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Wirtschaft

Wie Wladimir Putin und Mohammed bin Salman die Welt in Geiselhaft nehmen

Saudi Arabia Crown Prince Mohammed bin Salman talks with Russia President Vladimir Putin during a G20 session with other heads of state, Friday, Nov. 30, 2018 in Buenos Aires, Argentina. (AP Photo/Pab ...
Zwei, die sich verstehen: Mohammed bin Salman und Wladimir Putin. Bild: AP/AP
Analyse

Das neue Erpresser-Duo der Welt: Wladimir Putin und MBS

Der russische Präsident und der Kronprinz von Saudi-Arabien haben einen Ölkrieg gegen den Westen entfacht.
11.10.2022, 05:0411.10.2022, 12:32
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In der amerikanischen Politik ist der Ölpreis das Mass aller Dinge. Als im Frühsommer der Benzinpreis in die Höhe kletterte, schluckte Präsident Joe Biden deshalb eine fette Kröte. Er pilgerte nach Riad, tat Abbitte und liess sich sogar mit Mohammed bin Salman (MBS), dem Kronprinzen und starken Mann von Saudi-Arabien, bei einem sogenannten Fistbump fotografieren. So wollte er den starken Mann in Saudi-Arabien dazu bewegen, mehr Öl zu pumpen.

Biden musste dabei weit über seinen Schatten springen. Wegen des scheusslichen Mords am Journalisten und Regimekritiker Jamal Khashoggi hatte Biden MBS im Wahlkampf nicht nur scharf kritisiert – der Kronprinz hatte den Mord höchstwahrscheinlich angeordnet –, sondern auch zu einem Paria erklärt.

CORRECTS SOURCE TO SAUDI ROYAL PALACE, NOT SAUDI PRESS AGENCY (SPA), ADDS BYLINE - In this image released by the Saudi Royal Palace, Saudi Crown Prince Mohammed bin Salman, right, greets President Joe ...
Kein Handschlag, dafür ein Fistbump zwischen Präsident Joe Biden und MBS.Bild: keystone

Bidens Fistbump schien die gewünschte Wirkung zu haben. Im Laufe des Spätsommers begann der Öl- und damit auch der Benzinpreis zu sinken. Gleichzeitig verbesserten sich die lange Zeit hoffnungslosen Wahlchancen der Demokraten bei den Zwischenwahlen markant. Weil sich die Republikaner in Sachen Abtreibung in den eigenen Fuss schossen, schien gar ein Sieg in beiden Kammern in den Bereich des Möglichen geraten zu sein.

Nun jedoch sind neue Wolken am Wahlhimmel der Demokraten aufgezogen. Die OPEC+, die Vereinigung der Erdöl produzierenden Staaten plus Russland, haben letzte Woche beschlossen, die Förderung des schwarzen Goldes um zwei Millionen Fass pro Tag zu reduzieren. Der Erdölpreis ist unelastisch, will heissen, eine kleine Mengenveränderung hat sofort grosse Wirkung auf den Preis. Deshalb ist es wahrscheinlich, dass der Benzinpreis in den kommenden Tagen erneut in die Höhe schiessen und so die Chancen der Demokraten für die am 8. November stattfindenden Zwischenwahlen massiv beeinträchtigen wird.

Auf den ersten Blick sieht es danach aus, dass die Araber und die übrigen OPEC-Mitglieder schlicht das Beste aus den Chancen machen, welche ihnen die Energiekrise bietet. Suhail Al Mazrouci, der Energieminister der Vereinigten Arabischen Staaten, erklärt denn auch scheinheilig: «Wenn wir nicht so handeln, dann haben wir zu wenig Geld für die anfallenden Investitionen der Zukunft.»

Das ist absurd. Die Golfstaaten sind die grossen Gewinner der Energiekrise. Deshalb hält die «Financial Times» unmissverständlich fest: «Ein Kampf um die Kontrolle des Ölmarktes – ja um die Zukunft der Energie-Industrie – ist für alle sichtbar geworden.»

epa07041446 Qatar's Minister of Energy Mohammed bin Saleh al-Sada (C) attends the 10th OPEC and non-OPEC Joint Ministerial Monitoring Committee (JMMC), in Algiers, Algeria, 23 September 2018. The ...
Lassen ihre Muskeln spielen: die Vertreter der Golfstaaten.Bd: EPA/EPA

Es ist nicht das erste Mal, dass die Golfstaaten einen Ölkrieg gegen den Westen vom Zaun reissen. Nach den Siegen Israels gegen die Araber in den Siebzigerjahren liessen die OPEC-Staaten als Rache gegen den Westen den Ölpreis in die Höhe schnellen. Mit Erfolg: Die beiden Ölkrisen waren ein wesentlicher Grund für die Stagflation, welche die Wirtschaft der westlichen Staaten während des ganzen Jahrzehnts lähmte.

Auch diesmal ist Politik der Treiber der jüngsten Entwicklung auf dem Erdölmarkt. Nur geht es nicht um Israel, nun haben sich zwei rücksichtslose Diktatoren gefunden: Wladimir Putin und MBS. Beide haben noch eine Rechnung mit dem Westen offen.

Putins Beweggründe sind kein Geheimnis. Er will dem Westen nicht nur einen sehr kalten Winter bescheren, er will auch mit hohen Energiepreisen die Wirtschaft beschädigen. So hofft er, wenigstens teilweise die Niederlagen, die er auf dem Schlachtfeld in der Ukraine erleidet, kompensieren zu können. Frierende Europäer und Amerikaner, die unter einem hohen Benzinpreis stöhnen, würden die Lust verlieren, die Ukraine weiter zu unterstützen, so das Kalkül des russischen Präsidenten.

MBS seinerseits will sich nicht nur an Biden rächen, er hat auch jedes Interesse daran, dass die Republikaner wieder an die Macht kommen. Mit Donald Trump konnte er bekanntlich sehr gut, und dem Vermögensverwaltungsfonds von dessen Schwiegersohn Jared Kushner hat er rund zwei Milliarden Dollar zur Verfügung gestellt.

epa10083114 Jared Kushner (C) arrives for the funeral of his mother-in-law, Ivana Trump, the first wife of Former US President Donald Trump at St. Vincent Ferrer Roman Catholic Church in New York, New ...
Darf zwei Milliarden Dollar arabisches Geld verwalten: Jared Kushner.Bild: keystone

Die Araber in den Golfstaaten sind zudem ungehalten darüber, dass die Amerikaner sich zunehmend aus dem Nahen Osten verabschiedet haben. «Sie können locker 20 Jahre der Vernachlässigung der Amerikaner in Sachen Sicherheit und Stabilität der Region aufzählen», erklärt Steven Cook vom Council on Foreign Relations in der «Financial Times».

Der Zeitpunkt für MBSs Rache ist günstig gewählt. Die Zeiten, in denen die USA die Rolle eines Swingproducers einnehmen konnten, sind vorbei. Als Swingproducer bezeichnet man den Produzenten, der eine Lücke im Erdölmarkt rasch ausfüllen kann.

Dank Fracking konnten die USA ihre Erdölproduktion zwar wieder massiv steigern. Doch erstens ist das Fracking ökologisch gesehen umstritten, deshalb will die Regierung Biden möglichst wenig davon. Und zweitens haben die USA den Europäern versprochen, ihnen über den Winter zu helfen.

Die Saudis und die Golfstaaten sehen sich daher in einer sehr starken Position. «Jeder braucht unser Öl und jeder muss sich mit Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Staaten arrangieren», sagt der Politologe Abdulkhaleq Abdulla gegenüber der «Financial Times». «Ein paar führende Köpfe in Washington haben offenbar immer noch nicht begriffen, dass sich die Dinge im Persischen Golf geändert haben und wir keine Befehle aus Washington mehr akzeptieren.»

Diese Überheblichkeit könnte sich jedoch rächen. Die Brüskierung von MBS werden Joe Biden und seine Partei nicht so schnell vergessen. Einzelne demokratische Senatoren fordern bereits, dass die USA ihre Beziehung zu Riad neu überdenken müssen, und erinnern gerne daran, dass 13 der Terroristen von 9/11 Saudis waren. Dass 2024 wieder Donald Trump ins Weisse Haus einziehen wird, ist ebenfalls alles andere als sicher.

In this March 29, 2013 photo, workers tend to a well head during a hydraulic fracturing operation at an Encana Oil & Gas (USA) Inc. gas well outside Rifle, in western Colorado. The first experimen ...
Fracking in den USA.Bild: AP

Auch in Europa wird man sich daran erinnern, dass MBS sich mit Putin verbündet und damit die Energiekrise noch verstärkt hat. Vor allem aber wird es die Bemühungen in Sachen Green New Deal noch verstärken. Ausser ein paar Unverbesserlichen werden nun alle erkannt haben, dass eine Dekarbonisierung der Gesellschaft nicht nur unvermeidlich geworden ist, sondern vor allem auch im Eiltempo erfolgen muss.

Oder wie es Amy Myers Jaffe, Professorin für Klimapolitik an der Tuffs University, gegenüber der «Financial Times» formuliert: «Jeder, der kann, will nun weg vom Öl – Regierungen, Unternehmen, Städte und Konsumenten. Die OPEC schlägt nun den letzten Nagel in einen Sarg, der bereits gebaut ist.»

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Angriff auf Erdölraffinerie in Saudi-Arabien
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Angriff auf Erdölraffinerie in Saudi-Arabien
Das Satellitenbild der Nasa zeigt Brände nach einem Drohnenangriff auf zwei wichtige Ölanlagen im Osten Saudi-Arabiens. Die jemenitischen Huthi-Rebellen bekannten sich zu dem Angriff. Die Halbinsel rechts im Bild ist Katar, bei der Insel handelt es sich um Bahrain.
quelle: ap nasa worldview
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Drohnenangriff auf die grösste Ölraffinerie Saudi-Arabiens
Video: srf
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346 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Forest
11.10.2022 06:24registriert April 2018
Hätten die Westlichen Industrie Staaten ihre Fetten Gewinne und Wirtschafts Wachstum auch etwas in erneuerbare Energien investiert, hätte dieses Verbrecher Duo wenig zu lachen..

Wer nichts aus den 70er und vom Klimawandel gelernt hat, hat es verdient übers Ohr gehauen zu werden und im Winter zu frieren...
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Knut Knallmann
11.10.2022 06:21registriert Oktober 2015
Man könnte fast meinen der Handel mit unberechenbaren Dikaturen ist eine schlechte Idee. Trotzdem bauen grosse Teile der Wirtschaft darauf, weil günstig. Jetzt fliegt uns das Ganze halt um die Ohren - Es ist ja nicht so, dass keiner gewarnt hätte…
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KoSo
11.10.2022 06:23registriert Mai 2017
fossile Treibstoffe kommen selten aus Demokratien, das wir nun diesen Autokraten so ausgeliefert sind, zeigt die misslungene Energiepolitik.
das obwohl wir seit den 70ern wissen das wir davon loskommen müssen, das eine Energiewende nötig ist.

danke ihr Lobbyisten!
danke den Regierungen, die die fossilen Energieträger so günstig gehalten haben!
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