Wer es noch nicht bemerkt haben sollte: Wir befinden uns eigentlich mitten im Sommer – und somit der mit Abstand unangenehmsten und ekelhaftesten Zeit für den Einzelhandel.
Ich habe über ein Jahr lang beim schwedischen Mode-Riesen H&M gejobbt und habe dort jede Saison mitgemacht. Weihnachtskaufrausch, Saison-Sales, Designer-Kollaborationen, Bestandsinventuren... ich war bei jedem Elend dabei.
Man kann an keinen zwei Händen abzählen, wie oft ich Menschen zum Tier werden gesehen habe. Ich wurde als «faul und unfähig» bezeichnet, weil ein Teil nicht mehr in der gewünschten Grösse vorhanden war oder musste diskutieren, warum ich Unterwäsche mit offensichtlichen «Tragespuren» nicht zurücknehmen könne. Würde ich jede Strapaze aufzählen, wäre ich wohl bis morgen beschäftigt.
Allerdings gibt es in Sachen Ekel-Faktor eine Zeit im Jahr, die allen anderen weit voraus ist: den Sommer!
Zwar ist man als Verkäufer (meist) vor den schwitzig-schwülen Temperaturen im klimatisierten Laden geschützt, allerdings verschont einen das nicht vor den anderen Grauen, die der Sommer so mit sich bringt.
Das fängt zum Beispiel damit an, dass Sommer die Zeit des «Draussen-Essens» ist. Es gehört zum Lebensgefühl der heissen Tage, mit einem kalten Getränk oder einem Eis in der Hand durch die Stadt zu schlendern. Allerdings hat die Sache einen Haken:
Wohin mit dem Eisbecher oder dem Starbucks-Cup, wenn man im Laden freie Hände zum Durchwühlen der Kleidung braucht? Für viele Kunden lautet da leider die selbstverständliche Antwort:
Im Sommer war ich mir daher oftmals nicht sicher, ob ich zur Reinigung des Ladens oder zum Verkauf der Kleidung angestellt war. Denn es gab mit Abstand keine andere Zeit im Jahr, in der ich mehr Essensverpackungen, Taschentücher (ist ja auch Heuschnupfen-Zeit!) und sonstigen Müll wegräumen musste.
Zu dem ganzen Übel kommen dann noch Kleinkinder, die mit Schokoladen-Eis-verklebten Händen helle Kleidung begrapschen, ohne dass die Eltern auch nur ein Sterbenswörtchen von sich geben.
Aber nicht nur den Kleinsten scheint es ganz besonders in der Sommerzeit an Manieren zu mangeln. Auch Erwachsene lassen ihre gute Kinderstube beim Betreten des Ladens bei der Hitze gerne an der Tür zurück.
Vielleicht überfordern sie die hohen Temperaturen. Die roten «Sale»-Schilder, die ab Juni langsam immer mehr aufpoppen, verwirren die Kunden dann noch mehr. Und wahrscheinlich sollten die meisten von ihnen ihren Kopf eher am See abkühlen, anstatt wie «Walking Dead»-Zombies durch die Läden zu wandeln.
Fakt ist, dass ich nur zur Vorweihnachtszeit so viel Elend mit ansehen musste wie im Hochsommer. Menschen stritten sich vor meinen Augen so sehr um Sale-Teile, dass ich Angst hatte, gleich Zuschauer eines Live-Wrestling-Matches zu werden. Eltern erklärten ihren Kindern vor mir, warum es so degradierend sei, in einem Laden wie H&M zu arbeiten, während sie selbigen Nachwuchs mit Kleidung eben dieses Ladens eindeckten. Und Kunden, die den Laden schreiend betraten und genauso wieder verlassen haben, gehörten eh zur Tagesordnung.
Richtig ekelhaft war allerdings besonders die Arbeit an den Umkleiden. Zugegeben, das ganze Jahr über war das nicht unbedingt der schönste Dienst, aber im Sommer wurde mein Würgreflex dort ganz besonders auf die Probe gestellt.
Meine Kollegin und ich hatten an vielen Tagen schon zur Vorsicht ein Raumspray am Eingang stehen, das wir viertelstündig versprühen mussten, da der Gestank aus den Umkleiden unerträglich war. Zu allem Übel arbeiteten wir in der Kinderabteilung, an dessen Umkleidekabinen eine Wickelstation angeschlossen war.
Wenn man sich der Garderobe an warmen Sommertagen nur näherte, waberte einem bereits der Duft gefüllter Babywindeln, beissenden Schweisses und schwitzender Füsse entgegen. Eine Kombination, die absolut tödlich sein kann.
Doch auch damit nicht genug. In dieser Geruchsatmosphäre musste ich dann noch verschwitzte Kleidung berühren und aufbügeln. Dieser konnte man oft ansehen, anriechen und anfühlen, dass dem vorherigen Träger sehr heiss gewesen sein musste.
Meinen ekelhaftesten Tag in meiner «Sales-Advisor-Karriere» beim Modediscounter hatte ich allerdings, als ich im Hochsommer in der Unterwäsche und Accessoires-Abteilung aushelfen musste. Denn was wird im Sommer natürlich am häufigsten gekauft und anprobiert? Na klar, Bademode!
Daher war meine Schicht an dieser Umkleide nicht nur die wohl stressigste, die ich je hatte, sondern auch die widerwärtigste. Während ich verzweifelt versucht habe, in Rekordzeit trotz kompliziertem Bügelsystem eine Badehose nach der nächsten aufzubügeln, kam ich immer wieder in Berührung mit den Hygienestreifen an der Innenseite der Hosen.
Damit nicht genug. Da diese nach mehrmaligen Tragen oft ihre Klebekraft verloren, fielen sie oftmals raus und klebten, ehe ich mich versehen konnte, an sämtlichen Stellen um mich herum und teils sogar an mir. Nun war es an mir, mit nackten Fingern die Streifen zu entfernen und wegzuschmeissen. Ich habe mich geschüttelt vor Ekel und mit den Kollegen mitgefühlt, die jeden Tag in dieser Abteilung arbeiten mussten.
Aus dem Grund mein Appell an alle Kunden in der Sommerzeit:
Bitte bedenkt: Auch wenn euch heiss ist und ihr gestresst seid, den Verkäufern geht es wahrscheinlich gerade nicht besser.
Ja, Menschengerüche können eklig sein, aber im Sommer kommen einige auch mit Deo an ihre Grenzen. Was Wickelstationen bei den Kabinen verloren haben, kann ich mir nicht beantworten. Die gehören für mich zu den Toiletten, die bei H&M wahrscheinlichen fehlen. Dann gäbe ggf. auch keine Binden in den Kabinen.