Superhelden und ich, das ist eine Liebe auf den ersten Blick: verletzlich, einfallsreich, super stark, ständig im Kampf mit sich selbst und dem wiederkehrenden Bösen – das Abenteuer ist nie vorbei. Eigentlich könnte einem Fan wie mir also nichts Besseres passieren, als eine neue Heldenserie. Doch, egal welche ich mir ansehe: Ich schalte nach einigen Folgen ab und will am liebsten den Laptop aus dem Fenster schmeissen.
Superhelden laufen vielleicht gut im Kino, aber gerade das scheint zu der Vorstellung zu führen, dass wir sie auch unbedingt als (Nicht-Comic-)Serienformate brauchen. Und, seien wir ehrlich: In genau diesen Serien geht es am Ende doch kaum noch um die Helden, sondern sie werden nur noch als Mittel zum Zweck genutzt.
Superhelden retten die Welt, weil sie Fähigkeiten haben, die wir normalen Menschen nicht haben, obwohl sie selbst voller Fehler und Unzulänglichkeiten sind. Das baut Spannung auf und bietet mir Identifikationspotential. Doch dabei darf der Handlungsstrang, in dem die Unzulänglichkeiten beleuchtet werden, nicht überhandnehmen. Der Weltrettungsgedanke, der den Protagonisten ja die Helden-Genese erst möglich macht, kommt in Serien zwar auch vor, wird aber durch den enorm ausgebreiteten Fokus auf die persönliche Ebene und das Leben der Helden fast zur Nebensache. So entsteht ein Einheitsbrei, den ich auch in jeder Drama-Show finden kann.
Ein Beispiel: Die Drogensucht von Klaus in «The Umbrella Academy» wird in der Show rund um die ehemaligen Kinderhelden so lange beleuchtet, dass der Grund für diese Sucht völlig in den Hintergrund gerät. Klaus nimmt die Drogen, weil er die Toten sehen kann. Stattdessen wird den Zuschauern aber eine klassische Junkie-Geschichte erzählt. Wenn ich so eine Geschichte sehen möchte, schaue ich mir «Skins» an und kein Superhelden-Epos.
Bleiben wir bei der ersten, viel gefeierten Staffel von «The Umbrella Academy». Sie dauert über acht Stunden. Und wie oft retten die sechs Antihelden in dieser Zeit die Welt? Ein einziges Mal (und selbst dann ja nicht wirklich). Die Katastrophe, die sie bekämpfen, gerät bei all der Charakterbildung völlig in den Hintergrund. Der rote Faden geht verloren. Vergleichen wir das mal mit der «Batman: The Dark Knight»-Trilogie. Sie dauert rund sieben Stunden. Batman rettet Gotham innerhalb dieser Zeit dreimal und kaum einer wird mir widersprechen: Die Hauptcharaktere entfalten sich in dieser Zeit wunderbar, auch ohne endlose Irrfahrt durch ihr Privatleben.
Superhelden entführen mich in eine Welt mit vielen Dimensionen, anderen Gesetzen von Raum und Zeit oder auch gerne mal ohne nervige menschliche Logik (man denke an Clark Kents Tarnung). Kurzum: in eine faszinierende Fremde.
Das funktioniert aber nur, wenn dieses Faszinierende auch ständig Thema der Geschichte ist. In den meisten Heldenserien aber rückt das Menschliche an die Stelle des Fremden. Die Einzigartigkeit des Heldentums dient nur noch dazu, ihre widersprüchlichen Charakter zu entfalten. Bis zu einem gewissen Punkt ergibt das Sinn – aber nur Charakterbildung ist mir zu wenig.
Superhelden, die ich kenne: Superman, Batman, Spiderman, Wonder Woman, X-Men, Iron Man, sogar Aquaman. Wen bekomme ich auf Streamingplattformen vorgesetzt? Luke Cage, Daredevil, Jessica Jones, The Defenders, Supergirl, Iron Fist, irgendwelche Charaktere aus Gotham, die Titans, «The Umbrella Academy». Ich muss mich ja fast fragen, ob die erste Garde an Superhelden sich zu schade ist für eine Serie.
Wenn sich die Fähigkeiten der Seriensuperhelden wie bei «Cloak & Dagger» als superboring herausstellen («Dagger» hat einen Dolch aus Licht...), ist es ja klar, dass die Superhelden vermenschlicht werden müssen, um überhaupt eine Geschichte erzählen zu können. Leider wird der Faktor «Super» dadurch zur Nebensache.
Das führt unweigerlich zum nächsten Punkt auf meiner WTF-Liste: Geschwindigkeit. Für mich liegt die Stärke der Superheldengeschichten in der Geschwindigkeit, mit der sie erzählt werden: Person X bekommt Fähigkeit. Person X weiss nicht, was sie damit machen soll. Person X entscheidet sich für das Gute. Held kämpft gegen das Böse. Held besiegt das Böse. Ende. So kann es dann Folge für Folge oder Film für Film laufen. Doch das passiert bei den Serien oft nicht.
Stattdessen finden unendlich lange Schnitzeljagden statt. «The Umbrella Academy» nimmt sich sogar vier Folgen lang Zeit, die einzelnen Charaktere vorzustellen, anstatt mir deren echten Fähigkeiten live zu zeigen, langweilt mich die Serie mit endlosen Flashbacks.
Es wirkt auf mich, als wäre irgendwo beim Schreiben der Superhelden-Serien der Part verloren gegangen, in dem Superhelden wirklich Superhelden sind. Stattdessen kommen mir die Helden eher vor, wie ein frisch geschiedener Komissar aus einem Schwedischen Krimi, der zum 100. Mal sonntags im ZDF wiederholt wird – um 21.45 Uhr.
Bei den erfolgreichsten Superhelden unserer Zeit, den Avengern, herrscht auch viel Zwist und die Charaktere entwickeln sich über insgesamt 36 Stunden Filmmaterial natürlich auch weiter, aber sie verlieren dabei ihre Aufgabe, Helden zu sein, nie so wirklich aus den Augen.
Der menschlichste aller Superhelden hat das mal in einer ganz anderen Situation genau auf den Punkt gebracht:
Ich glaube weiterhin an die Superhelden und vielleicht wird es eines Tages eine Serie geben, die meinen Traum von einer spannenden Superheldenserie erfüllt. Aber so lange auf Kosten von Spannung und Einfallsreichtum langweilige Nebengeschichten die Serien prägen, schaue ich lieber das Marvel-Universum samt X-Men von vorne durch.