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Wenn Russland im Herbst 2015 massiv in den Syrien-Konflikt eingreift, wird vor allem eines klar: Moskau hat, wenn es um die Beeinflussung der öffentlichen Meinung geht, gelernt. Und zwar von den Besten: von den Amerikanern.
Rückblende: Die USA haben im Zweiten Golfkrieg den modernen Medienkrieg in seiner heutigen Form erfunden. Als im Januar 1991 eine von Washington geführte Koalition den Irak angriff, berichteten CNN und Co. laufend über die Erfolge der «Operation Desert Storm». Bilder zeigten, wie Präzisionsbomben eine gegnerische Stellung nach der nächsten ausradierten, während die Bodentruppen vorrückten – scheinbar ohne Verluste verbuchen zu müssen.
Doch die Medien konnten nur die Bilder zeigen, die ihnen die kriegsführenden Parteien zur Verfügung stellten. Und selbst wenn die Presse mit eigenen Vertretern vor Ort war, handelte es sich um Embedded Journalists – also Reporter, die in den Verbände der Koalition mitfuhren. Sie freundeten sich an, sie wurden mit den Soldaten angegriffen, sie wurden selbst zu Verbündeten – und berichteten nicht unabhängig.
Oder die Journalisten zeigten von einem sicheren Hotel in Baghdad aus, wie entfernt Ziele bebombt wurden, ohne dass sie dieses jemals aus der Nähe verifizieren – oder gar den zivilen Opfern ein Gesicht geben konnten. Der kanadische Journalist Chales Lynch brachte das Problem auf den Punkt: «Wir waren der Propaganda-Arm unserer Regierung. Anfangs erzwungen durch die Zensur, aber am Ende waren wir unsere eigenen Zensoren. Wir waren Cheerleader.»
Sprung ins Jahr 2015: Mit dem Beginn russischer Angriffe auf Ziele in Syrien startet auch Moskaus Medien-Offensive. Bei ihrer Taktik im Umgang mit der Presse hat der Kreml dazugelernt. Statt CNN oder «Fox» ist nun «Russia Today» (RT) der Sender, der «aus erster Hand» berichtet. Exklusiv zeigt das staatlich finanzierte russische Fernsehen Filme der ersten Bombardements, die angeblich Stellungen des IS treffen.
Diese Bilder bekommen aber nicht nur Zuschauer von «Russia Today» zu sehen: Sie werden auch internationalen Agenturen zur Verfügung gestellt, die sie an Medien auf der ganzen Welt verteilen. Das unten stehende Foto aus dem obigen YouTube-Clip wurde am 5. Oktober in die Bild-Datenbanken gespeist. In der Beschreibung wird auch erwähnt, dass dieses Foto aus einem Video vom russischen Verteidigungsministerium kommt.
Auch andere Bilder, die heute vom Kreml veröffentlicht werden, gleichen frappierend jenen, die die USA und ihre Verbündeten 1991 im Golfkrieg veröffentlicht haben.
Die US-geführte Koalition von 1991 hat stets betont, dass so genannte Kollateralschäden nach Kräften vermieden würden. Darauf legt auch Russland im Jahr 2015 besonderen wert. Stellvertretend für den Kreml besorgt das Murad Gazdiev, der «Emebedded Journalist» bei «Russia Today». Er führt den Zuschauer in einem der Filme des Staatssenders um einen der modernen Kampfjets Su-34 herum.
«Jede Mission braucht ihr eigenes Werkzeug», erzählt er und zeigt auf die lasergelenkten Bomben unter dem Rumpf des Flugzeugs. Unter dem Flügel hängt ein anderes Kriegsgerät. «Es ist eine lasergelenkte Rakete aus Russlands Arsenal von Präzisionswaffen», erklärt er. Und weiter: «Russland hat deutlich gemacht, dass es weiterhin zivile Opfer vermeiden wird. Das, verspricht Moskau, wird ein schneller, sauberer und klinischer Schlag gegen den Terror.»
Als wären Bombenangriffe jemals «chirurgisch» gewesen!
Selbst neben dem (Kriegsschau-)Platz spielt Moskau im Spiel um die Meinungshoheit virtuos mit. Auch an das «Menschelnde» wird gedacht. Mal berichtet Murad Gazdiev, die Piloten der Su-34 hätten sogar eine Toilette an Bord, auch wenn ihre Einsätze in Syrien jeweils nur von kurzer Dauer sind. Und mal zeigt er, wie die Unterbringung der russischen Soldaten auf dem Flugplatz aussieht: Denen steht doch tatsächlich ein Sauna-Truck zur Verfügung!
Die Medien stecken in einem Dilemma: Sie haben einerseits oft keine Leute vor Ort, die unabhängig von der Front berichten oder Bildmaterial liefern. Wenn sie jedoch die Bilder nehmen, die ihnen die kriegsführenden Parteien zur Verfügung stellen, laufen sie auch Gefahr, deren Sichtweise zu kolportieren.
Das gilt auch für die Syrien-Kampagne Russlands. Durch die Bilder, die der Kreml verbreitet, kann beim Betrachter der Eindruck entstehen, Moskau kämpfe uneigennützig, aus gutem Grund und habe die Sache im Griff. Die Folge sind Kommentare unter watson-Artikeln wie «Dieser Krieg muss von jemandem mir Gewalt beendet werden» oder «Endlich geht etwas! Putin sei dank. Ich werde noch zu Russland Fan!».
Fazit: Trau, schau, wem
Im Krieg, heisst es so schön, gibt es keine Gewinner. Und das ist sicherlich wahr. An einem Tag meldet die NATO, man stehe mit Russland im «freundlichen und professionellen Austausch» in Sachen Syrien. Einige Tage später wird berichtet, US-Jets hätten russischen Kampfflugzeugen ausweichen müssen. Ja, was denn nun?
Oder nehmen wir den Abschuss russischer Marschflugkörper vom Kaspischen Meer aus: CNN vermeldete unter Berufung auf nicht weiter genannte Quellen, vier der Raketen seien über dem Iran abgestürzt. Moskau dementierte diese Meldungen – auch iranische Vertreter fanden dazu deutliche Worte: «Diese Medienberichte sind eklatante Lügen», sagte General Musa Kamali. «Wenn die Leute, die so etwas behaupten, Beweise dafür hätten, würden sie sie sicherlich präsentieren.»
Glaubt man «Russia Today», bricht unter den IS-Anhängern ob der russischen Bombardements bereits Panik aus. Dazu fällt mir nur eines ein:
Und abschliessend muss man mit Blick sowohl auf die amerikanische wie auch die russische Propaganda vor allem eines bleiben: kritisch, aufgeklärt und wachsam. Denn nach wie vor gilt:
Leider gibt es zu viele Idioten da draussen, die naiv sind und nicht schon sebst darauf gekommen sind.