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Das Comeback der US-Neocons und ihr ewiger Traum vom Regimewechsel im Iran 

Ex-UNO-Botschafter John Bolton will Iran bombardieren.
Ex-UNO-Botschafter John Bolton will Iran bombardieren.Bild: STEVE MARCUS/REUTERS

Das Comeback der US-Neocons und ihr ewiger Traum vom Regimewechsel im Iran 

Die Atom-Vereinbarung von Lausanne mit Iran stösst bei führenden US-Republikanern auf erbitterten Widerstand. Dabei würde ein Scheitern des Deals nur den Hardlinern in Teheran helfen.
08.04.2015, 14:3608.04.2015, 14:51
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Wenn John Bolton loslegt, sollte man in Deckung gehen. Der Ex-Diplomat mit dem markanten Walross-Schnauz ist ein Freund der Brachialrhetorik. In einem Beitrag für die New York Times gab der frühere US-Botschafter bei der UNO deutlich zu verstehen, was er von einem Atom-Abkommen mit den Iranern hält: Um eine iranische Bombe zu verhindern, müsse man Iran bombardieren. Dies sollte einhergehen «mit einer tatkräftigen amerikanischen Unterstützung der iranischen Opposition, um in Teheran einen Regimewechsel herbeizuführen».

US-Aussenminister John Kerry und sein iranischer Amtskollege Mohammed Dschawad Sarif, die Architekten des Lausanner Deals.
US-Aussenminister John Kerry und sein iranischer Amtskollege Mohammed Dschawad Sarif, die Architekten des Lausanner Deals.Bild: POOL/REUTERS

John Bolton ist ein Mann fürs Grobe, isoliert aber ist er mit seiner Hardliner-Mentalität keineswegs. Eine jüngere Generation neokonservativer Politiker hegt ähnliche Phantasien. Etwa Tom Cotton, 37-jähriger US-Senator aus dem Südstaat Arkansas. Er verfasste einen offenen Brief an Ayatollah Ali Chamenei, den obersten Führer der Islamischen Republik, in dem er und 46 andere republikanische Senatoren in überheblichem Tonfall darauf verwiesen, dass ein von Barack Obama unterzeichnetes Atom-Abkommen von einem künftigen Präsidenten für null und nichtig erklärt werden könnte.

Vergleich mit München 1938

Das wahre Motiv hinter dem Schreiben verheimlichte Cotton nie. Es gehe ihm darum, die Verhandlungen zu stoppen, sagte der Senator bereits im Januar an einer Tagung der erzkonservativen Heritage Foundation. Stattdessen sollten die USA auf einen Regimewechsel hinarbeiten. Genützt hat es nichts: Am letzten Donnerstag einigte sich der Iran mit den fünf UNO-Vetomächten (USA, China, Russland, Frankreich, Grossbritannien) und Deutschland in Lausanne auf ein Rahmenabkommen, das den Atomstreit beilegen soll

Tom Cotton verkörpert die neue Generation der Neocons.
Tom Cotton verkörpert die neue Generation der Neocons.Bild: Danny Johnston/AP/KEYSTONE

Seither gehen in den USA die Wogen hoch. Republikanische Politiker lassen kein gutes Haar an der Vereinbarung, sie vergleichen sie mit dem Münchner Abkommen von 1938, mit Iran in der Rolle von Nazi-Deutschland. Im Aufwind fühlen sich vor allem die Neocons, die Verfechter einer unilateralen, interventionistischen und militaristischen US-Aussenpolitik. Unter Präsident George W. Bush gaben sie im Weissen Haus den Ton an, doch mit dem Irak-Krieg und dessen desaströsen Folgen schienen sie diskreditiert zu sein.

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Republikaner auf Kriegskurs

Nun sind sie wieder da, und sie sind weder weiser noch leiser. Mehrere potenzielle Präsidentschaftskandidaten der Republikaner haben prominente Neocons in ihr Team aufgenommen. Paul Wolfowitz, ehemaliger Vize-Verteidigungsminister und Architekt des Irak-Kriegs, gehört zum inneren Kreis von Ex-Gouverneur Jeb Bush. John Bolton berät den ultrakonservativen Senator Ted Cruz. Und selbst der libertäre Senator Rand Paul aus Kentucky, der bislang eine zurückhaltende Aussenpolitik propagierte, ist im Hinblick auf seine Präsidentschafts-Ambitionen auf die Neocon-Linie eingeschwenkt.

Dies verheisst wenig Gutes für den Wahlkampf 2016. Im Bestreben, sich gegenseitig zu überbieten, dürften die republikanischen Kandidaten «immer kriegerischere Positionen einnehmen», mutmasst der Autor Jacob Heilbrunn, der ein Buch über die Neocons verfasst hat, in der Los Angeles Times. Der Iran dürfte dabei eine zentrale Rolle spielen. Nie haben Amerikas Rechte die islamische Revolution von 1979 und die 444-tägige Geiselnahme in der US-Botschaft in Teheran vergessen. Ihr Traum ist der Sturz des Mullah-Regimes.

Ayatollah Ali Chamenei, oberster Führer Irans und Feindbild der US-Neocons.
Ayatollah Ali Chamenei, oberster Führer Irans und Feindbild der US-Neocons.Bild: AP/Office of the Iranian Supreme Leader

Dabei müsste gerade der Irak als abschreckendes Beispiel dienen. Diktator Saddam Hussein strebe nach der Atombombe, warnten Vizepräsident Dick Cheney und seine Adlaten im Vorfeld des Krieges. Dies erwies sich als Hirngespinst, dennoch wird nunmehr das gleiche Argument gegen den Iran vorgebracht. Und der Sturz von Saddam führte nicht wie erhofft zu einem prowestlichen und proisraelischen Irak. Heute ist in Bagdad vielmehr eine proiranische Regierung am Drücker. Im Kampf gegen die Terrormiliz IS wird sie von iranischen Militärs offen unterstützt.

Iran will die Bombe erst recht

Der Publizist und Fernsehmoderator Fareed Zakaria, der eher konservative Positionen vertritt, erteilte den Neocon-Träumen in der Washington Post eine klare Absage. John Boltons Forderung einer Bombardierung Irans, verbunden mit einem drohenden Regimewechsel, hätte genau den gegenteiligen Effekt zur Folge: «Ein nach innen gestärktes Regime mit dem klaren Ziel, eine nukleare Abschreckung zu erlangen.» Im Klartext: Die Iraner würden erst recht am Bau einer Atombombe arbeiten.

Es ist ein mehr als realistisches Szenario, denn auch in Teheran sind die konservativen Hardliner alles andere als begeistert über das Abkommen von Lausanne. In ihren Augen haben die iranischen Unterhändler zu viele Konzessionen gemacht, ohne im Gegenzug eine vollständige Aufhebung der Sanktionen herauszuholen. 

Die US-Neocons dürfte dies wenig beeindrucken: Die Realität hat sie bekanntlich nie sonderlich interessiert.

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