Sandro und ich wohnen immer noch zur Probe zusammen. Und es läuft immer noch richtig gut. Und weil ich so stolz drauf bin, will ich das noch einmal sagen: Sandro und ich wohnen immer noch zur Probe zusammen. Und es läuft immer noch richtig gut.
Danke.
Hie und da aber gibt es Momente, da schick ich Sandro weg oder Sandro schickt mich weg. So wie vergangenen Freitag. Sandro hatte seine vier besten Kumpels zu Besuch. Und wie immer, wenn das so ist, machen sie was mit Poulet und Bier und Ofen und noch mehr Bier und was weiss ich.
Ich weiss nur, dass ich ausgehen soll. Und dass ich gerne ausnahmsweise in meiner Wohnung pennen soll.
Geil.
Ich verabschiede mich kurz vor 19 Uhr. Dann gehe ich zum Sport, dann treffe ich Cleo, dann eine, zwei, drei Bars, dann verabschieden wir uns. Kurz vor 23 Uhr stehe ich vor meiner geliebten kleinen Wohnung. Ich wühle in meiner Tasche.
Kein Wohnungsschlüssel. Also schon. Aber der falsche.
Fuck.
Ich muss nach Hause. Nach Hause ins Sandro-Emma-Daheim. Ich nehme mir vor, reinzugehen, den Schlüssel zu holen und wieder abzuhauen.
Es kommt aber alles anders.
Als ich reinkomme, höre ich die Männer johlen. Es stinkt nach Alkohol und Zigaretten. Sandros Gekicher ist unverkennbar. Der Gute hat sehr gut einen sitzen. All die anderen auch.
Ich sage husch Hallo zusammen, ich sei grad wieder weg. Unisono zitieren mich die Herren aber an den Tisch. Sie haben Fragen.
Sie reden grad über Frauen und ihre schlimmsten Dating-Erfahrungen und über Red Flags bei Frauen.
Typ 1 erzählt, dass er immer auf Frauen trifft, die an ihren Ex-Typen hängen. Vorzugsweise Narzissten, die sie schlecht behandelt haben. «Warum dieser Masochismus, Ems?»
Was weiss ich.
Typ 2 schnallt nicht, warum Frauen immer nur Mineral und Salat bestellen, um dann doch all seine Pommes «wegzufressen».
Das schnall ich auch nicht. Sorry, Typ 2.
Typ 3 will wissen, warum Frauen das Gefühl haben, Männer müssen sich pausenlos melden. Mehrfach hat er's erlebt, dass er abgeschossen wurde, weil er nicht sofort auf Nachrichten reagierte. «Ems, ich sag's dir jetzt, kein Mann findet Chatten wirklich geil. Wir wollen euch treffen. Wir wollen euch in echt. Sie und ich. Nicht ihr Handy und mein Handy!»
Hmmmm, sage ich.
Typ 4 findet es mühsam, dass die meisten Frauen schon nach dem ersten Sex DAS GESPRÄCH führen wollen. «Warum muss immer alles SOFORT gelabelt werden?»
«Weil wir keine 20 mehr sind», sage ich. «Anstrengend», sagt Typ 4.
Wenn's überhaupt zum ersten Sex kommt, sagt Sandro. Er habe zuhauf Frauen gedatet, bei denen Sex in der Luft war. Sollte es dann aber zur Sache gehen, wollten sie das Licht ausmachen. Oder doch keinen Sex haben. Nicht, weil sie nicht scharf waren. «Sie hatten Panik, dass sie dann nicht mehr spannend sind.»
«Ja, genau, so ein Bullshit!», sagen die anderen. Und sinnieren, was das soll. Warum Frauen meinen, dass sie mehr respektiert werden, wenn sie ihre Lust, den guten Moment, das Körperliche unterdrücken.
«Ems?», sagt Sandro. «Böööh», sage ich. Ich war nie so. Hab mich nie aufgespart. Und wurde danach schon auch des Öfteren geghostet. «Das wärst du auch, hättest du keinen Sex gehabt», versichern die Besoffenen. Ob das stimmt? Böööh!
Jetzt sind die Besoffenen in Sex-Fahrt. Meine Anwesenheit scheinen sie vergessen zu haben. Oder sie sind zu betrunken (sehr wahrscheinlich), um ihre Geschichten zu zensurieren. Sie machen jetzt das, das ich auch schon sehr oft mit Freundinnen gemacht habe. Sie erzählen sich schlechte Sex-Erlebnisse.
Ich erfahre von Frauen, die nicht bis zum, sondern bis nach dem Würgereiz geblasen haben.
Ich erfahre, dass Männer Mumu-Fürze das Beste finden (WTF).
Ich erfahre, dass Reiten hohe Kunst ist, die nur die wenigsten beherrschen («Ems, chills, du chasch es!»).
Dann erfahre ich noch, dass viele Frauen den toten Fisch machen. Hinlegen, Beine breit, sich bedienen lassen und Tschüss. «Uhuera nervig!»
Was zumindest hier und jetzt in dieser Runde aber absolut kein Thema ist, sind die Körper der Frauen. «Hauptsache Brüste», finden die Männer. Ob diese jetzt gross oder klein sind, ob sie hängen oder nicht, alles egal. «Hauptsache Brüste!»
Sympa.
Auch die Vulvas sind kein Thema. Weder wie sie aussehen, noch wie sie schmecken. Behaart oder nicht. Kein Thema. Genauso wenig wie andere Körperteile oder Formen.
Cellulite? «Was ist das?»
Sehr sympa. Oder sehr betrunken. Wohl beides. Aber mehr Ersteres.
Während ich dieser Runde so zuhöre, schnalle ich, dass wir uns wirklich entspannen können. Dass sie unsere Körper bedingungslos super finden.
Und dass Blowjobs wirklich keine Wettrennen gegen Zeit, Tempo, Druck und Biss sind.
Alles gut eigentlich. Und wohlgesinnt. Oder einfach unkompliziert gestrickt.
Nicht so wie wir. Zumal es ja vielleicht sein könnte, dass der Schwanz ein grosses Thema unter Frauen ist. Eben, vielleicht. So genau wollen wir es hier nicht verraten.
Wir sollten drum wirklich einfach nur in Frieden vögeln. Ich fang damit an. Also morgen. Wenn Sandro dann wieder kann. Bei mir ist die Libido nämlich zurück.
How come? Don’t know.
Ist ja auch egal.
Hauptsache sie ist wieder da. Drum auch hier schwarz auf weiss im Internet: Welcome home, Libido. Ich habe dich vermisst. Deine Ems. <3
Ich habe noch nie, wirklich nie einen gehört, der sich über eine Vulva ausgelassen hat.
Und der Rest vom Körper? Ich kenne genau so viele, die auf extrem Schlanke stehen wie auf mollige. Der ganz grosse Rest wünscht sich was dazwischen.
Und Licht mögen wir, weil wir gerne anschauen und zuschauen, und nicht weil wir Makel suchen.
Man kann sagen, Männer sind einfach gestrickt. Oder etwas tiefsinniger, ihnen sind einfach andere Sachen wichtiger als das aussehen der Frau.
Ich(m) finde chatten nicht per se langweilig und schreibe gerne hin und her. Gerne auch persönlich und mit längeren Texten. Und, stellt euch vor, das Ganze ohne den einen Hintergedanken die Olle endlich ins Bett zu kriegen... Mann kann sich auch ehrlich für eine Frau als Person interessieren nicht nur als potenzielle Bettpartnerin.
Einfach um für einmal einen Kontrapunkt gegen das aktuelle Menosphere-Gedöns zu setzen...