Länder wie Brasilien und die USA melden aktuell rasant steigende Corona-Infektionszahlen. In anderen Gegenden der Welt gehen die Fallzahlen hingegen deutlich zurück – und die Menschen atmen wieder auf.
Weltweit untersuchen Forscher die Dynamik der Corona-Ausbreitung, um ein mögliches Ende der Pandemie vorhersagen zu können. Fest steht: Es bleibt weiter unklar, wie sich die Corona-Lage entwickelt.
«Es gibt keine Kristallkugel, die uns sagt, was die Zukunft bringt», heisst es in einer Veröffentlichung des Center for Infectious Disease Research and Policy (CIDRAP) an der Universität Minnesota. Dennoch haben US-amerikanische Wissenschaftler bereits im April unterschiedliche Szenarien für die Dauer der Corona-Pandemie erstellt. Darüber berichtete zuvor die «Deutsche Apothekerzeitung».
Das Team um den Epidemiologen und CIDRAP-Leiter Michael T. Osterholm hat sich dabei an vergangenen Pandemien orientiert. Denn diese Erfahrungen könnten den Forschern zufolge dabei helfen, Rückschlüsse auf die heutige Situation zu ziehen.
Frühere Grippe-Pandemien sind laut den Experten am besten dafür geeignet – obwohl sich Corona- und Influenzaviren stark unterscheiden. Die Pandemien aber würden einige Gemeinsamkeiten aufweisen. Hierzu verweisen die Forscher auf acht globale Grippe-Pandemien, von denen vier seit 1900 aufgetreten sind: 1918 bis 1919, 1957, 1968 und 2009 bis 2010.
Die Forscher kamen zu dem Ergebnis, dass sich das Coronavirus schneller und häufig unentdeckt auf der Welt ausbreitet als die herkömmliche Grippe. «Eine höhere Reproduktionszahl bedeutet, dass mehr Menschen infiziert und immun werden müssen, bevor die Pandemie beendet ist», heisst es in ihrem Forschungsbericht «Covid-19: The CIDRAP Viewpoint».
Auch wenn es meist keine klaren Muster gibt, hatten den US-Forschern zufolge sieben der acht grossen Grippe-Pandemien einen frühen Höhepunkt, der im Laufe weniger Monate verschwand. Etwa sechs Monate nach dem ersten Höchststand konnte dann ein zweiter Höchststand verzeichnet werden. Ausserdem hätten einige Influenza -Pandemien im Laufe von zwei Jahren nach der ersten Welle weitere, kleinere Wellen gezeigt, so die Wissenschaftler.
Aus diesen Erkenntnissen heraus entwickelten die Wissenschaftler für den weiteren Verlauf der Corona-Pandemie drei mögliche Szenarien. Diese beziehen sich vorrangig auf die nördliche Hemisphäre. Alle schliessen an die Welle vom Frühjahr 2020 an.
Im ersten Szenario folgen auf den ersten Corona-Ausbruch in diesem Frühjahr weitere kleine Wellen im Sommer und in den kommenden Jahren. Diese Erkrankungswellen verlieren jedoch bereits 2021 an Heftigkeit.
Das Ausmass kann geografisch unterschiedlich sein und davon abhängen, welche Einschränkungen jeweils gelten und wie sie gelockert werden. Die Pandemie flacht in diesem Szenario insgesamt zwar ab – dauert aber auch über längere Zeit an.
Das zweite Szenario der US-Forscher zeichnet ein düsteres Bild. Dabei kommt es im Herbst zu einem erneuten Corona-Ausbruch, der grösser als die erste Infektionswelle ausfällt.
Das würde erneute Beschränkungen erfordern, um die Ausbreitung von Infektionen und die Überlastung der Gesundheitssysteme zu verhindern. Danach folgen eine oder mehrere kleinere Wellen im Jahr 2021, bis die Kurve deutlich abflacht. Dieses Muster orientiert sich an dem der Spanischen Grippe in den Jahren 1918 und 1919.
Das dritte Szenario rechnet nach dem Höhepunkt im Frühjahr mit kontinuierlich auftretenden Fällen ohne klares Muster. Ein erneutes Hoch wird hierbei nicht mehr erwartet. Trotzdem dauert es auch hier vermutlich noch bis 2022, bis die Pandemie gänzlich verschwindet, und das Virus würde weiterhin zu Krankheits- und Todesfällen führen.
Dieses Muster wurde zwar bei früheren Grippe-Pandemien nicht beobachtet, dennoch ziehen es die Forscher für Covid-19 in Betracht.
«Unabhängig davon, welchem Szenario die Pandemie folgt, müssen wir damit rechnen, dass wir noch 18 bis 24 Monate mit dem Coronavirus leben müssen und sich immer wieder Hotspots in verschiedenen Regionen der Welt entwickeln werden», schlussfolgern die Forscher in ihrem Bericht.
Erst im Jahr 2022 könnte eine Immunität bei zwei Dritteln der Weltbevölkerung erreicht sein – und damit eine globale Herdenimmunität gegen das Coronavirus bestehen. Es bleibe abzuwarten, wie sich die Infektionszahlen in den einzelnen Ländern weiterentwickeln.
Natürlich könnte auch die Entwicklung eines Impfstoffs gegen SARS-CoV-2 eine entscheidende Rolle spielen und den Pandemie-Verlauf beeinflussen. Mehr zum aktuellen Stand der weltweiten Impfstoffprojekte lesen Sie hier.