Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat bedauert, dass der Fussball-Weltverband FIFA eine Bitte um eine Friedensbotschaft vor dem Finale der WM in Katar abgelehnt hat. Selenskyjs Militärs befürchten unterdessen, dass Russland möglicherweise zu den Neujahrsfeiern eine neue Raketenwelle gegen die ukrainische Infrastruktur starten könnte.
Selenskyj sagte am Sonntagabend in seiner täglichen Videobotschaft, obwohl die FIFA verhindert habe, dass dieser Friedensaufruf vor dem Endspiel in Katar im Stadion gezeigt wurde, «vernahm die Welt unsere Botschaft». Der Weltverband hatte dementiert, eine Anfrage aus der Ukraine erhalten zu haben.
Das Endspiel zwischen Frankreich und Argentinien sei ein emotionales Finale gewesen, sagte Selenskyj. Der Sinn des Fussballs sei schliesslich, dass jeder gewinnen könne. «Aber der Wettbewerb wird auf dem Spielfeld ausgetragen, nicht auf dem Schlachtfeld», sagte Selenskyj. «Und das Schlimmste, was passieren kann, ist eine Rote Karte, kein roter Knopf. Wenn Menschen durch Fussball vereint sind, sind Menschen durch Frieden vereint.»
Er verwies in seiner auf YouTube verbreiteten Friedensbotschaft darauf, dass ein besonderer Gipfel in Vorbereitung sei, ein Friedensgipfel. «Für unser Land und für jede andere Nation, die der gleichen Aggression, dem gleichen Terror ausgesetzt sein kann, den Russland über unser Land gebracht hat.» Dabei könnte die von der Ukraine vorgeschlagene Friedensformel helfen, eine neue, global bedeutsame Sicherheitsarchitektur zu schaffen. Der Friedensplan sieht unter anderem den vollständigen Abzug Russlands aus der Ukraine vor, auch von der Krim, sowie die juristische Verfolgung und Aufarbeitung aller russischen Kriegsverbrechen.
Die ukrainische Militärführung befürchtet neue russische Raketenangriffe zum Jahreswechsel. Wie Armeesprecher Juri Ignat am Sonntag erklärte, werde nicht ausgeschlossen, dass der Gegner zum Jahresende auf diese Art «gratuliere». «Sie haben einen klaren Plan, in dem sie prioritäre Ziele festgeschrieben haben.» Dabei solle der Ukraine möglichst grosser Schaden zugefügt werden.
«Und abhängig davon, wo es uns am meisten schmerzt, dorthin werden sie auch zielen, so gemein, so dreist und so schmerzhaft wie möglich», wurde Ignat weiter von der Staatsagentur Unian zitiert. Zudem werde das Datum der nächsten Angriffe so gelegt, «um es dem Diktator (Wladimir Putin) recht zu machen». Die Angriffe zum Jahreswechsel sollten aber auch dem «inneren Publikum», also der russischen Bevölkerung, gefallen.
Das russische Militär wendet seit einigen Wochen eine neue Taktik an und greift gezielt das energetische Versorgungsnetz der Ukraine mit Raketen und Marschflugkörpern an. Als Folge bricht in der Ukraine die Versorgung mit Strom, Wasser und Fernwärme immer wieder zusammen. Damit soll vor allem die Zivilbevölkerung in diesem Winter unter Druck gesetzt werden. Zuletzt startete Russland am Freitag einen Grossangriff mit über 70 Projektilen, die unter anderem für schwere Schäden in Kiew sorgten.
Die ukrainischen Streitkräfte zerstörten bei Kämpfen im Osten des Landes nach eigenen Angaben mindestens zwei russische Munitionslager und Stellungen von Flugabwehrsystemen. Das teilte der Generalstab in Kiew am Sonntag mit. Die Luftwaffe habe mehrere Einsätze geflogen. Ortsangaben wurden dabei jedoch nicht gemacht.
Bei erbitterten Kämpfen um die Stadt Bachmut im Donbass seien den russischen Truppen schwere Verluste zugefügt worden. Dort sei eine russische Einheit in Stärke von 400 bis 800 Mann in einen sorgfältig vorbereiteten Hinterhalt geraten und «ausser Gefecht gesetzt» worden, teilte in Kiew Präsidentenberater Olexij Arestowitsch mit. Die Angaben liessen sich nicht unabhängig überprüfen.
Im Laufe des Tages geriet die russisch kontrollierte Grossstadt Donezk mehrmals unter Artilleriebeschuss. Dabei sei ein Krankenhaus getroffen worden, berichtete die russische Staatsagentur Tass unter Berufung auf örtliche Behörden. Ein Patient sei getötet worden. Wegen des dabei entstandenen Brandes seien Personal und Patienten evakuiert worden.
Russlands Präsident Wladimir Putin wird an diesem Montag bei seinem ersten Besuch in Belarus seit Jahren Machthaber Alexander Lukaschenko treffen. Die beiden Langzeit-Staatschefs wollen über die strategische Partnerschaft der beiden Länder sprechen, die einen Unionsstaat bilden, sowie über regionale und internationalen Fragen. Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine haben beide Ex-Sowjetrepubliken ihre militärische Zusammenarbeit deutlich ausgebaut. Belarus stellt etwa seine Militärbasen für Angriffe auf die Ukraine zur Verfügung.
Mit Blick auf dieses Treffen hiess es in Kiew, man bereite alle möglichen Verteidigungsszenarien vor. «Egal, was in Minsk geplant wird, es wird ihnen genauso wenig helfen wie alle anderen kranken Ideen in diesem Krieg gegen die Ukraine und die Ukrainer», sagte Präsident Selenskyj. (sda/dpa)