Zwei Bemerkungen aus Deutschland werfen hohe Wellen – und schon wird spekuliert, ob Grossbritannien und Frankreich Soldaten in der Ukraine stationiert haben, die aktiv an Kampfhandlungen teilnehmen. Dies könnte als Überschreiten einer roten Linie gesehen werden, was man insbesondere in Deutschland nicht riskieren will.
Die Aufregung ist gross, die Faktenlage aber dünn. Ausser Aussagen mit grossem Interpretationsspielraum existieren keine Beweise oder Indizien, Videos oder Ähnliches, welche die Spekulationen stützen.
Die erste Bemerkung: Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz will der Ukraine keine Marschflugkörper des Typs Taurus liefern. Gegenüber der Nachrichtenagentur DPA begründete er seinen Enscheid damit, dass deutsche Soldaten «an keiner Stelle und an keinem Ort mit den Zielen, die dieses System erreicht, verknüpft sein dürfen. Auch nicht in Deutschland». Taurus sei eine sehr weitreichende Waffe, und «was an Zielsteuerung und Begleitung der Zielsteuerung vonseiten der Briten und Franzosen gemacht wird, kann in Deutschland nicht gemacht werden».
Scholz suggeriert damit, dass die Ukraine nicht fähig sei, das Taurus-System, aber auch die von Frankreich und England gelieferten Marschflugkörper Scalp und Storm Shadow, ohne fremde Hilfe zu bedienen. Darauf, wie diese Hilfe konkret aussieht – und wo diese stationiert ist, geht Scholz nicht weiter ein, verweist aber darauf, dass Frankreich und Grossbritannien sie bereits leisten.
Die zweite Bemerkung: Letzten Freitag veröffentlichte die Putin-Propagandistin und Chefin des russischen Staatssenders RT, Margarita Simonjan, den Mitschnitt eines vertraulichen Gesprächs zwischen verschiedenen hochrangigen deutschen Luftwaffenoffizieren. Darin fällt der Satz, dass Grossbritannien zwecks Zielsteuerung und –Erfassung «ein paar Leute vor Ort» habe.
Grossbritannien dementiert sofort: «Der Einsatz des Langstreckenraketensystems Storm Shadow durch die Ukraine und der Prozess der Zielauswahl sind Sache der ukrainischen Streitkräfte», heisst es aus dem Verteidigungsministerium. Bezüglich Personal habe Grossbritannien «eine kleine Anzahl von Personal im Land. Für die Sicherheit des diplomatischen Personals und unter anderem zur medizinischen Ausbildung der ukrainischen Streitkräfte.»
Auch das französische Aussenministerium in Paris reagierte auf Scholz’ unbedarfte Worte: «Was die Äusserungen des deutschen Bundeskanzlers betrifft, möchten wir daran erinnern, dass jeder in dem Rahmen handelt, den er für angemessen hält».
Dass der Einsatz von Taurus nur mit deutscher Hilfe erfolgen könne, dementieren indes diverse Waffenexperten. Stellvertretend dafür Frank Sauer von der Bundeswehr-Universität München gegenüber dem ZDF: «Es müssen nicht zwingend deutsche Soldaten oder Techniker der Bundeswehr vor Ort sein, um den Taurus einzusetzen. Auch die Geodaten müssten nicht zwingend aus Deutschland kommen.»
In Südkorea sind Taurus-Marschflugkörper Teil der Raketenabwehr. Sie sind Teil der Verteidigung gegen nordkoreanische Atomraketen. Dabei auf deutsche Koordinaten und Programmierung zu warten, wäre zu träge. Südkorea bedient Taurus selbst. Laut dem Hersteller ist das nach einer drei bis viermonatigen Schulung möglich.
In England ist man «not amused». Vor allem über die Äusserungen des Bundeskanzlers. Der ehemalige Verteidigungsminister Ben Wallace nannte Scholz «den falschen Mann im falschen Job zur falschen Zeit.» Und auch die Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Parlaments, Alicia Kearns, fand klare Worte: «Scholz soll Taurus liefern, und damit aufhören, die Sicherheit Europas zu behindern.»
Doch nicht nur von der Insel bläst Scholz ein garstiger Wind entgegen, auch in Deutschland hagelte es Kritik: «Unsere Partner Frankreich und Großbritannien betrachten Deutschland jetzt als unsicher, weil Russland Dinge erfährt, die es niemals erfahren dürfte», sagte CDU-Verteidigungsexperte Roderich Kiesewetter der «Rheinischen Post». «Ich bin wirklich fassungslos, angesichts der dramatischen Lage in der Ukraine», sagte die Vorsitzende des Bundestagsverteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP). Strack-Zimmermann schert mit ihrer Meinung innerhalb der Partei aus. Im Parlament scheiterte ein Antrag zur Auslieferung von Taurus mit 480 gegen 182 Stimmen. Der Antrag für «weitreichende Waffenlieferungen» wurde hingegen mit 382 zu 284 Stimmen angenommen.
Sowohl Scholz als auch Putin können nichts dagegen unternehmen da beide, ironischerweise, zu schwach sind und es wohl mittlerweile keinen mehr interessiert was sie zu melden haben.
Scholz wird nach der nächsten Bundestagswahl weg sein und Putin wohl in 2-3 Jahren unter dem Boden oder auf dem Meeresgrund.