Vor ein paar Tagen hat Pete Hegseth, der amerikanische Verteidigungsminister, stolz die Pläne für einen neuen Kampfjet enthüllt. Zu Ehren von Donald Trump soll er F-47 genannt werden. Auch dieser Jet soll an die Alliierten in Europa und Asien verkauft werden, allerdings mit einer kleinen Änderung: Der nicht-amerikanischen Version werden ein paar entscheidende Details fehlen. Aus der Sicht des amerikanischen Präsidenten macht dies Sinn, denn «eines Tages könnten sie ja nicht mehr unsere Verbündeten sein».
Dieser Tag rückt näher. Die Beleidigungen aus dem Weissen Haus an die Adresse Europas häufen sich. Im Vorfeld der Münchner Sicherheitskonferenz schockierte Verteidigungsminister Hegseth mit seinen Aussagen zum Krieg in der Ukraine. An der Konferenz selbst beleidigte Vize J.D. Vance die Europäer aufs Übelste.
Dass dies kein einmaliger Ausrutscher war, ist mit der Veröffentlichung des Signal-Chats überdeutlich geworden. Vance erklärte in diesem Chat, der eigentlich streng geheim hätte bleiben sollen und in dem es um einen amerikanischen Angriff auf die Huthis in Yemen ging, wörtlich: «Ich hasse es, erneut für die Europäer die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Ich teile voll und ganz deine [des Verteidigungsministers] Abscheu darüber, dass die Europäer uns ausnützen. Es ist ERBÄRMLICH.»
Diese Aussage wird in Brüssel, Berlin, Paris, London und Warschau sehr ernst genommen, denn wie der britische Historiker Andrew Roberts im «Wall Street Journal» erklärt: «Es gibt einen grossen Unterschied zwischen einer Rede, in der man wie Vance in München den Drohfinger erhebt, oder einem Text, von dem man annimmt, man sei einzig unter Kollegen, wo man kein Blatt vor den Mund nimmt und wo man sagt, was man denkt. Offenbar hassen diese Personen den europäischen Kontinent wirklich.»
Selbst Insider sind ob der Vehemenz der Anti-Europa-Gefühle im Weissen Haus überrascht. «Es war erhellend zu realisieren, dass Vance noch stärker gegen Europa eingestellt ist, als wir bisher geglaubt haben», erklärt der erfahrene Polit-Analyst Charlie Cook in der «Financial Times». «Vance hat überhaupt kein Gefühl dafür, dass die USA irgendwelche Verantwortungen übernehmen müssen – ausser es geht um Eigeninteresse.»
So gesehen ist es nicht verwunderlich, dass Vance in die Rolle des «hässlichen Amerikaners» gegenüber Europa gerückt ist. Er unternimmt auch gar nichts, um dieses Image zu korrigieren. Im Gegenteil, gerade eben hat er Dänemark, einen NATO-Verbündeten, vor den Kopf gestossen. «Leider haben die Dänen die Menschen in Grönland während Jahrzehnten schlecht behandelt», erklärte er im Vorfeld seines Besuches auf der Insel. «Sie haben sie als Bürger zweiter Klasse behandelt und haben es zugelassen, dass die Infrastruktur verrottet ist.»
Die Anti-Europa-Ausfälle des Vizes sind bestens abgestimmt mit dem Chef. Trump hat erneut betont, dass die USA gewillt seien, die europäischen Verbündeten fallen zu lassen. «Wenn sie nicht bezahlen, dann verteidigen wir sie nicht», erklärte er anfangs März. «Überlegt mal: Wir bezahlen 100 Prozent ihres Militärs, und sie ziehen uns mit ihren Exporten über den Tisch.»
Die Vorstellung, von den Europäern über den Tisch gezogen zu werden, hat sich scheinbar unerschütterlich in Trumps Gehirn festgesetzt. Auch die EU sei «nur gegründet worden, um die Amerikaner zu hintergehen», hat der US-Präsident schon mehrmals erklärt. Wie Wladimir Putin wäre es ihm daher am liebsten, das europäische Bündnis würde zerfallen.
Trump schimpft nicht nur über die EU, er behandelt auch ihre Vertreter schäbig, selbst die konservativen. So servierte er den polnischen Präsidenten Andrzej Duda nach nur zehn Minuten wieder ab, obwohl dieser einzig wegen eines Besuches im Weissen Haus den Atlantik überquert hatte. Noch weniger Glück hatte Kaja Kallas, die EU-Aussenministerin. Sie wurde von ihrem amerikanischen Amtskollegen Marco Rubio gar nicht empfangen.
Der Hass auf Europa hat bei den amerikanischen Konservativen nicht nur eine wirtschaftliche oder militärische Dimension, sondern auch eine kulturelle. Der alte Kontinent ist für sie eine Bastion von «Wokeness» und DEI und vor allem Westeuropa der Hort einer globalen Elite.
Zudem sollen die europäischen Frauen zu wenig Kinder bekommen, muslimische Immigranten den Kontinent überrennen und die christlichen Werte den Bach runtergehen. «Europa ist im Begriff, einen zivilisatorischen Selbstmord zu begehen», schnödete Vance deshalb gegenüber Fox News.
Die einzigen Europäer, die in Washington derzeit noch geachtet werden, sind autoritäre Diktatoren wie Viktor Orbán und Wladimir Putin oder die Anführer von rechtspopulistischen Parteien wie Alice Weidel.
Im Verhältnis zwischen dem alten und dem neuen Kontinent rumpelte es öfters. Anti-Amerikanismus war zu Zeiten des Vietnam-Krieges und des Irak-Feldzuges in Europa weit verbreitet. «Amis go home» war zeitweise auf jeder zweiten Hauswand zu lesen. Die Europäer waren – und sind teilweise heute noch – überzeugt, intellektuell den Amerikanern weit überlegen zu sein. So pflegte der verstorbene französische Präsident Jacques Chirac zu witzeln: «Ich sehe mir an, was die Amerikaner tun – und mache dann das Gegenteil. So bin ich mir sicher, richtigzuliegen.»
Umgekehrt teilten auch die Amerikaner gegen die Europäer aus. Als sich die Franzosen und die Deutschen weigerten, den zweiten Feldzug gegen den Irak zu unterstützen, bezeichneten konservative Amerikaner die Franzosen als «käsefressende Affen» und wollten gar durchsetzen, dass die Pommes Frites, die im Englischen «French Fries» heissen, zu «Freedom Fries» unbenannt werden.
So weit, so schlecht. Mit Trump drohen die Dinge jedoch ausser Kontrolle zu geraten. Am Mittwoch will der US-Präsident sein gesamtes Zollpaket verkünden. Damit wird er Europa weiteren wirtschaftlichen Schaden zufügen und den Antagonismus zwischen den beiden Kontinenten nochmals verstärken. Dabei gibt es in diesem Konflikt auf beiden Seiten nur Verlierer.
Beleidigungen und Strafzölle werden diesen Konflikt nicht entschärfen. In der «Financial Times» empfiehlt Henry Mace daher ein einfaches Rezept: «Vielleicht gibt es einen simplen Grund, weshalb Trump so feindlich gegenüber Europa eingestellt ist. Trump reagiert auf Schmeicheleien, und davon erhält er von Europa praktisch keine.»
Extremisten aller Couleur wollen das nicht, weil es ihr Weltbild eines einheitlichen und gefügigen Menschen stört, der starken Führern untergeben ist. Extremismus führt früher oder später immer zu Konfrontation.
Bei den MAGAs kommt noch der völlig absurde amerikanische Hurrapatriotismus hinzu. Dass Europa da stört, ist ja klar.
Was für eine Überraschung! Wer hätte das gedacht?
Ernsthaft: Was braucht es eigentlich noch, damit der Realität endlich ins Auge geschaut wird?
Es wäre für alle besser, den Kopf endlich aus dem Sand zu nehmen und diese in ihrer umfassenden Hässlichkeit zu akzeptieren.
Nur so besteht eine gewisse Möglichkeit, auf vollkommen enthemmte Soziopathen adäquat zu reagieren.