Wer sind die Toten im Einfamilienhaus an der Lenzhardstrasse in Rupperswil? Das ist auch am zweiten Tag nach dem Drama im Wohnquartier noch offen. Fest steht aber: Die vier Personen, die am Montagmittag nach einem Brand tot im Haus aufgefunden wurden, sind Opfer eines Kapitalverbrechens geworden. Alle vier Leichen, die zum Teil massiv verkohlt sind, wiesen Stich- oder Schnittverletzungen auf, wie die Aargauer Staatsanwaltschaft gestern Dienstag mitteilte. Gesichert ist laut den Untersuchungsbehörden auch, dass der Brand im Haus absichtlich gelegt wurde. Dies zeigen erste Erkenntnisse des kriminaltechnischen Dienstes der Kantonspolizei.
Die zuständige Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau hat ein Verfahren wegen mehrfacher vorsätzlicher Tötung eröffnet. Dieses läuft gegen unbekannt – klar ist aber: Mindestens eine weitere Person befand sich zum Tatzeitpunkt im Einfamilienhaus. «Am Tatort wurden nur Opfer gefunden, der mögliche Täter ist nicht unter den vier Personen», sagt Fiona Strebel, die Mediensprecherin der kantonalen Staatsanwaltschaft, auf Nachfrage. Spekulationen, es könnte sich um ein Beziehungsdelikt oder ein Familiendrama handeln, kommentiert die Sprecherin der Staatsanwaltschaft nicht.
Fakt ist: Im Haus an der Lenzhardstrasse wohnte eine alleinerziehende Mutter (48) mit ihren Söhnen (13 und 19). Gerüchteweise soll es sich bei den Toten um diese drei Personen und die Freundin eines der Söhne handeln. Laut Aussagen von Anwohnern soll im Einfamilienhaus auch der Lebenspartner der Frau, ein 48-jähriger Bankangestellter aus der Region, gelebt haben. Er ist gemäss Tele M1 nicht unter den Opfern, sondern am Leben – dies bestätigt seine Arbeitgeberin.
Der frühere Ehemann der Rupperswilerin, wohl der Vater ihrer beiden Kinder, soll seit gut drei Jahren im Kanton Luzern wohnen. Wie der «Blick» berichtete, sei die Polizei am Montag am Wohnort des Ex-Mannes gewesen. Urs Wigger, der Sprecher der Kantonspolizei Luzern, kommentiert dies auf Anfrage der AZ nicht weiter, sondern verweist an die Aargauer Staatsanwaltschaft. Deren Sprecherin Fiona Strebel will «aus ermittlungstaktischen Gründen» nichts zu einem allfälligen Polizeieinsatz am Wohnort des Mannes sagen. Tele M1 hat den 56-Jährigen am Dienstag dort angetroffen, er wollte keine Fragen beantworten. Weil er auf freiem Fuss ist, dürfte der Ex-Mann allerdings kein Hauptverdächtiger sein.
Unklar ist, wie sich das Tötungsdelikt abgespielt hat. Ob die Opfer aufgrund der Stichwunden bereits tot waren, als der Brand gelegt wurde, oder schwer verletzt im Feuer starben, kann Strebel noch nicht sagen. «Zur Klärung der genauen Todesumstände haben wir die Obduktion der vier Getöteten angeordnet, die Resultate liegen noch nicht vor.» Die Obduktionen und die rechtsmedizinischen Untersuchungen haben gestern begonnen und sollen heute Mittwoch abgeschlossen werden.
Durchgeführt werden sie am Institut für Rechtsmedizin des Kantonsspitals Aarau. Institutsleiter Daniel Eisenhart sagte Ende November, als die Opfer eines Autounfalls mit Brand in Rheinfelden untersucht wurden, zur Methode: «Bei verkohlten Brandleichen ist eine visuelle Identifikation durch Angehörige nicht möglich, deshalb stellen wir auf DNA- oder Zahnanalysen ab.» Aufgabe der Rechtsmedizin sei einerseits die Identifikation der Opfer, andererseits die Feststellung der Todesursache. «Verletzungen, die ein Mensch nicht überleben kann, lassen sich auch bei erheblicher Hitzeeinwirkung feststellen», sagte Eisenhart damals. Andererseits würden hohe Konzentrationen von Kohlenmonoxid in der Lunge oder Russeinatmung dafür sprechen, «dass die verstorbene Person zum Zeitpunkt des Brandausbruchs noch lebte.»
Derweil laufen die Ermittlungen laut der Staatsanwaltschaft «auf Hochtouren und in alle Richtungen». Eine wichtige Rolle könnte dabei ein weisser Kleinwagen spielen, der offenbar am Montagmorgen im Quartier auffiel. «Wir suchen weitere Zeugen, welche das Auto gesehen haben», sagt Fiona Strebel, ohne auf den Eigentümer oder weitere Details im Zusammenhang mit dem Wagen einzugehen.