24 Stunden nachdem Cory Booker seine Rede vor dem US-Senat begonnen hatte, kam der Senator aus dem Bundesstaat New Jersey erneut auf einen der berühmtesten Bürgerrechtler der amerikanischen Geschichte zu sprechen. «Es war John Lewis, der mich inspiriert hat», sagte der 55-Jährige. «John Lewis hat mein Leben verändert, sein Mut hat dafür gesorgt, dass ich heute hier stehen und vor Ihnen reden kann.» Und das tat Booker in unglaublicher Weise.
Um 19 Uhr am Montagabend (Ortszeit) hatte er begonnen zu reden, 24 Stunden später stand er immer noch hinter dem Rednerpult im Kongress. Booker sprach am Ende 25 Stunden und 5 Minuten – ein neuer Rekord im Senat. Der 55-Jährige war dabei nicht etwa müde und erschöpft, sondern voller Elan, unterhaltsam, Witze reissend.
Dabei war das, worüber er sprach, gar nicht lustig. Denn der demokratische Senator nutzte seine Marathon-Rede, um gegen die Regierung von Donald Trump zu protestieren, um die anwesenden Senatoren wachzurütteln und ein Signal an die Menschen im Land zu senden: Seht her, wir Demokraten lassen nicht einfach zu, was da gerade in Washington, D. C. passiert. Wir stehen auf und wehren uns, lautete sein Credo.
Dabei kam Booker auch wiederholt auf den schwarzen Bürgerrechtler Lewis zu sprechen, den er als leuchtendes Vorbild des friedlichen politischen Widerstands und als einen wahren amerikanischen Helden beschrieb. Er stehe hier und protestiere im Geiste von Martin Luther King und John Lewis, so Booker. «John Lewis, ich werde dich stolz machen», habe er in einem seiner letzten Gespräche mit dem 2020 verstorbenen Bürgerrechtler gesagt.
Im Kongress bediente sich Booker dafür eines Instruments, das eine Besonderheit des amerikanischen parlamentarischen Systems darstellt: der Filibuster. Es erlaubt den demokratisch gewählten Abgeordneten im Prinzip unbegrenzte Redezeit.
Normalerweise wird der Filibuster angewandt, um Abstimmungen über strittige Gesetzesvorhaben zu verzögern. Doch an diesem Tag stand im Senat keine solche Abstimmung an, auch weil Donald Trump bislang fast nur mit Präsidialerlassen, den sogenannten Executive Orders, regiert. Diese bedürfen nicht der Zustimmung des Parlaments.
Politikwissenschaftler sehen diese Entwicklung mit grosser Besorgnis, bedeutet dies doch, dass das Parlament als fundamentale Säule der Gewaltenteilung teilweise entmachtet und die Macht des Präsidenten aufgewertet wird. Forscher sehen darin einen Schritt hin von der Demokratie zur Autokratie. So erklärte der an der Elite-Universität Stanford lehrende Rechtsprofessor Mark Lemley, dass Trump und seine Mitstreiter die Demokratie abschaffen wollen. «Die Regierung ist faschistisch. Das Land noch nicht.» Sollten die Gerichte nicht standhaft bleiben, sehe er einen Staatsstreich kommen.
Auch Booker ging auf die seiner Meinung nach fatalen Entwicklungen in den USA ein, die sich unter Trump in rasendem Tempo vollzogen hätten. Er habe viele Zuschriften von Wählern und besorgten Bürgern erhalten, die fragten, warum Politiker wie er nicht mehr gegen die autokratischen Tendenzen tun würden, die sich jeden Tag im Weissen Haus abzeichneten. Das habe ihn aufgerüttelt, er habe «die Dringlichkeit, die Krise des Augenblicks erkannt». Daher wolle er kämpfen, so der Senator.
Er tat es mit einer aussergewöhnlichen Leistung. Als er um 20 Uhr Ortszeit am Dienstagabend immer noch vor dem Parlament stand und redete, hatte er einen Uralt-Rekord in Sachen Rede gebrochen: deutlich mehr als 24 Stunden hatte vor ihm noch kein Abgeordneter geschafft. Die längste Rede hatte der demokratische Abgeordnete Strom Thurmond aus South Carolina im Jahr 1957 gehalten, seine Redezeit betrug damals 24 Stunden und 18 Minuten.
Welche physische und auch geistige Anstrengung eine solch lange Rede sein muss, lässt sich allein daran bemessen, dass der Redner strengen Regeln unterworfen ist. Sie schreiben vor, dass der Redner ununterbrochen und in einem flüssigen Ton spricht, dass er die ganze Zeit hinter dem Rednerpult stehen muss und vor allem keine Pausen machen darf.
Booker stand also mehr als 24 Stunden am Stück. Er hatte einen Stuhl, der üblicherweise neben dem Rednerpult im Senat steht, entfernen lassen, um nicht in Versuchung zu kommen, sich hinzusetzen. Manche Filibuster-Redner überbrückten die lange Redezeit mit Tricks, in dem sie etwa aus Telefonbüchern oder Kinderromanen vorlasen.
Nicht so Booker. Er thematisierte in seiner Marathon-Rede alle Bereiche der amerikanischen Politik unter der Regierung Trump. Sei es Migration, Gesundheitsversorgung, Aussenpolitik oder auch Trumps umstrittene Personalentscheidungen. Booker sezierte in langen, detailreichen Ausführungen, was seiner Ansicht nach gerade falsch läuft in den USA. Allerdings bediente auch er sich eines der wenigen Mittel, die während des Filibusters dem Redner eine Verschnaufpause gönnt. Er liess Zwischenfragen und Bemerkungen der anwesenden Senatoren zu.
Booker sprach nicht nur weitgehend frei, ohne Manuskript, sondern er streute auch immer wieder persönliche Anekdoten ein oder sorgte für Lacher mit selbstironischen Bemerkungen. Mit leuchtenden Augen, wild gestikulierend und hinter dem Rednerpult hin- und herwandernd, hielt der Demokrat ein flammendes Plädoyer nach dem anderen für die Verteidigung der amerikanischen Werte. «Dies ist unser moralischer Moment», rief er den Senatoren zu. «Jetzt entscheidet sich, ob wir die Verfassung nur auf dem Papier verteidigen oder mit unseren Herzen.»
BREAKING: As Cory Booker goes on to his 23rd hour straight, his livestream on TikTok has been “liked” over 175 million times. Yes 175 MILLION! pic.twitter.com/25NntEOX4X
— Brian Krassenstein (@krassenstein) April 1, 2025
Und weiter: «Wofür wir uns einst verantworten müssen, sind nicht die schändlichen Taten von bösen Männern. Wir werden uns verantworten müssen für das Nichtstun, das all die guten Menschen an den Tag gelegt haben.»
In den Kommentarspalten der sozialen Medien wurde der 55-Jährige gefeiert. «Ich kann nicht glauben, dass er immer noch steht», schrieb eine Nutzerin. «Du machst uns so stolz», schrieb ein anderer. «Booker hat in den vergangenen 24 Stunden mehr für uns getan, als Trump in seinem ganzen Leben», lautete ein weiterer Kommentar.
Auch die anwesenden Abgeordneten spürten, dass sie einer historischen Rede beiwohnten. Als Booker die 25-Stunden-Marke geknackt hatte, kam er schliesslich zum Ende. Nicht ohne seine Zuhörer mit einem weiteren flammenden Appell in die Nacht zu entlassen. «Wir müssen für Aufruhr sorgen, und zwar für einen guten, einen positiven Aufruhr», sagte er.
Dann wandte er sich direkt an das amerikanische Volk: «Ich will, dass ihr mutig seid. Erneuert den Traum, erneuert den Traum von unserer wunderschönen Nation. Lasst euch nicht spalten, lasst euch nicht gegeneinander ausspielen, sondern lasst uns wieder einer Vision folgen, die inspirierend ist. Darum bitte ich euch von ganzem Herzen».
In Richtung Parlamentspräsidentin sagte Booker: «Verehrte Präsidentin, hiermit beende ich meine Rede». Es folgte tosender Applaus, die Senatoren erhoben sich von ihren Sitzen und feierten den Demokraten. Allen war bewusst: Dies war einer der beeindruckendsten Auftritte, die das US-Parlament je erlebt hatte.
Verwendete Quellen:
Was ich jedoch nicht verstehe, ist, dass die US-Verfassung, auf die alle Kongress-Leute, Militärs usw. ihren Eid geschworen haben, endlich mal ernst genommen wird.
Demnach dürfte Trump nämlich gar kein öffentliches Amt mehr bekleiden - schon gar nicht das des Präsidenten!
Er hätte gar nicht ernannt werden dürfen!
Aber wen kümmert schon eine Verfassung?
Und es gab auch wirklich republikanische Senatoren, welche ihm 25h ihr aufmerksames Ohr geliehen haben?
Weil wenn die beiden Parteien aneinander vorbeireden ohne sich zuzuhören, könnte man genauso gut eine Art - parteigetrennte - Klagemauer in Washington errichten.
Interessanter wäre es zu wissen, was hinter der politischen Bühne so alles unter den Parlamentariern diskutiert wird, denn dort muss der Widerstand vorbereitet werden.