Während einige Männer sich vom Feminismus persönlich angegriffen fühlen, fragen sich andere:
Was kann ich als Mann für den Feminismus tun?
Wir haben Thomas Neumeyer gefragt, wie Männer Teil der feministischen Bewegung werden können. Der 40-jährige Vater macht sich beim Dachverband Männer.ch auch für mehr Frauenrechte stark.
Ziel des Vereins ist es, Männer in Verbindung zu bringen – mit sich, mit anderen und mit der Sehnsucht nach gerechten Geschlechterverhältnissen.
Wenn Männer einen positiven Beitrag zum Feminismus leisten wollen, womit können sie beginnen?
Thomas Neumeyer: Mit einem genauen Blick auf sich selber und die eigenen Privilegien. Wenn man von geschlechtsspezifischen Benachteiligungen, wie etwa Lohnungleichheit oder sexualisierte Gewalt, selbst nicht betroffen ist, ist es schwierig zu erkennen, dass es sie gibt. Wenn Männer aber genauer hinsehen, erkennen sie die Unterschiede.
Gibt es Kleinigkeiten, die Grosses bewirken?
Mehr zuhören. Tendenziell sind Männer es gewohnt, Raum einzunehmen, während sich Frauen eher zurücknehmen. In Sitzungen oder beim Apéro bewusst nach der Meinung derjenigen zu fragen, die eher still sind, und dann auch wirklich zuzuhören, ist etwas, woran ich mich auch selbst immer wieder erinnern muss. Langsam werde ich aber besser darin.
Gibt es noch mehr?
Damit beginnen, jene kleinen Dinge zu tun, die für das harmonische Zusammenleben wichtig sind, aber immer noch hauptsächlich von Frauen übernommen werden: an Geburtstage denken, sich bei Freunden melden, Geschirrspüler im Büro ausräumen, Kinder trösten, Ferien organisieren, spüren, wenn es jemandem nicht gut geht, und nachfragen, jemanden im richtigen Moment in den Arm nehmen.
Was können Männer beim Kampf gegen Gewalt an Frauen tun?
Streiten lernen in der eigenen Beziehung. Der Ort, an dem Frauen am häufigsten Gewalt erleben, ist Zuhause. Am Ursprung steht oft die Unfähigkeit, auf konstruktive und respektvolle Art zusammen zu reden, auch wenn die Gefühle hochkochen. Männer überfordert das häufig. Hier braucht es die Bereitschaft, sich mit eskalierenden Dynamiken zu beschäftigen und sich, falls nötig, Hilfe zu holen.
Wie können Männer den Weg zur Gleichberechtigung mitgestalten?
Um Geschlechtergerechtigkeit zu erreichen, braucht es auch die Männer. Männer, die ihre Hälfte der Windeln wechseln, sexistische Sprüche im Sportverein nicht mehr akzeptieren, sich dafür einsetzen, dass als «weiblich» geltende Berufe gleich gut bezahlt werden. Dass sie auch selbst in diesen Berufen arbeiten – gerade in pädagogischen Berufen braucht es auch männliche Vorbilder. Männer, die es mit der tatsächlichen Gleichstellung der Geschlechter ernst meinen, nicht nur theoretisch, sondern auch, wenn es die eigene Lebensrealität betrifft.
Wie können Männer sonst noch dazu beitragen, die Machtdynamik zu transformieren?
Da viele Männer an den Schaltstellen der Macht sitzen, können sie enorm viel beitragen. Zum Beispiel, indem sie selber auch mal einen Schritt zurücktreten und sich an Positionen mit Einfluss dafür starkmachen, dass Frauen nicht einfach mitspielen dürfen im Spiel der Männer, sondern dass ein neues gerechteres Spiel gespielt wird. Das heisst, in Würde vom Sockel des Patriarchats steigen.
Kann Feminismus auch Männern zugutekommen?
Ja, unsere Botschaft an die Männer lautet: Es gibt für euch viel zu gewinnen! Selbstfürsorge statt Härte verbessert Körpergefühl und Gesundheit, echte Partnerschaft auf Augenhöhe schafft Nähe und wirkt sich positiv auf den Sex aus, anwesende Väter haben eine intensivere Beziehung zu ihrem Kind. Sich in Freundschaften jenseits von Stereotypen so zeigen, wie man ist, macht glücklich. Das alles sind eigennützige Gründe, zusammen mit der feministischen Bewegung an einem Strick zu ziehen. Die uneigennützigen Gründe kommen dann noch dazu.
Innerhalb der Bewegung ist man sich uneinig, ob Männer Feministen sein können. Wie denken Sie darüber?
Feminismus fordert, dass kein Mensch aufgrund seines Geschlechts oder der sexuellen Ausrichtung diskriminiert wird und dass patriarchale Strukturen, die Männer über Frauen stellen, überwunden werden. Gerechtigkeit ist ein Ziel, für das sich auch Männer begeistern können. Es kommt auf die Haltung an, nicht auf die Bezeichnung.
Wie können Männer motiviert werden, sich dem Feminismus anzuschliessen?
Ich denke, am besten funktioniert es mit liebevoller Konfrontation. Es ist Zeit, dass Männer Verantwortung übernehmen und eine geschlechtergerechte Welt mitgestalten – auch wenn sie nichts dafür können, dass die Welt ist, wie sie ist.
Sollen Männer während des feministischen Streiks arbeiten – oder an ihm teilnehmen?
An diesem Tag sollten die Männer vor allem dazu beizutragen, dass möglichst viele Frauen am Streik teilnehmen können. Also: Kinderbetreuung übernehmen oder die Büroschicht der Kollegin. Die Kinder aus der Kita nehmen, damit die Kita-Betreuerinnen streiken können, Essen kochen an einem Stand am Streik. Es gibt sehr viel, was Männer an diesem Tag tun können – für einmal aber gerne aus der zweiten Reihe.
Rechtlich gesehen ist die Frau aber in haufenweisen Bereichen bereits privilegiert. Sei das Scheidung, Militär, Kinder oder Betreuungsorganisationen.
Endlich mal ein Thema wo ich ganz entspannt sein kann.