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Gericht Brugg verurteilt Vater wegen versuchten Mordes an seiner Tochter

Gericht Brugg verurteilt Vater wegen versuchten Mordes an seiner Tochter

13.01.2023, 17:3613.01.2023, 17:36
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Das Bezirksgericht Brugg AG hat am Freitag einen 53-jährigen Mann wegen versuchten Mordes und anderer Delikte zu neun Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Der Iraker hatte 2019 versucht, seine damals vierjährigen Tochter zu töten.

Neumarkt in Brugg am Mittwoch, 18. Mai 2011. Wegen einer Bombendrohung wurde der Neumarkt am Mittwochmorgen von der Polizei geraeumt. (KEYSTONE/Walter Bieri)
Neumarkt in BruggBild: KEYSTONE

Während des Strafvollzug hat der Beschuldigte eine ambulante Therapie zu absolvieren, wie der Gerichtspräsident sagte. Von der Freiheitsstrafe hat der seit der Tat inhaftierte Mann rund 3.5 Jahre abgesessen. Anschliessend an die Freiheitsstrafe wird der Iraker für 13 Jahre des Landes verwiesen. Die Sperre gilt für den gesamten Schengenraum.

Für die Nebendelikte, Drohung und Beschimpfung, verhängte das Gericht eine Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu 10 Franken. Der Tochter hat er künftige Folgekosten der Tat - etwa für Therapien - zu entschädigen. Dazu kommen Genugtuungszahlungen für Tochter und ex-Partnerin sowie Kosten aus dem Verfahren.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es kann ans Obergericht des Kantons Aargau weitergezogen werden. Der Verteidiger hatte jegliche Tötungsabsicht seines Mandanten verneint. Angemessen seien 3.5 Jahre Freiheitsentzug.

Die Staatsanwältin hatte eine Freiheitsstrafe von 19 3/4 Jahren wegen versuchten Mordes, schwerer Körperverletzung, Beschimpfung und Drohung gefordert.

Personen mit Zivilcourage

Der Beschuldigte habe die Tat «brachial, archaisch, rücksichtslos und feige» verübt, sagte der Gerichtspräsident. Er habe damit seiner Tochter eine unbeschwerte Kindheit geraubt.

Das Kind habe «unfassbares Glück und zahlreiche Schutzengel» gehabt, dass es keine unmittelbar lebensbedrohlichen Verletzungen erlitten habe. Das Gericht habe deshalb nicht auf schwere, sondern «nur» auf einfache Körperverletzung erkannt.

Der einzige Lichtblick in der Tragödie sei, dass es Personen gebe, die Zivilcourage gezeigt und eingegriffen hätten, statt bloss das Handy zu zücken, sagte der Gerichtspräsident.

Tötungsabsicht

Laut Gericht hatte der Beschuldigte unmittelbar zur Tatzeit eine Tötungsabsicht. Besonders verwerflich sei die Gefühlskälte und die Heimtücke der Tat gegen sein eigenes arg- und wehrloses Kind. Es liege deshalb ein Morddelikt vor, wenn es auch beim Versuch geblieben sei.

Bei der Strafzumessung berücksichtigte das Gericht eine knapp mittelgradig eingeschränkte Schuldfähigkeit. Zur Tatzeit habe eine schwere Persönlichkeitsstörung vorgelegen. Die Tatschwere sei erheblich. Das Verschulden stufte es als subjektiv mittelschwer ein. Echte Reue sah das Gericht nicht, was sich allerdings nicht strafverschärfend auswirke.

Gewaltausbruch im Einkaufszentrum

Zur Tat gekommen war es am frühen Nachmittag des 17. August 2019 in der Unterführung zum Brugger Neumarkt-Zentrum. Wenige Tage zuvor war eine Wegweisungsverfügung gegen den Mann abgelaufen. An jenem Samstag wartete er an einer Bushaltestelle, bis seine Freundin mit dem gemeinsamen Kind und ihrer Mutter heranfuhr. Er stieg zu und begleitete die drei zum Einkaufszentrum.

Dabei kam es zu einer verbalen Auseinandersetzung. Auf einmal packte der Vater die kleine Tochter, hob sie hoch über den Kopf und schmetterte sie kopfvoran zu Boden. Bevor jemand reagieren konnte, wiederholte er das Ganze.

Nun griffen Passanten ein, stoppten ihn und hielten ihn fest. Andere kümmerten sich um das verletzte Kind. Eine Überwachungskamera hatte das Geschehen aufgezeichnet. Das Kind überlebte mit Schädelbrüchen und weiteren Verletzungen.

Kein Unbekannter für Polizei

Der Beschuldigte stammt aus dem kurdischen Teil des Iraks und hat als junger Mann in einer bewaffneten kurdischen Miliz gekämpft. Er hat weder einen Schulabschluss noch eine Ausbildung. Der psychiatrische Gutachter stellte eine verminderte Intelligenz fest. Ein Kriegstrauma liege nicht vor. Im Alter von 31 Jahren kam der Mann in die Schweiz. 2008 widersetzte er sich erfolgreich einer Ausschaffung.

Laut Psychiater tendiert der 53-Jährige zu aggressiv-bedrohlichem Verhalten, sobald es zu Konflikten kommt. Er war deshalb der Polizei nicht unbekannt: Schon in früheren Beziehungen kam es zu Gewalt. (sda)

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5 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Garp
13.01.2023 18:55registriert August 2018
Die Strafe ist zu lasch, wenigstens wird er ausgewiesen. Einfache Körperverletzung? Für ein 4 jähriges Kind sind das schwere Körperverletzungen, das Hirn kann geschädigt werden, ohne dass man das sieht und ist ein traumatisches Erlebnis das auf das ganze Leben des Kindes negative Auswirkungen haben kann.

Manchmal denke ich Richter wollen Gefängniskosten Sparen
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