Als am späten Freitagabend in Istanbul die Panzer auf der Bosporus-Brücke auffahren und einen Putsch in der Türkei ausrufen, ist auch die Schweiz daran beteiligt. Auch beim Putsch in Burkina Faso vergangenes Jahr, und in Niger – kurz: bei allen Putschs überhaupt. Nicht in einem politischen oder gar militärischen Sinn, aber in einem etymologischen.
Der Begriff «Putsch» stammt gemäss Duden aus dem Schweizerdeutschen, abgeleitet von «Bütsch», was soviel wie heftiger Stoss, Zusammenprall, Knall bedeutet.
Aus dem «wahrscheinlich lautmalerischen» Stoss und Zusammenprall (Duden) entwickelte sich im 16. Jahrhundert ein Synonym für einen «plötzlichen, aber nicht nachhaltigen Anstoss, Anlauf zu einem Unternehmen», wie das Schweizerische Idiotikon schreibt. Einen kleinen Seitenhieb auf das Wesen der Zürcher kann sich der Verfasser nicht verkneifen: Nicht nachhaltig nämlich deshalb, weil dies dem «Naturell des Zürchers entspricht».
Von Zürich aus brach der Begriff im 19. Jahrhundert schliesslich zu seinem Siegeszug auf: Zuerst in den deutschsprachigen Raum, später auch in englische Sprachgefilde. Auslöser war der Züriputsch, der 1839 zum Fall der liberalen Regierung und zur Installation einer reaktionären Verfassung führte. Die Berichterstattung über den Umsturz führte zur Verbreitung des Begriffs Putsch, der seither auch im Hochdeutschen für «von einer kleineren Gruppe [von Militärs] durchgeführter Umsturz[versuch] zur Übernahme der Staatsgewalt» steht.
Im Englischen hat sich der Ausdruck im 20. Jahrhundert ebenfalls etabliert. Der gescheiterte Münchner Umsturz von 1923, als eine Gruppe von reaktionären Verschwörern um Hitler, Ludendorff, Göring und Röhm versuchte, die sozialistische Räterepublik aus dem Amt zu kegeln, ist Briten und Amerikanern als «Beer-Hall-Putsch» geläufig – bezeichnend für die Priorisierung der Anglophonen. Im Münchner Bürgerbräukeller verkündete Hitler am 8. November die nationale Revolution.
Der eine oder andere Deutschschweizer wird das Wort auch heute noch in seiner ursprünglichen Bedeutung verwenden – speziell während der Chilbi-Saison. Dann nämlich, wenn man versucht, mit den knallbunten Elektroautos – oder eben «Putschautos» – seine meist minderjährigen Mit-Verkehrsteilnehmer aus der Spur zu drängen und ihnen ein leichtes Schädel-Hirn-Trauma zuzufügen. (wst)