UNO-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi appellierte am Montag in Genf an die Medien, die öffentliche Aufmerksamkeit vermehrt auf die «vergessenen und vernachlässigten Krisen» zu lenken. An erster Stelle der Care-Liste findet sich Nordkorea. Über das ostasiatische Land wird zwar in Zusammenhang mit Atomwaffentests und politischen Spannungen berichtet. Dass zwei von fünf Bürgern mangelernährt sind, ist weitgehend unbekannt. Im Juli 2017 wurde das Land von der schlimmsten Dürre seit 2001 heimgesucht.
Sieben der neun übrigen betroffenen Staaten beziehungsweise Regionen liegen in Afrika: Eritrea, Burundi, Sudan, Demokratische Republik Kongo, Mali, das Tschadbecken und die Zentralafrikanische Republik. Vietnam und Peru komplettieren die Liste.
Laut Schätzungen der UNO waren im vergangenen Jahr 18 Millionen Menschen – das sind 70 Prozent der Bevölkerung – auf Nahrungsmittelhilfe durch die Regierung angewiesen.
In dem isolierten ostafrikanischen Staat leiden mehr als 700'000 Menschen unter Nahrungsmittelmangel und Wasserknappheit. Ursache ist eine andauernde Dürre. Hilfsorganisationen und Journalisten haben kaum Zugang zu dem Land.
Nach mehreren Jahren politischer Unruhen und Kritik wegen Verletzungen der Menschenrechte gibt es in dem ostafrikanischen Land 200'000 Binnenflüchtlinge. 400'000 Menschen sind über die Grenzen geflohen. 2,6 Millionen Menschen sind von Nahrungsmittelknappheit betroffen. Eine Malaria-Epidemie hat in den ersten acht Monaten des Jahres 2017 fast 2900 Todesopfer gefordert, mehr als 6,6 Millionen Menschen sind erkrankt.
Nach 13 Jahren Krieg, Trockenheit, Flutkatastrophen und Hunger leben in dem nordostafrikanischen Staat fünf Millionen Menschen am Existenzminimum. Ende 2017 waren mehr als zwei Millionen Kinder von Hunger betroffen. Der Sudan beherbergt fast eine halbe Million Flüchtlinge aus dem Südsudan. Dazu kommen 2,3 Millionen sudanesische Binnenflüchtlinge.
In dem afrikanischen Riesenstaat, seit Jahrzehnten Schauplatz von Gewalt, wurden 2017 mehr als 1,7 Millionen Menschen aus ihren Häusern vertrieben. Statistisch gesehen waren das über 5500 Menschen pro Tag. An die zwei Millionen Kinder sind unterernährt. Die Zahl der Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind, hat sich im vergangenen Jahr auf acht Millionen verdoppelt und wird vermutlich weiter steigen. Care spricht von einem «stillen humanitären Tsunami».
Seit der Eskalation bewaffneter Konflikte im Norden des westafrikanischen Landes sind zwar fünf Jahre vergangen. Tausende Menschen haben aber 2017 vor neuerlichen Zusammenstössen flüchten müssen. Die UNO befürchtet, dass heuer bis zu vier Millionen Menschen – fast ein Viertel der Bevölkerung – von Nahrungsmittelmangel betroffen sein werden.
Der Taifun «Doksuri» hat in dem ostasiatischen Staat schwerste Schäden an der Infrastruktur und in der Landwirtschaft angerichtet. 14 Menschen starben.
Acht Jahre andauernde Aktivitäten der islamistischen Terrormiliz Boko Haram bedrohen Leben und Sicherheit von elf Millionen Menschen in Kamerun, im Tschad, im Niger und in Nigeria. Die Zahl der Vertriebenen hat sich binnen zweier Jahre auf 2,4 Millionen verdreifacht. Der Nahrungsmittelmangel hat ein kritisches Ausmass erreicht. Sieben Millionen Menschen sind akut mangelernährt.
Das Binnenland im Herzen Afrikas erlebte eines der schlimmsten Jahre in seiner Geschichte. Von der Weltöffentlichkeit weitgehend ignoriert, eskalierte der bewaffnete Konflikt. 70 Prozent des Landes sind mittlerweile von Rebellengruppen kontrolliert. 2,5 Millionen Menschen und damit mehr als die Hälfte der Bevölkerung benötigen dringend Nahrungsmittelhilfe. Circa 40 Prozent der Kinder unter 5 Jahren leiden an Mangelernährung. Mit Stand September waren 1,1 Millionen Menschen geflüchtet – so viele wie nie zuvor.
Im März 2017 wurde Peru von einer der schlimmsten Hochwasserkatastrophen der letzten Jahrzehnte getroffen. Sintflutartige Regenfälle, ausgelöst durch das Naturphänomen El Nino Costero, kosteten über 150 Menschen das Leben. Erdrutsche und Flutwellen führten zur Zerstörung von 210'000 Häuser. Hunderte Brücken gaben nach, 3000 Kilometer Strassen waren unpassierbar.
Für das Ranking wurden nach Angaben von Care global mehr als 1,2 Millionen Meldungen ausgewertet. Die Hilfsorganisation will in erster Linie auf die vergessenen Katastrophen hinweisen, zugleich aber auf den direkten Zusammenhang zwischen Berichterstattung und finanzieller Unterstützung für Nothilfe aufmerksam machen.
Dass aus manchen Staaten beziehungsweise Regionen praktisch nicht berichtet wird, hat nachvollziehbare Ursachen: Der Zugang ist zu gefährlich, aus politischen Gründen nicht erwünscht oder nicht finanzierbar.
Zur Unterstützung von Menschen in Not und Schutz wegen Kriegen, Konflikten und Naturkatastrophen benötigen die Vereinten Nationen im laufenden Jahr die Rekordsumme von 22.5 Milliarden Dollar. Dies hatte die UNO im Dezember bekannt gegeben.
Für 2017 hatte das UNO-Nothilfebüro (Ocha) eine zwiespältige Bilanz gezogen. Einerseits habe die internationale Gemeinschaft mit 13 Milliarden Dollar bis Ende November so viel gegeben wie nie zuvor. Andererseits werde die Kluft zwischen Unterstützung und Bedarf angesichts der hohen Zahl von Krisen jeglicher Art immer grösser. (wst/sda/apa)
Toll wäre, wenn watson 2018 das Medium wäre, welches sich diesen Themen mehr annehmen würde.