Leider gibt es von unserem Dreiländer-Zoom-Talk mit Michelle Hunziker (Italien), Hazel Brugger (Deutschland) und Sandra Studer (Schweiz) kein Bild. Ihr müsst euch das so vorstellen: Hazel Brugger sitzt vor einer Glasvitrine mit Action-Figuren; Michelle Hunziker ist ein italienischer Designertraum in Rot und Türkis und ihr Büro sieht aus, als läge es in einem hochherrschaftlichen Palazzo; Sandra Studer hat ihren Hintergrund diskret vernebelt.
Die drei, das ist von der ersten Sekunde weg klar, haben sich heute noch viel lieber als im Januar. Da wurde verkündet, dass sie gemeinsam den 150-Millionen-Zuschauer-Event im Mai moderieren werden. Sie wollen ihn als Freundinnen anpacken und sich dabei nicht zu wichtig nehmen. Man sei «Soffritto», die «Saucenbasis», meint Hazel Brugger.
Wir treffen uns hier in einer Zoom-Sitzung. Entspricht dies bis zum ESC ungefähr eurer gemeinsamen Arbeitssituation?
Sandra Studer: Klar! Michelle und ich kommen ja aus anderen Zeiten, in denen gemeinsames Fernsehmachen nur möglich war, wenn man sich physisch gesehen hat. Das Telefon war damals das Höchste.
Michelle Hunziker: Heutzutage absolviert man selbst die Therapiesitzung mit seinem Psychologen online. Wir sind andauernd im Austausch und haben mittlerweile das Gefühl, uns seit Jahren zu kennen.
Hazel Brugger, Sie leben in Deutschland, Michelle Hunziker, Ihr Lebensmittelpunkt ist Italien. Ihr habt mal erwähnt, dass ihr euch deshalb in der geografischen Mitte bei Sandra Studer in Zürich treffen wolltet. Hat das geklappt?
Hazel Brugger: Ja, aber alles war überschattet von Sandras unglaublich schöner Küche! Es ist natürlich total kontraproduktiv in Sachen Emanzipation und feministische Message, wenn sich drei Frauen treffen und nur darüber reden, wie geil eine Küche ist. Ich war aber in erster Linie beeindruckt von Sandras Küche und in zweiter Linie von Sandra und Michelle als Menschen.
Was macht denn Sandra Studers Küche so speziell?
Hazel Brugger: Sie ist gross, praktisch, schön, aber sie ist auch nicht unnötig übertrieben ausgestattet, es gibt keine Induktionsbeule für den Wok und solchen Kram. Es ist keine Angeberküche, sondern einfach clever. Du merkst, da hat jemand schon viel Erfahrung in Sachen Wohnen.
Sandra Studer: Hazel kam gerade vom Bauen und hatte diesen Baublick. Irgendwann sagte ich, okay, ich bin im Fall auch noch da, vielleicht magst du neben meiner Küche auch mich kennenlernen?
Michelle Hunziker: Es war super bei Sandra, so eine schöne Begegnung, da war sofort diese Wärme, wir wussten, das wird funktionieren. Und dann haben wir zusammengezählt ja auch acht, neun Kinder, acht davon sind Töchter, zu Beginn bewegten sich unsere Gespräche sehr in diese Richtung.
Eine Riesenshow wie den ESC zu moderieren ist ja, wie Kochen, eine grosse Kunst. Michelle Hunziker und Sandra Studer, ihr habt das schon gemacht. Hazel Brugger, Sie haben immerhin einen Talk mit Angela Merkel zum Erscheinen ihrer Autobiografie moderiert – was nehmen Sie davon an den ESC mit?
Hazel Brugger: Dass etwas durchaus auch unpolitisch sein kann … (lacht) Die Grössenverhältnisse des ESC sind ja absolut unüberschaubar und zuerst vielleicht etwas einschüchternd. Da ist einerseits die Quantität derer, die zuhause zuschauen, aber auch die riesige Vielfalt derer, die teilnehmen – jemand, der tausend Kilometer von mir entfernt aufgewachsen ist, hat nun mal einen ganz anderen Referenzrahmen als ich. Von Angela Merkel habe ich gelernt, dass sie sich sagt, ich muss auf die Menschen zugehen und dann werde ich auch einen Anknüpfungspunkt finden. Und wenn man sich selbst gut kennt, kennt man jeden anderen Menschen ein bisschen. In uns selbst ist ein bisschen von allen. Dies zu erkennen und sich selbst auch nicht allzu wichtig zu nehmen, hilft beim Brückenschlagen zu den anderen.
Michelle Hunziker: Wow! Hazel! Das war wirklich schön und auch so philosophisch, wow! Ich glaube, deine Jacke hat dich auch inspiriert! (Hazel Brugger trägt eine Fleece-Jacke mit leichtem Raubtiermuster.) Ein bisschen wild!
Sandra Studer: Hazel hat diese Jacke vor diesem Interview noch nicht getragen. Da hat sie auch noch nicht so gescheit geredet.
Hazel Brugger: Eine Viertelstunde vor meinem Talk mit Angela Merkel fragte ich mich, ob ich nicht genau diese Jacke hier tragen solle! Wie gut wäre es geworden, wenn ich sie anbehalten hätte!
Damit wären wir auch schon bei der Modefrage: Es spielt ja schon eine Rolle, wie man auf der wahrscheinlich grössten Showbühne der Welt neben den Oscars auftritt. Ihr müsst ja auch irgendwie das Gastgeberland Schweiz repräsentieren, wie wird sich das bemerkbar machen?
Hazel Brugger: Also Sandra geht als Gruyère, ich als Belper Knolle …
Michelle Hunziker: Da müssen wir noch etwas mysteriös bleiben.
Sandra Studer: Natürlich setzen wir auf Swissness: Der Schweizer Modedesigner Kévin Germanier wurde angefragt und macht sich nun Gedanken über unsere Garderobe. Ich bin froh, wenn ich das nicht machen muss, das ist nicht so meins. Als ich 1991 am ESC teilgenommen habe, ging ich einfach mit meiner Mutter in den Jelmoli und habe ein Kleid gekauft.
Es gab ja in der ESC-Geschichte schon viele Moderations-Trios, habt ihr euch von ihnen inspirieren lassen?
Michelle Hunziker: Nein. Ich habe in der ESC-Geschichte oft auch schon recht steife Moderations-Teams gesehen. Wenn drei Leute zusammen auf einer Bühne stehen, müssen sie sich mögen, sich respektieren, eine gemeinsame Energie ausstrahlen, natürlich wirken – wenn man sich nicht mag, funktioniert es nicht. Eine Moderation dieser Grösse kann zu einer riesigen Last werden, aber wenn man mit Menschen arbeitet, die so cool sind wie Hazel und Sandra, dann wird aus der Last eine Freude und man kann sich wirklich der Unterhaltung widmen.
Sandra Studer: Es geht nicht um uns. Wir bilden einen Rahmen, wir müssen einen roten Faden durchs Ganze ziehen, aber wir sind auch sehr eingeschränkt, wir haben unglaublich viele Musts in diesem Wettbewerb, es gibt nur wenige Momente, in denen wir ausbrechen und was Eigenes machen können. Aber diese kleinen Momente, die müssen wir nutzen und feiern und mit unserer Freundschaft füllen.
Hazel Brugger: Ich stimme Michelle und Sandra in allem zu, aber für mich entfernt sich das Gespräch gerade zu sehr vom Küchenthema! Ich sehe uns ganz klar als das Soffritto, die Saucenbasis, wir sind wie Zwiebeln, Sellerie und Rüebli und natürlich werden wir mit der nötigen Intensität für das Umami sorgen, das bei keinem ESC wegzudenken ist. Sorry, ich drehe langsam durch, wir geben schon seit fast zwei Stunden Interviews.
Ihr Armen! Sandra Studer, wenn wir das richtig verstanden haben, werden Sie singen?
Sandra Studer: Ja, es wird einen Moment geben … Aber er wird im Dienst einer Anekdote sein, die wir erzählen, keine grosse Gesangperformance … (Hazel Brugger zwinkert ostentativ).
So wie Hazel Brugger gerade dazwischenzwinkert, legt sie die Vermutung nahe, dass es sich doch um eine grosse Performance handelt!
Hazel Brugger: Nein, nein, das ist nur mein Magnesiummangel.
Ihr moderiert zu dritt – und dann ist da auch noch Sven Epiney, der gleichzeitig die Show auf SRF kommentiert, aber auch das Public Viewing moderiert. Wie soll das gehen?
Hazel Brugger: Kriegt er nicht gerade ein Inline-Skates-Coaching?
Sandra Studer: Das kann man nur in flachen Schuhen. Er wird viele, viele Meter zurücklegen müssen. Aber wenn ich's richtig verstanden habe, hat er jemanden dabei, der ihn bei seinen Ortswechseln gelegentlich ablöst.
Michelle Hunziker: Wir müssen aber auch sehr viel gehen. Eigentlich wollte ich im März meinen Hallux operieren, aber das mache ich jetzt natürlich nicht, ich will ja fit sein.
Sandra Studer: Ich habe auch einen Hallux! Aber habe mir schon sehr bequeme Flipflops gekauft. Ich bin ja die Kleinste von uns dreien, deshalb werde ich die höchsten Absätze tragen müssen. Zwischendurch werde ich jedoch hinter der Bühne Flipflops tragen.
Michelle Hunziker: Wie machst du das, Sandra? Wenn ich meine Stögelis während einer Sendung ausziehe, kriege ich so geschwollene Füsse, dass ich sie danach nicht mehr in die Schuhe kriege. Ich finde übrigens, das ist ein super Interview, so lebensnah!
Hazel Brugger, für Sie stellt sich die Frage eh nicht, Sie haben sich im ProSieben-Format «Wer stiehlt mir die Show» bei einem glamourösen Sängerinnenauftritt im Abendkleid einmal geweigert, High Heels zu tragen. Das Produktionsteam verhüllte ihre Füsse dann mit Kunstnebel.
Hazel Brugger: Es tut mir mega leid, dass ich schon wieder auf das Thema Küche zu sprechen komme, aber schaut mal, was für Schuhe ich gefunden habe! (Hält ein Paar als Burger dekorierte Birkenstock-Finken in die Kamera.)
Sandra Studer, wären nicht eisgekühlte Flipflops die Lösung? Frisch aus einer kleinen Kühlbox?
Sandra Studer: Das ist ein grossartiger Tipp, das lass ich mir gleich in den Vertrag schreiben!
Der ESC begleitet uns alle in diesem Chat ja schon ein Leben lang. Was sind eure frühesten ESC-Erinnerungen?
Sandra Studer: Ich war fünf, als ABBA 1974 mit «Waterloo» gewonnen haben, und ich bilde mir ein, mich noch sehr genau daran erinnern zu können. Vielleicht aber auch nur, weil ich später immer und immer wieder diese Aufnahmen gesehen habe. Das war auch der Startschuss zu meiner Liebe zum ESC. Er gehörte bei uns fix ins Jahres-Familien-Fernsehprogramm.
Hazel Brugger: Ich war zwölf, als die finnische Hard-Rock-Band Lordi gewonnen hat. Das ist nicht unbedingt mein privater Geschmack, aber ich fand es so krass, dass so was geht, und dass wir als Europa uns jetzt entscheiden, über so was zu reden.
Michelle Hunziker: In meiner Kindheit gab es immer nur Sanremo, Sanremo, Sanremo, den ESC haben wir zuhause nie geschaut. 2007 habe ich Sanremo zum ersten Mal moderiert und da wurde mir klar, dass der Gewinner von Sanremo ja zum ESC weiterzieht. Bis vor etwa zehn Jahren hatte der ESC in Italien sowieso keine grosse Bedeutung.
Sandra Studer: Ja, das habe ich auch gemerkt, als ich 1991 in Rom am ESC gesungen habe. Das wurde schon alles sehr stiefmütterlich behandelt.
Michelle Hunziker: Früher dachte man, es gibt keine Musik nach Sanremo.
Hazel Brugger: Aber Michelle, das ist doch jetzt DIE Chance für Italien: Dank dir sehen jetzt alle, ob ein Leben nach Sanremo möglich ist. Auch das ist natürlich eine philosophische Frage: Gibt es ein Leben nach Sanremo? Und wenn ja, welches?
Michelle Hunziker: Absolut. Hazel, ich brauche deine Jacke!
Hazel Brugger: Du kannst mit mir übrigens auch Psychologie-Calls machen.
Michelle Hunziker: Dankeschön, das machen wir ab heute!