorität. Seit 2010 habe man in Tsumeb mehr als 400 Millionen US-Dollar investiert, um die Gesundheits-, Sicherheits- und Umweltstandards deutlich zu verbessern, schreibt ein Sprecher.

«Die Abfalldeponie von DPM in Tsumeb ist für den Umgang mit arsenhaltigen Materialien ausgelegt, gebaut und zugelassen, und sie arbeitet im Einklang mit den besten Praktiken der Industrie.» Laut Geschäftsbericht erwartet der Rohstoffkonzern für die Schmelze im laufenden Jahr eine «Rekordperformance». (bzbasel.ch)

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128 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Nicosinho
26.10.2020 07:35registriert Februar 2014
genau deshalb gilt klar JA zur Konzern Initiative!
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Bits_and_More
26.10.2020 08:42registriert Oktober 2016
Verwundert mich gar nicht. In Industriestaaten wird ein Prozess verboten, also wird einfach auf weniger gut aufgestellte Länder ausgewichen. Auf dem Papier mögen zwar Umweltstandards niedergeschrieben sein, die Praxis sieht Dank Korruption und Co ganz anders aus. Logisch wäre eigentlich nur die Verarbeitung in modernen Anlagen in Industriestaaten, welche die Prozesse und Arbeitssicherheit hinkriegen.
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du_bist_du
26.10.2020 06:31registriert Mai 2020
Abgesehen davon, dass die Indizien besorgniserregend sind, habe ich einige Fragen.
1. Wo setzt hier Kovi an? Eine Firma und der zuständige Staat liefern Bewilligungen. Sind dann NGOs und Journalisten mehr Wert als Bewilligungen oder wie läuft denn das genau ab?
2. Ist es nicht koloniale Manier, den dortigen Ländern unsere Standards aufzuzwingen?
3. Lest die Besitzverhältnisse bitte genau nach und korrigiert mich gegebenenfalls, aber Verhandlungen mit den Ländern der Besitzer wären wohl zielführender, oder aus den Augen....?
4. Ja ich habe durchaus Sympathien mit der Kovi aber auch Fragen...
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