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Emily in Paris: Franzosen stellen sich gegen die Netflix-Serie

Emily macht auch in der neusten Staffel Paris unsicher.
Emily macht auch in der neusten Staffel Paris unsicher.bild: netflix

Emily raus aus Paris? Frankreichs Hassliebe zu der Netlix-Hitserie

12.09.2024, 14:49
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Während eingeschworene Fans die neuen Folgen von «Emily in Paris» wohl kaum erwarten können, dürften sie so manchen Menschen in der französischen Hauptstadt nur zum Stöhnen bringen.

Denn die klischeebeladene Serie über die Marketingmanagerin Emily (gespielt von Lily Collins) aus Chicago, die in Paris Liebe, Erfolg und Abenteuer sucht, hat sich in Frankreich nicht nur Freunde gemacht. Seit Donnerstag gibt es die zweite Hälfte (die Episoden 6 bis 10) der vierten Staffel im Programm von Netflix.

«Probleme auf allen Ebenen»

Darüber, dass die Serie eher eine Märchenversion von Paris als das echte Leben zeigt, verdrehen Pariserinnen und Pariser schon seit Beginn der Netflix-Romanze 2020 die Augen. Auch wenn die Serie von «Sex and the City»-Produzent Darren Star bei weitem nicht die erste Erzählung von Paris als Postkartenidyll und romantisiertem Sehnsuchtsort ist.

Lily Collins in Emily in Paris (2020)
Lily Collins in «Emily in Paris».Bild: netflix

Das Magazin «Harper's Bazaar Frankreich» meint sich in der Serie eher inmitten eines Comics statt in einer realistischen Darstellung der Modewelt oder gar von Paris wiederzufinden. «Probleme - die gibt es auf allen Ebenen», schreibt die Illustrierte und urteilt, die eigenartige Personenkonstellation voller veralteter Klischees nerve Franzosen ebenso wie Amis.

Aber dass in der vierten Staffel die Französinnen so weinverliebt dargestellt werden, dass sie selbst während der Schwangerschaft trinken, dürfte dann doch vor allem in Frankreich als unnötiger und sinnloser Affront verstanden werden. Und auch die unzähligen Produktplatzierungen, die das Magazin «GQ» dazu brachte, die Serie als «eine einzige riesige Reklametafel» zu bezeichnen, dürften in den enorm kommerzialisierten USA leichter verdaut werden als in dem auf Kultur bedachten Frankreich.

Willkommensgrüsse sehen anders aus

Vor Beginn der Dreharbeiten zur neuen Staffel tauchten inmitten von Paris dann Anti-Emily-Graffiti auf. «Emily ist nicht willkommen», stand da – an die Wand des Wohnhauses geschmiert, in dem Emily in der Serie lebt. Auch «Süd-Paris gehört dir nicht» und «Verpiss dich, Emily» soll Berichten zufolge zu lesen gewesen sein.

emily in paris not welcome

https://twitter.com/cinepop/status/1755680755638780243/photo/2
«Emily ist nicht willkommen» steht auf einem Café in Paris.Bild: x
emily not welcome in paris
Auch Brunnen wurden beschmiert.Bild: instagram

Der Frust gilt dabei wohl weniger den unzähligen Stereotypen oder der naiven Hauptfigur in der Serie, sondern vielmehr den etlichen Touristinnen und Touristen, die die Drehorte der Show auf- und heimsuchen. Mehrere Anbieter haben mittlerweile Touren im Programm, um auf Emilys Spuren durch Paris zu wandeln.

Und obwohl aus dem Pariser Rathaus Kritik an der Sendung kam – Achtung! Hier werden schlecht isolierte Gebäude idealisiert! –, listet selbst die Stadt auf ihrer Website auf, wo Fans die wichtigsten Adressen aus der Serie finden.

Paris ist Magnet für Touris und Emily-Fans

Die Kinoseite Allociné meint dazu, die zusätzliche Werbung habe Paris nicht unbedingt nötig gehabt. Immerhin gilt die Stadt an der Seine als eine der meistbesuchten Metropolen weltweit. Im Jahr 2022 zog es 24,5 Millionen Touristen nach Paris. Lässt man Französinnen und Franzosen mal aussen vor, machten US-Amerikaner mit 7,9 Prozent die grösste Gruppe unter ihnen aus.

Dass auch in Paris nicht alle ein Interesse an Scharen an Urlaubern haben, die innerstädtische Wohnungspreise in die Höhe treiben und Bürgersteige verstopfen, dürfte klar sein. Und alle, die auch nur ein paar Folgen von «Emily in Paris» geschaut haben, können erahnen, dass Reisende aus den USA mit ihrer Art, die sich ja doch sehr vom französischen Savoir Vivre unterscheidet, vielleicht nicht jeder und jedem die liebsten Gäste sind.

Möglicherweise kann Paris nun aber aufatmen. Denn Emily zieht es im zweiten Teil der vierten Staffel nach Bella Italia. Möglich, dass sich Paris und Rom, das ebenfalls bereits unter Massen an Touristen ächzt, die Aufmerksamkeit der Serienfans also bald teilen können.

Show auch in Frankreich ein Erfolg

Ärger über Touris und Klischees hin oder her – so ganz können die Französinnen und Franzosen aber auch nicht ohne Emily. Immerhin landete die aktuelle Staffel, die in ihrer ersten Woche weltweit knapp 20 Millionen mal angeschaut wurde, nicht nur in den USA auf Platz eins der Netflix-Charts, sondern auch in Frankreich. Na so was!

Ob das dann Hatewatching ist, also Menschen eine Show schauen, die sie eigentlich total doof finden, etwa um sich über fehlende französische Untertitel oder wohl beim Übersetzen versehentlich ausgedachte französische Wörter wie «cauchemarque» zu echauffieren, oder die leichte Kost und der Eskapismus hinter vorgezogenen Vorhängen doch auch in Frankreich oder gar Paris verfangen, sei dahin gestellt. (sda/dpa)

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36 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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El_Chorche
12.09.2024 15:41registriert März 2021
Wetten es wäre den Parisern auch nicht recht, wenn Netflix das echte Paris zeigen würde?

In einigen Stadtteilen wäre es keine leichte Komödie sondern ein dystopischer Endzeitfilm
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RichiZueri
12.09.2024 16:22registriert September 2019
Paris ist wohl eine der grössten Reiseillusionen der heutigen Zeit. Ja, du kannst dort Selfies vor den klassischen Postkartenmotiven machen. Aber eine Strasse daneben riechts nach Urin, zwei Strassen daneben leben Flüchtlinge aneinander gepfercht auf dem Trottoir und nochmals eine Strasse weiter wirst du zum Geldautomaten.
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slnstrm
12.09.2024 14:56registriert August 2023
Also in Paris könnte ich nicht meine Liebe finden, weil mich die Sprache zu sehr triggern würde. Vielen Dank liebe Volksschule.
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