Sein Tod ist filmreif und ein letzter Triumph. Jack Palladino geht aus dem Haus, die Tür ist hinter ihm noch nicht einmal ins Schloss gefallen, da hält ein Wagen neben ihm, ein junger Mann rennt raus und will ihm seine teure Kamera entreissen. Palladino fällt aufs Trottoir, sein Kopf schlägt aufs Pflaster, Blut schiesst aus der Nase, doch weil er sich seit Jahrzehnten gewohnt ist, seine Kamera schneller zu zücken als andere die Pistole, gelingt es ihm, den Angreifer und seinen Kumpel im Auto noch zu fotografieren.
Wenige Tage später, am 1. Februar, stirbt er mit 76 Jahren im Spital an den Folgen seiner Kopfverletzung. Seine Angreifer sind dank der Fotos verhaftet. Jack Palladino hat sie mit letzter Kraft überführt. Sie sollen wegen Mordes angeklagt werden. Seine Frau Sandra Sutherland ist stolz auf ihn.
Sandra und Jack sind pensionierte Detektive und als Paar eine amerikanische Legende. 1971 gehören die beiden zu einer grossen Undercover-Aktion, die Polizeibrutalität in einem Gefängnis auf Long Island untersuchen soll. Sie lernen sich kennen, als sie später vor Gericht aussagen, wie sie ihre Zeit als «Häftlinge» erlebt haben. Doch bevor sie sich 1976 endlich verlieben, beschafft Sandra noch wichtiges Entlastungsmaterial und hilft mit, die schwarze Bürgerrechtlerin Angela Davies aus dem Gefängnis zu befreien. Und Jack wird von der Millionärsfamilie Hearst angestellt, um Tochter Patti aus den Fängen ihrer Entführer zu befreien.
Sie verlieben sich 1976, heiraten 1977 und betreiben fortan eine gemeinsame Detektei in San Francisco. Sandras Metier ist Mord. Nebenbei veröffentlicht sie Gedichte. Jack macht alles andere. 1979 befragt das «People Magazine» Sandras 16-jährigen Sohn aus erster Ehe, wie das denn so sei, wenn beide Eltern immer irgendwo ermitteln würden. Blöd, sagt dieser, erstens gäbe es in Mamas Arbeitsalltag definitiv zu viele Tote, zweitens würde bei ihnen zuhause nur einmal die Woche richtig gekocht, sonst müsse er sich mehr oder weniger aus Dosen ernähren. In einem anderen Interview bekennt er, dass es cool sei, gelegentlich vom Boss der San Francisco Hells Angels in einer Limousine zur Schule gefahren zu werden. Die Biker Gang gehörte zu den Klienten seiner Eltern.
Zuerst betreiben die beiden eine ganz normale, diskrete Detektei und sind als Privatpersonen kaum vorhanden. Sie stehen nicht im Telefonbuch und auf keiner Wählerliste, und das Auto ist auf ihre Büroadresse angemeldet. «Nur wir könnten uns finden», sagt Sandra, was in der Zeit vor dem Internet durchaus noch möglich ist.
Doch dann werden die Klienten, besonders die von Jack, immer prominenter: Er beschafft Entlastungszeugen für den Autohersteller John DeLorean, dem vorgeworfen wird, seine Firma mit Kokain-Handel finanziert zu haben. Er hilft der Verteidigung eines Pornokönigs, der seinen Bruder ermordet hat. Das Wahlkampfteam von Bill Clinton, allen voran Hillary Clinton, beauftragt ihn damit, Gerüchte über eine aussereheliche Affäre im Keim zu ersticken. Beziehungsweise um möglichst viel Dreck gegen die Sängerin Gennifer Flowers zu finden. Jahre später gibt Bill Clinton zu, mit Flowers Sex gehabt zu haben.
Palladinos Recherchen erwirken, dass ein 14-Jähriger in einem Pädophilieprozess gegen Michael Jackson eine Multimillionen-Dollar-Abfindung erhält. Seine Arbeitsresultate erlösen aber auch R. Kelly vom Vorwurf, seine 13-jährige Nichte missbraucht und sich dabei gefilmt zu haben. Courtney Love stellt ihn ein, um mit Journalisten, die behaupten, sie sei für den Tod von Kurt Cobain verantwortlich, zu «reden». Weitere seiner Klienten sind Don Johnson, Kevin Costner, Robin Williams, der Black-Panther-Mitbegründer Huey Newton oder Snoop Dogg.
Und schliesslich wird er von Harvey Weinstein gebucht: Er soll die Frauen, die mit dem Journalisten Ronan Farrow in Kontakt sind, zermürben und möglichst viel Material sammeln, mit dem sie als unzuverlässige Zeuginnen oder gleich Geisteskranke diskreditiert werden können.
Die Jobs, die der Mann mit dem Look eines Spions während des Kalten Kriegs erledigt, sind bis zuletzt übermässig gut bezahlt. Aber sie sind spektakulär und machen ihn selbst zu einem Star, dessen Name in Filmen zitiert wird. Er weigert sich ein Leben lang, wie andere Detektive eine Pistole auf sich zu tragen. Der Besitz einer Waffe, so sagt er, würde ihn denkfaul machen. Lieber würde er sich aus einer brenzligen Situation rausreden als sich rauszuschiessen. Und wenn, dann höchstens mit seiner Kamera. Zuletzt hat ihm auch diese nur bedingt helfen können.
Diesem Artikel liegen Porträts, Nachrufe, Interviews und Informationen aus «New York Times», «Guardian», «New York Post», people.com, «San Francisco Chronicle» und «Wikipedia» zugrunde.
Ich habe den Herrn vorher nicht gekannt, ich verstehe die Lobeshymne auf ihn aber nach dem lesen des Artikels überhaupt nicht.