Das halbe Wallis fragte sich eifersüchtig, wie es der junge Weinbauer aus dem Dörfchen Chamoson innert weniger Jahre zum millionenschweren Grossunternehmer geschafft habe. So zitiert der Tages Anzeiger im Oktober 2013 den Architekten von Dominique Giroud in einem Porträt. An diesem Tag ahnt noch niemand, was auf den jungen Weinbauer für ein massives Gewitter einbricht.
Nur einen Tag später aber weiss nicht nur das halbe Wallis, sondern die ganze Schweiz: Gegen Giroud läuft ein Verfahren wegen Steuerbetrugs. Der Selfmademan soll durch verschiedene Transaktionen und über mehrere Gesellschaften Gewinnsteuern in der Höhe von mindestens 10 Millionen Franken am Fiskus vorbeigeschleust haben, enthüllt «Le Temps».
Damit beginnt Girouds tiefer Fall. Der Weinhändler will herausfinden, wer den Medien die Informationen zuspielt und wendet er sich an seinen langjährigen Freund, A. D., der beim Nachrichtendienst des Bundes arbeitet und wie Giroud der rechtkonservativen Piusbruderschaft angehört.
Der Geheimdienstagent rät dem Weinhändler, den Genfer Privatdetektiven A. W. anzuheuern. W., der es kurz auch auf der politischen Bühne, einmal für die SVP und einmal für das Mouvement Citoyen Genevois, versucht hatte, soll nun dafür sorgen, dass Giroud keine vernichtenden Schlagzeilen mehr über sich lesen muss.
Doch es kommt anders: Im Dezember macht der welsche Radiosender RTS publik, dass neben der Eidgenössischen Steuerverwaltung auch die Waadtländer Justiz gegen Giroud ermittelt. Der Verdacht: Betrug, Warenfälschung und Urkundenfälschung. Giroud soll über 350'000 Liter Wein gepanscht haben.
Das würden alle Walliser Winzer tun, rechtfertigt sich Giroud, und verschafft sich damit noch mehr Feinde in der Branche, als der forsch auftretende Weinhändler ohnehin schon hat. Der Imageschaden sei angerichtet, sagt der Parlamentarier und Branchenkollege Jean-René Germanier.
Dann überstürzen sich die Ereignisse. Giroud beschliesst, zu drastischeren Massnahmen zu greifen und einen professionellen Hacker zu engagieren. Der angeheuerte Mittdreissiger, der ein Jahr lang für den Schweizer Rüstungskonzern Ruag gearbeitet und mehrere Aufträge des Nachrichtendienst des Bundes erledigt hatte, soll die Computer des RTS-Journalisten und der federführenden Journalistin von «Le Temps» ausspionieren.
Doch der Hackerangriff fliegt auf, beide Journalisten reichen beim Genfer Staatsanwalt Klage gegen Unbekannt ein wegen Verdachts auf Datendiebstahl. Nach mehrwöchigen Ermittlungen werden am vergangenen Mittwoch alle vier Akteure des Krimis – Giroud selbst, der Geheimdienstmann, der Hacker und der Privatdetektiv – festgenommen und in Untersuchungshaft überführt.
Seither werden fast jeden Tag neue Details der Affäre Giroud enthüllt. Zuletzt am Mittwoch morgen: Wie «Le Temps» schreibt, soll der Privatdetektiv selbst jenes Leck gewesen sein, das er hätte aufspüren sollen. So soll er den Journalisten Informationen über Giroud zugespielt haben. Das habe er getan, bestätigen seine Anwälte, jedoch nur, um an Informationen zu gelangen, mit denen er den Maulwurf bei Giroud ausfindig machen könnte.
Die Enthüllungen über den von Giroud angeheuerten Privatdetektiven werden nicht die letzten pikanten Details der Geschichte um den Weinhändler sein. Denn noch sind viele Fragen unbeantwortet: Welche Rolle spielte der Nachrichtendienst des Bundes? Warum hatte der Hacker, der so offensichtlich nicht in den Kreis von Girouds ultrakonservativen Freunden passt, den Auftrag des Wallisers angenommen? Glaubte er, im Namen des Nachrichtendienstes zu arbeiten?
Vielleicht liefert die Staatsanwaltschaft schon am Donnerstag neue Antworten: Dann werden die vier Inhaftierten zum ersten Mal befragt.