Nicht der starke Franken, sondern fehlender Inländer-Vorrang ist schuld: Christoph Blocher hat die Gründe für steigende Arbeitslosigkeit ausgemacht.Bild: ARND WIEGMANN/REUTERS
Interview zur Zuwanderung
Christoph Blocher lehnt eine weiche Umsetzung der Zuwanderungs-Initiative ab. Wenn der Bundesrat mit der harten Variante bei der EU auf Granit beisst, will die SVP umgehend eine Initiative zur Kündigung des Personenfreizügigkeits-Abkommens lancieren.
31.01.2015, 10:2931.01.2015, 10:46
Stefan Schmid
Ein Artikel von
Herr Blocher, am Montag reist Bundespräsidentin Sommaruga nach Brüssel, um mit der EU einen Kompromiss für die Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative zu finden. Glauben Sie immer noch an eine Verhandlungslösung?
Christoph Blocher: Ich kann die Chancen nicht beurteilen. Fakt ist: Bern hat schon längst kapituliert. Der Bundesrat sagt öffentlich, er wolle die Masseneinwanderungs-Initiative umsetzen und gleichzeitig die mit der Personenfreizügigkeit verbundenen Verträge keinesfalls gefährden. Damit signalisiert er Brüssel, dass der Bundesrat die Initiative im Zweifel gar nicht umsetzen will.
Es gibt Stimmen, die sagen, sie hätten dem Bundesrat Kompromissbereitschaft signalisiert. Im Notfall soll auf Kontingente und Inländervorrang verzichtet und das gesamtwirtschaftliche Interesse gerade wegen des hohen Frankens höher gewichtet werden.
Da ist der Wunsch Vater des Gedankens. Von dem kann keine Rede sein. Der hohe Franken macht die Zuwanderungsbeschränkung noch wichtiger. Es wird für Unternehmer noch attraktiver, billige ausländische Arbeitskräfte anzustellen. Die Arbeitslosigkeit wird steigen, solange wir keinen Inländervorrang haben. Wenn jemand eine andere Idee hat, welche die Zuwanderung deutlich reduziert, dann soll er sie bringen. Bis jetzt ist nichts auf dem Tisch. Wischiwaschi-Lösungen wie Ventilklauseln, Schutzklauseln oder andere Schlaumeiereien kommen nicht infrage.
Warum lancieren Sie nicht sofort eine Initiative zur Kündigung der Personenfreizügigkeit?
Sobald der Bundesrat nach aussen signalisiert, dass er die Initiative wegen der EU nicht durchsetzen kann, und er nicht bereit ist, das Personenfreizügigkeitsabkommen zu kündigen, muss die Durchsetzungs-Initiative lanciert werden. Jetzt ist der Bundesrat am Zug. Er soll sagen, wie er die Initiative umsetzen will. Volk und Stände haben entschieden, dass die Zuwanderung eigenständig geregelt werden muss durch jährliche Höchstkontingente und Inländervorrang. Der Auftrag ist klar!
Nehmen wir an, EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gibt Sommaruga am Montag eine Abfuhr. Daraufhin beschliesst der Bundesrat eine weiche Umsetzung ohne wirkliche Kontingente und Inländervorrang. Was dann?
Dann lancieren wir sofort eine Volksinitiative zur Kündigung der Personenfreizügigkeit. Ich gehe allerdings nicht davon aus, dass Frau Sommaruga dies im Wahljahr machen wird.
Das müssen Sie erklären.
Der Bundesrat spielt auf Zeit. Das Umsetzungsgesetz liegt ja schon lange pfannenfertig in der Schublade. Es galt ja schon von 1970 bis 2007. Zuerst hiess es, bis Ende Jahr werde es vorgelegt. Dann war es auf den 21.1.2015 angesagt. Jetzt ist Ende Januar und noch immer ist nichts passiert. Jetzt verspricht er es auf den 11.2.2015. Das hat Gründe.
Weil er parallel mit der EU ins Gespräch kommen will.
Verhandeln ohne zu wissen worüber? Man wartet, bis Brüssel definitiv Nein sagt, dann kann Frau Sommaruga zu Hause erklären, es hätte leider nicht funktioniert, darum könne die Initiative nicht umgesetzt werden.
Sie widersprechen sich. Schlägt der Bundesrat nun eine harte oder eine weiche Variante vor?
Ich gehe davon aus, dass man uns im Februar ein Gesetz präsentiert, das den Volkswillen einigermassen respektiert. Dann kommt die Vernehmlassung bis im Mai, dann die Sommerferien, dann eine Botschaft. Alles zieht sich hinaus bis nach den Wahlen. Dann wohl ein definitives Nein aus Brüssel. Und erst nach den Wahlen wird man sagen, die Initiative könne man nicht so umsetzen, wie es das Volk beschlossen hat. Spätestens zu diesem Zeitpunkt muss eine Initiative folgen zur definitiven Kündigung.
Doris Leuthard will unbedingt ein Stromabkommen. Sie?
Natürlich haben wir nichts dagegen, den Stromverkehr zu regeln. Nice to have! Doch existenziell ist ein solches Abkommen auf keinen Fall. Das ganze EU-Stromrecht übernehmen, kommt nicht infrage. Die Schweiz ist eine Stromdrehscheibe.
Auch die Verhandlungen bei den institutionellen Fragen stocken. Warum?
Hoffentlich stocken sie für immer! Auch hier ist der Bundesrat nicht an einer Diskussion vor den Wahlen interessiert. Er kann nur verlieren. Aber auch hier hat er schon nachgegeben. Das ganze Paket wird 2016 kommen. Dann wird man versuchen, uns fremdes Recht und fremde Richter schmackhaft zu machen. Ich freue mich auf diesen Abstimmungskampf. Wir werden ihn mit Sicherheit gewinnen.
Offen ist, welches Gericht Streitfälle zwischen der Schweiz und Brüssel entscheiden soll. Eine Möglichkeit wäre auch das EFTA-Gericht, wo die Schweiz selber einen Richter stellt.
Ob Europäischer Gerichtshof oder EFTA-Gericht: Wir akzeptieren keine fremde Gerichtsbarkeit. Die Schweizer merken, dass man sie hier über den Tisch ziehen will. Wir wollen kein fremdes Gericht, das insbesondere die direkte Demokratie ausschaltet. Wir sind Nicht-Mitglied der EU, und das soll so bleiben.
Wann lancieren Sie die angekündigte Initiative «Schweizer Recht vor Völkerrecht»?
Voraussichtlich im Frühling. Die letzten Abklärungen laufen. Sicher aber noch in diesem Jahr.
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Setzt sich die SVP für deren Umsetzung ein? Nein sie torpediert sie systematisch.
Das zeigt wie doppelbödig die Argumentation von Blocher ist.