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Du willst nur das Beste? Voilà:
Euer Film ist ein
Winterfilm. Wie gerade auch «The Hateful Eight» und «The Revenant». Woher diese
riesige Liebe vom Film zum Schnee?
Die Bilder sind doch wunderschön: Wie zum Beispiel ein rotes
Auto durch die verschneiten Schweizer Berge fährt! Es ist doch traurig,
dass der Winter wohl bald verschwinden wird, das macht mir zu schaffen. Ich hab
den Winter sehr, sehr gern, das ist ja was, das Emotionen auslöst!
Bei Dir offenbar sehr
intensive.
Wir sind ja auch so sozialisiert worden: Der Winter ist gemütlich
im besten Sinne, schon um fünf ist es dunkel, man zieht sich zurück,
beschäftigt sich zu Hause mit Dingen, während es einen im Sommer raustreibt und
man noch bis nachts um zehn im Wald spazieren gehen kann. Das sind ja auch die
tollen Bilder in «Nichts Passiert»: Warme Hütte, das Feuer, man erzählt sich
grauenhafte Sachen und isst Käsefondue.
Ein
Gerber-Fertig-Fondue?
Ja, war’s.
Schade.
Gibt’s da Unterschiede?
Es gibt so viel
bessere Fondues.
Haha! Ich muss da nochmals ran. Die Szene wurde ja so oft
wiederholt, wir haben einen ganzen Tag lang Fondue gegessen, wir waren am Abend
leicht genudelt vom Fondue. Es wird ja auch nicht besser, so mit der Zeit.
Auf Englisch hat der
Film einen wunderschönen Titel: «A Decent Man», ein anständiger, ehrbarer Mann.
Das klingt nach einem gediegenen Film mit Colin Firth.
Colin Firth lass ich mir gefallen. Der ist beim Casting auch
nur ganz knapp vorbeigeschrammt, ich hab’s dann gekriegt.
Annina Walt, die das
«Opfer» spielt, hat mir erzählt, eure Dreharbeiten seien irrsinnig lustig
gewesen. Für Dich auch?
Drehen an sich ist ja lustig.
Ehrlich? Nicht
langweilig? Man wartet und wartet...
In diesem Fall hatten wir das Glück, dass wir in der schönen
Landschaft warten konnten. Nein, der
Film ist ja eine schwarze Komödie, ich hoffe, das sehen die Leute auch so.
Manche fragen ja: ‹Ooooohhh, Herr Lewinsky, wenn Sie ein so ernsthaftes Thema so
ernsthaft bearbeiten, wie gehen Sie denn damit um, wenn im Kinosaal gelacht
wird?› Und einer schrieb: ‹Alles Quatsch, ich hab’s erkannt, es ist eine Komödie!›
Find ich sehr lustig. Es ist ja so offensichtlich eine Komödie, auch wenn’s um
schlimme Dinge geht. Man kann sich ja bepissen vor Lachen.
Du wirst für Deine
Filme seit Jahren mit Liebe, Lob und Preisen überschüttet ...
Ich dachte mit Geld. Nee, okay...
Fürs Geld ist wohl
eher Deine Rolle als Saarbrücker «Tatort»-Kommissar Stellbrink zuständig.
Ist «Tatort» in der Schweiz auch so angesagt?
Ja natürlich, was
denkst Du denn!
Ich fass es nicht, wie kommt das? Ah ja, es ist immer so
früh dunkel hier.
Aber gerade für Deinen
Kommissar kriegst Du die meiste Kritik.
Das gucken ja auch 10 Millionen Menschen. Die ersten beiden Stellbrink-Fälle
sind immer noch meine liebsten, die haben am meisten Schimpfe gekriegt, weil
das neu war, weil sich die Leute erst einmal daran gewöhnen mussten. Ich hätte
nie gedacht, dass Gummistiefel im deutschen Fernsehen so ne Welle machen. Ich
hab immer ein Paar im Auto liegen, damit ich in die Pilze kann, wenn ich
nebenbei mal Zeit habe. Oder mit dem Hund durch den Matsch.
Die Gummistiefel
waren Deine Idee?
Die Gummistiefel, die Vespa, Yoga, wie der Typ so
funktioniert... Man muss ja auch was anbieten, wenn so eine Figur längerfristig
funktionieren soll. Insofern war ich auch erstaunt, dass mein Angebot, mein
Geschenk ans Publikum, gar nicht so gewollt wurde.
Wie gut steckst Du
das weg?
Die Zeit beantwortet alle Fragen. Das muss man im Moment
halt aushalten. Gewöhnungbedürftig sind bloss all die anonymen
Online-Kommentare, die unter die Gürtellinie schiessen.
Nun bist Du ja in
Deutschland ein berühmter Filmstar, in
der Schweiz kennt man Deine Geschichte vielleicht noch nicht so ganz.
Meine Geschichte? Die vom Waisenkind?
Ja genau, vom
Waisenkind aus Russland.
Aus Russland. In ner Büchse.
Nein, im Ernst: Du
bist in der DDR aufgewachsen, in Rostock. Zuerst wolltest Du Goldschmied
werden?
Ich hatte vor der Wende eine Lehrstelle, als die Wende kam,
ging der Betrieb pleite. Es gab damals von Wismar bis rüber nach Polen nur
eine einzige Goldschmiede-Lehrstelle. Die hatte ich. Ich fand das super.
Und Schauspiel?
Ich hab mich für Schauspiel null interessiert, ich dachte, Schauspieler
lernen einfach mal Texte auswendig, treffen sich abends im Theater und spielen miteinander
ganz spontan. Ich hatte keine Ahnung, dass es überhaupt sowas wie Regisseure
und Inszenierungen gibt. Ich kam von der Musik her. Als die Lehrstelle flöten
ging, machte ich die Aufnahmeprüfung fürs Musikstudium. Dann wollte man mir
klassische Gitarre aufdrücken, weil der E-Gitarren-Lehrer zu teuer war, da
sagte ich, nee, ich mach irgendwas Anderes mit Bühne.
Wie hast Du Anfang der 90er Rostocks
härteste Zeit so mitgekriegt?
Ich war damals so 18, 19, das war schon eine sehr, sehr
angespannte Situation. Da gab es im Innenstadtbereich unglaubliche Übergriffe,
nachts fuhren die mit Autos, die von Hamburg aus von der West-NPD gesponsert
waren, durch die Strassen. Jemanden, der mit langen Haaren auf dem Fahrrad
unterwegs war, haben sie einfach mit Baseballschlägern zerlegt. Und wenn am
Samstagnachmittag der Fussballclub spielte, musste man die Innenstadt
vernageln. Die sind auf den Autos rumgesprungen und haben Menschen
zusammengeschlagen, es war furchtbar.
Und dann kamen im
August 1992 die Anschläge gegen die Aufnahmestelle für Asylbewerber und gegen ein
Asylantenwohnheim in Rostock-Lichtenhagen.
Ich erinnere mich noch sehr gut an jenen 24. August, mein
bester Freund war damals sehr aktiv in der Antifa-Bewegung, der war die ganze
Nacht unterwegs und hat Meldungen hin und her getragen. Für mich waren das
damals alles Glatzen und Nazis. Aus der heutigen Zeit kann man sagen, das waren
einfach mal aus den Angeln gehobene Biografien, die auch nicht wussten, wohin
mit sich, und in einer bestimmten pubertären Zeit mal das Falsche getan haben.