Die Reise der Band war lang und nicht ganz ohne Tücken. Die vier Musiker standen kurz davor, das Konzert zu verpassen, da sie mit unerwarteten Problemen in Polen konfrontiert waren, wo sie sich noch am frühen Morgen aufhielten. Am Tag zuvor hatten sie dort bis spät in die Nacht hinein gespielt. Kassa fühlte sich nach dieser Tour wie mit einer «low battery», wie er es selbst beschrieben hat. Trotz dieser Hürden war die Band entschlossen und bereit, ihr Bestes zu geben. Sie schafften es gerade noch rechtzeitig auf die Bühne und tauchten den Saal in eine spannende Atmosphäre, die das Publikum sofort erweckte.
Die meisten Zuschauer lassen sich von Kassa und seiner mehr als ungewöhnlichen Musik am liebsten überraschen. Einige sind jedoch eher skeptisch. "Das ist schon eine eher mutige Mischung" sagt eine Frau, welche sich aber als Laiin ausgibt. Eine regelmässige Besucherin des Musig im Pflegidach gibt zu, sie empfinde die Einbringung von Rap als ziemlich überflüssig. "Ich lasse mich hier ja immer überraschen, aber diesmal bin ich wirklich gespannt, wie es herauskommt", so ein Besucher, der seit zwei Jahren jedem Konzert im Pflegdach Muri beigewohnt hat. Die Erwartungen sind verschieden und der Raum ist voller Spannung.
Mit verschiedensten Mitteln zogen Kassa und seine Mitmusiker?Kameraden das Publikum in eine neue Welt von experimentellen Klängen. Die vier Männer haben keine Mühen gescheut, um das Publikum mit ihrer Kreativität zu begeistern. Sie experimentierten mit den ungewöhnlichsten Mitteln: Töne wurden durch das Pusten in eine Wasserflasche erzeugt, Schlagzeugschläger dienten als Werkzeug, um rhythmisch auf Tische zu schlagen. Die Musiker rannten über die Bühne, führten eigenartige Tänze auf und tauschten hin und wieder sogar ihre Instrumente untereinander aus. Wörter waren rar, stattdessen setzten sie auf Flüstern und Schreien, was die Spannung im Raum spürbar machte.
Das Saxofon wurde mit solcher Intensität gespielt, dass es die Zuhörer förmlich in den Bann zog. Und am wichtigsten: Eine fast schon harmonische Verbindung zwischen Rap und Jazz wurde aufgebaut. Diese außergewöhnliche Performance entfachte die Begeisterung des Publikums vollends und hinterließ einen bleibenden Eindruck. Auch die Gäste, die vorerst noch Zweifel gehegt hatten, waren am Ende überzeugt, dass es eine hervorragende Idee war, das Pflegidach Muri an diesem Abend zu besuchen. «Es war einfach der Hammer» – «Was soll man noch gross sagen?»
Der Grammy-nominierte Overall erwähnte beim Auftritt typische rassistische Slurs, die gegen die dunkelhäutigen Menschen wie ihn verwendet werden. Darunter „I ‘m going to eat watermelon and chicken.” Er nutzt seine Musik aktiv als Plattform, um gegen den Rassismus zu kämpfen. Sein Album „I Think I’m Good“ ist ein gutes Beispiel dafür, wie er soziale und politische Themen in seiner Kunst verarbeitet. Dabei geht es um Identität, Trauma und Heilung, die eng mit den Erfahrungen als Schwarzer in einer rassistisch geprägten Gesellschaft verbunden sind. Sein Engagement gegen Rassismus ist tief in seiner künstlerischen Arbeit verwurzelt und zeigt, dass Kunst eine mächtige Waffe im Kampf gegen Rassismus sein kann.
Dies verkündet Kassa Overall durch das Mikrofon, sobald sich die Menschenmenge wieder etwas von ihrem Tanzfieber beruhigt hat. Die Art, wie das Publikum einbezogen wurde, war eine außergewöhnliche Interaktion, die weit über das Übliche hinausging. Normalerweise bleiben die Zuschauer eher zurückhaltend, doch dank des Perkussionisten Bendji Allonce änderte sich das schlagartig. Mit seiner lebendigen und energiegeladenen Performance schaffte er es, das gesamte Publikum zum Aufstehen, Klatschen und Tanzen zu bewegen. Allonce überbrückte die Distanz zwischen Bühne und Zuschauern, indem er sie ermutigte, aktiv mitzuwirken und sich von der Musik tragen zu lassen. Die faszinierenden Rhythmen und die kraftvolle Atmosphäre zogen das Publikum so sehr in den Bann, dass sie bis zum Schluss voller Begeisterung mitfieberten und Teil eines einzigartigen Erlebnisses wurden.