Die Leihmutterschaft ist hierzulande gesetzlich verboten, trotzdem führen Paare aus der Schweiz sie im Ausland durch. Machen sie sich damit strafbar?
Karin Hochl: Nein. Die Leihmutterschaft ist in der Schweiz laut der Bundesverfassung verboten, dennoch wird man strafrechtlich nicht verfolgt, wenn man eine Leihmutterschaft im Ausland in Anspruch nimmt. Strafbar würden sich hingegen Ärzte und Ärztinnen machen, die eine Leihmutterschaft in der Schweiz durchführen.
Können trotzdem rechtliche Schwierigkeiten auf die Wunscheltern zukommen?
Eine Leihmutterschaft ist auf jeden Fall mit rechtlichen Schwierigkeiten verbunden. In welchem Umfang, hängt im Wesentlichen davon ab, ob beide Elternteile genetisch mit dem Wunschkind verwandt sind und ob ein Gerichtsurteil vorliegt oder nur eine Geburtsurkunde.
Erst mal zur Genetik: Wann sind die Eltern genetisch mit dem Kind verwandt?
Die Wunscheltern sind dann genetisch mit ihrem Kind verwandt, wenn es mittels einer Samenspende des Wunschvaters und einer Eizellenspende der Wunschmutter erzeugt wurde. Wenn die Samen- und Eizellenspende nicht oder nur von einem Wunschelternteil stammt, dann ist entweder ein oder kein Elternteil genetisch mit dem Kind verwandt.
Welche Schwierigkeiten treten auf, wenn keine genetische Verwandtschaft mit dem Kind besteht?
Die Wunscheltern, die keine genetische Verbindung zum Kind haben, werden nicht als rechtliche Eltern anerkannt, sondern müssen das Kind adoptieren. Der Weg bis zur Erstellung der Elternschaft nimmt viel Zeit und Aufwand in Anspruch. Es kann mehrere Jahre gehen, bis die rechtlichen Beziehungen zwischen den Wunscheltern und dem Kind geklärt sind.
Wie ist das Verfahren, wenn ein oder beide Elternteile mit dem Kind genetisch verwandt sind?
In diesem Fall kommt es darauf an, in welchem Land eine Leihmutterschaft in Anspruch genommen wird. In den USA etwa findet ein Gerichtsverfahren statt, welches die Wunscheltern als rechtliche Eltern feststellt. In Ländern wie etwa der Ukraine oder Georgien ist ein Gerichtsverfahren von Gesetzes wegen nicht möglich. Den Eltern wird nur eine ausländische Geburtskunde ausgehändigt – über ein Gerichtsurteil verfügen sie nicht.
Das hat welche Konsequenzen?
Das Bundesgericht hat letztes Jahr entschieden, dass eine Geburtsurkunde nicht anerkannt wird, auch dann nicht, wenn die Wunscheltern die genetischen Eltern sind. Wenn kein Gerichtsurteil vorliegt, wird Schweizer Recht angewendet, das heisst, jene Frau ist die rechtliche Mutter, welche das Kind zur Welt gebracht hat – in diesem Fall die Leihmutter. Der genetische Vater kann die Vaterschaft anerkennen und wird als Elternteil ins schweizerische Personenstandsregister eintragen. Das Kind erhält allerdings den Namen der Leihmutter, die auch die alleinige elterliche Sorge hat. Um als rechtliche Mutter anerkannt zu werden, muss die genetische Mutter für ihr eigenes Kind eine Adoption beantragen. Die aktuelle Praxis führt somit zu einer Ungleichbehandlung zwischen den genetischen Eltern, was das Diskriminierungsverbot zwischen Mann und Frau verletzt.
Die Leihmutter wird in der Schweiz also zwangsweise zur Mutter eines Kindes, mit dem sie genetisch nicht einmal verwandt ist?
Genau, das ist die Problematik der derzeitigen Praxis. Die Leihmutter wird gegen ihren Willen zur Mutter des Kindes – meist ohne darüber informiert zu werden. Denn im Ausland gelten die Wunscheltern als rechtmässige Eltern. Eine Zwangselternschaft der Leihmutter widerspricht dem Sinn und Zweck des Leihmutterschaftsverbots, das dem Schutz der Frau dienen soll.
Diese Hürde der Anerkennung umgehen Paare, die in die USA reisen?
Die USA haben für Schweizer Paare unter anderem den Vorteil, dass ein Gerichtsverfahren durchgeführt wird und die Elternschaft der Wunscheltern in einem Urteil festgestellt wird. Viele Paare können sich allerdings eine Leihmutterschaft in den USA nicht leisten.
Wie viel kostet eine Leihmutterschaft?
In den USA muss man mit etwa 150'000 bis 200’000 Schweizer Franken rechnen. In Georgien und der Ukraine zum Beispiel liegen die Kosten deutlich tiefer – zwischen 40’000 und 70’000 Schweizer Franken.
Warum entscheiden sich Paare anstelle einer Adoption für eine Leihmutterschaft?
Weil es sehr schwierig ist, in der Schweiz ein Kind zu adoptieren. Die Nachfrage ist viel grösser als das Angebot an Kindern, die zur Adoption freigegeben werden. In der Schweiz werden jährlich nur mehr zwischen 10 und 15 Kleinkinder zur Adoption freigegeben. Aufgrund des Haager Adoptionsübereinkommen, das dem Kinderwohl dienen soll und strenge Regeln aufstellt, sind auch internationale Adoptionen stark rückläufig. Aufgrund der Ungewissheit und langen Wartezeit für eine Adoption entscheiden sich kinderlose Paare vermehrt für eine Leihmutterschaft.
Wie sieht es mit Mutter- und Vaterschaftsurlaub aus?
Der Mutterschaftsurlaub knüpft an den Vorgang der Geburt. Der Mutter steht demnach von Gesetz her kein Mutterschaftsurlaub zu, weil sie ihr Kind nicht selbst zur Welt gebracht hat. Der Vaterschaftsurlaub knüpft stattdessen an die rechtliche Elternschaft. Unter Umständen kann der Vaterschaftsurlaub somit geltend gemacht werden.
Was halten Sie von einer Legalisierung der Leihmutterschaft in der Schweiz?
Erwünscht wäre in erster Linie eine liberalere Praxis bei der Anerkennung der Elternschaft der Wunscheltern. Es gibt kein anderes Land, welches eine so strikte Praxis befolgt und die Leihmutter zur rechtlichen Elternschaft verpflichtet. Über eine Legalisierung kann man in Zukunft sicher diskutieren, dringender wäre jedoch, dass das Kindesverhältnis zu den Wunscheltern in der Schweiz rasch und ohne grosse Hürden erstellt werden kann. Man muss bedenken: Eine Leihmutterschaft ist für viele Paare die letzte Option. Sie haben oft eine lange Leidensgeschichte hinter sich und bereits alles unternommen, um selbst ein Kind zu bekommen.
Sie beraten Paare bei Leihmutterschaft im Ausland schon seit mehr als zehn Jahren. Was empfehlen Sie Paaren, die eine Leihmutterschaft im Ausland in Betracht ziehen?
Empfehlenswert ist eine sorgfältige Planung und frühzeitige Beratung, um über den Ablauf und die rechtlichen Schwierigkeiten informiert zu sein.
Haben Sie je Komplikationen erlebt?
Medizinische Komplikationen sind eher selten. Am ehesten sind es Frühgeburten, die ja auch bei traditionellen Schwangerschaften vorkommen. In diesen Fällen können Wunscheltern die Geburt mit der Leihmutter nicht gemeinsam erleben.
Hat die Nachfrage nach Leihmutterschaften in den letzten Jahren zugenommen?
Die Nachfrage steigt langsam, aber stetig. Mittlerweile führen wir jährlich rund 40 Neuberatungen durch.
Steigt mit der Nachfrage auch die Akzeptanz?
Ich habe den Eindruck, dass die Gesellschaft einen offeneren Umgang mit der Leihmutterschaft gefunden hat. Das hat auch damit zu tun, dass die Medien nicht mehr nur negativ über das Thema berichten. Es hilft auch, wenn sich heterosexuelle Paare getrauen, über ihren unerfüllten Kinderwunsch zu sprechen. Die Entwicklung wird hingegen gebremst von der sehr strengen Praxis des Bundesgerichts und der Behörden in Bezug auf Leihmutterschaften, die in anderen Ländern als in den USA durchgeführt wurden.
Kinder machen darf jeder ohne Überprüfung / Test…
Adoptieren darf man aber nur mit sehr gutem Leumund und „geregelten“ Verhältnissen…