Das World Economic Forum (WEF) in Davos steht diese Woche fast ganz im Zeichen des Ukraine-Kriegs. Ein weiteres Thema ist die Deglobalisierung, bedingt durch den Krieg, aber auch durch Chinas rigorose Zero-Covid-Politik, die den Welthandel beeinträchtigt. Passend dazu hat Joe Biden am Montag eine Weichenstellung vorgenommen.
Der US-Präsident gehört zu den grossen Abwesenden in Davos. Er befindet sich auf einer Reise durch Asien. Für Aufregung sorgte Biden dabei mit der Aussage, die USA hätten eine «Verpflichtung», Taiwan im Fall eines chinesischen Angriffs zu verteidigen. Fast ein wenig unter ging die Wirtschaftspartnerschaft, die er in Tokio vorgestellt hat.
Sie nennt sich Indo-Pacific Economic Framework (IPEF) und umfasst neben den USA zwölf Länder von Australien über Indien und Japan bis Vietnam. Gemeinsam repräsentieren sie 40 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung, wie das Weisse Haus in einer Mitteilung hervorhob. Ziel sei «eine stärkere, fairere und resilientere Wirtschaft».
Ursprünglich hatten die USA unter Präsident Barack Obama ein umfassendes Handelsabkommen ausgehandelt, die Transpazifische Partnerschaft (TPP). Donald Trump zog sich an seinem ersten vollen Arbeitstag im Weissen Haus daraus zurück. In die Bresche sprang China mit der Ende 2020 vereinbarten Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP).
Schon damals war klar, dass der frisch gewählte Präsident Joe Biden gefordert war. Nun versucht er, mit dem IPEF Akzente zu setzen. Zwar wird China nicht explizit erwähnt, doch es ist offensichtlich, dass die USA ein Gegengewicht zum grossen Rivalen in der Region bilden und «ihren Einfluss wieder geltend machen wollen», so die «New York Times».
Obwohl im neuen Wirtschaftsrahmen ambitionierte Ziele enthalten sind, etwa Regeln für die digitale Wirtschaft, robustere Lieferketten, mehr erneuerbare Energien und ein verstärkter Kampf gegen Korruption und Geldwäscherei, ist er kein eigentliches Freihandelsabkommen. Ein solches hätte in der heutigen US-Politik kaum Chancen.
Widerstand gibt es von links und seit Trump vermehrt von rechts. Katherine Tai, die Handelsdelegierte von Präsident Biden, gab gegenüber der «New York Times» zu, dass man die TPP auch ohne Trumps Wahlsieg kaum durch den Kongress gebracht hätte. Das neue Abkommen soll deshalb möglichst ohne parlamentarischen Segen in Kraft treten.
Das bedingt, dass die USA einen Abbau von Zöllen ausschliessen, was von einigen IPEF-Partnerländern kritisiert wird. Sie hatten auf einen schrankenlosen und rechtlich abgesicherten Zugang zum amerikanischen Markt gehofft. Japans Regierung setzt weiterhin auf eine Rückkehr der USA zur TPP, ist aber offen für das neue Abkommen.
Denn das Umfeld ist günstig. China verprellt mit seiner knallharten Zero-Covid-Politik immer mehr ausländische Firmen. Sie haben Mühe, ihr Personal für Einsätze im Reich der Mitte zu motivieren. Auch als Standort verliert es an Attraktivität. Die einstige China-Begeisterung hat sich abgekühlt. «Ausländische Investoren flüchten aus China», titelte der «Economist».
Ein Beispiel ist Apple. Der Tech-Gigant lässt rund 90 Prozent seiner Produkte in China fertigen. Nun sucht er laut dem «Wall Street Journal» nach alternativen Standorten. In Frage kommen Indien und Vietnam, wo Apple schon heute auf bescheidenem Niveau produziert. Das «Klumpenrisiko» China will sich der iPhone-Hersteller offensichtlich nicht mehr antun.
Über Chinas Entwicklung sind sich die Analysten nicht einig. Die Optimisten glauben laut dem «Economist», dass nach dem Parteikongress im Herbst, an dem Präsident Xi Jinping für eine dritte Amtszeit gewählt werden soll, eine pragmatischere Richtung eingeschlagen wird. Für die Pessimisten hingegen wird sich die ideologische Verhärtung der letzten Jahre fortsetzen.
Es wäre die grosse Chance für das IPEF und «einen neuen Multilateralismus von Amerikas Gnaden», wie die NZZ kommentierte. Joe Bidens Sicherheitsberater Jake Sullivan erklärte ungeniert, die USA wollten «im Mittelpunkt des Rahmenwerks stehen». Es könnte deshalb trotz seinen Schwächen «die Aufspaltung der Welt in Blöcke beschleunigen», so die NZZ.
Eine solche US-zentrierte Wirtschaftsordnung bedeutet eine Herausforderung für andere exportorientierte Länder vor allem in Europa. Das gilt auch für die Schweiz, die bislang stark auf den «klassischen» Freihandel setzte, auch und gerade mit China. Und das WEF als «Hochamt der Globalisierung» könnte weiter an Bedeutung verlieren.