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Es war ein aussergewöhnlich brutaler Überfall: Am 21. Juli 2015 wurde auf dem Dammweg in Emmen eine 26-jährige Frau von ihrem Velo gerissen und in einem nahen Wald vergewaltigt. Sie wurde dabei so schwer verletzt, dass sie nun ihre Arme und Beine nicht mehr bewegen kann.
Der Täter entkam und konnte bisher nicht gefasst werden. Um den ungeklärten Vergewaltigungsfall zu lösen, führen die Luzerner Strafverfolgungsbehörden nun ein Massenscreening durch. 372 junge Männer werden in den nächsten zwei Wochen auf ihre DNS und ihr Alibi überprüft.
Der erste DNA-Massentest fand 1987 in England statt. Seither hat es eine Reihe von teilweise sehr umfangreichen Screenings gegeben – mit unterschiedlichem Erfolg. Hier eine – notgedrungen unvollständige – Übersicht:
1983 wurde im Städtchen Narborough bei Leicester die 15-jährige Lynda Mann vergewaltigt und ermordet. Spermaspuren wurden sichergestellt, aber der Täter konnte nicht ermittelt werden. 1986 wurde im nahegelegenen Enderby erneut ein 15-jähriges Mädchen, Dawn Ashworth, missbraucht und erdrosselt. Die Spermaproben zeigten dieselbe seltene Blutgruppe.
Beide Fälle wurden 1987 durch die neue Methode des DNA-Tests aufgeklärt: In der ersten DNA-Reihenuntersuchung in der Kriminalgeschichte gaben 5000 Männer im Alter von 16 bis 34 Jahren freiwillig Blut- oder Speichelproben ab. Zunächst gab es zwar keinen Treffer, doch dann stellte sich heraus, dass ein Arbeitskollege des Täters für diesen eine DNA-Probe abgegeben hatte. Der Täter, der 27-jährige Colin Pitchfork, gestand die Morde und wurde zu lebenslänglicher Haft verurteilt.
In der Kleinstadt Telgte im Münsterland ereigneten sich 1987 und 1989 zwei Frauenmorde. Beide Opfer waren vergewaltigt worden; es gab keine Fingerabdrücke oder Fussspuren des Täters, aber einen Spermafleck auf dem Bett des ersten Opfers. Die Polizei forderte darauf sämtliche aktenkundigen Sitten- und Gewalttäter aus der Umgebung, die kein Alibi vorweisen konnten, zu einem freiwilligen Bluttest auf. Auch der Mörder nahm an diesem ersten Massentest in Deutschland teil – und wurde verhaftet.
1992 wurde in Nehren bei Tübingen die 24-jährige Andrea B. ermordet. Sie war kurz vor der Tat mit einem gesehen worden. Auf der Leiche wurden Spermaspuren sichergestellt. In einem Täterausschlussverfahren befragte die Polizei darauf bis 1996 insgesamt 3500 Porschefahrer, in 900 Fällen forderte sie die Männer zu einer Blutentnahme auf. Alle zeigten sich kooperativ – bis auf einen. Er wurde gerichtlich zum Test gezwungen, schied aber als Täter aus. Porschefahre r aus München
Der Mörder wurde schliesslich ermittelt und 2003 verurteilt: Es war kein Porschefahrer, sondern der Mann der Putzfrau von Andrea B.
Nach dem Sexualmord an der elfjährigen Christina Nytsch im niedersächsischen Lorup kam es zum bisher grössten Massentest in Deutschland. Da die Polizei am Tatort Spermaspuren gefunden hatte, mussten 16'500 Männer im Alter zwischen 18 und 30 Jahren aus der Region zur Speichelprobe antreten.
Nummer 3889 war der Treffer: Der einschlägig vorbestrafte dreifache Familienvater Ronny Rieken hatte sich nicht vor dem Test drücken können, weil Verwandte ihn dazu gedrängt hatten. Rieken gestand die Tat und gab auch zu, dass er bereits 1996 die 13-jährige Ulrike E. missbraucht und umgebracht hatte.
Nachdem der damals 36-jährige Rolf H. im Oktober 2000 versucht hatte, den elfjährigen Tobias D. zu missbrauchen, tötete er den Jungen mit mehreren Messerstichen. Die Polizei führte darauf eine der umfangreichsten DNA-Analysen in Deutschland durch; mehr als 13'000 Menschen wurden überprüft. Doch es ergaben sich keine Hinweise auf den Täter.
Erst 2011 konnte Rolf H. festgenommen werden – die Polizei war ihm bei Recherchen im Bereich Kinderpornographie im Internet auf die Spur gekommen. Der Mörder wurde durch einen DNA-Test überführt und gestand die Tat, für die er 2012 lebenslänglich erhielt.
Im Dezember 2001 wurde am Zürcher Stauffacher ein siebenjähriges Mädchen entführt, betäubt und sexuell missbraucht. Aufgrund der Angaben, die das Opfer machen konnte, ordnete die zuständige Bezirksanwältin die Erstellung eines DNA-Profils von allen Männern an, die in Zürich-Wipkingen wohnten und ein rotes, fünftüriges Fahrzeug besassen. Der Kreis der zu testenden Männer wurde später noch ausgeweitet: Zusätzlich kamen nun auch Lebenspartner von Frauen mit solchen Autos und Benutzer von Mietwagen in Frage. Insgesamt wurden 101 Männer getestet, doch kein Profil stimmte mit den sichergestellten Spermaspuren überein.
Der Täter wurde anderthalb Jahre später mit anderen Methoden ermittelt. Er fuhr tatsächlich ein rotes, fünftüriges Auto, wohnte aber nicht in Wipkingen, sondern im Zürcher Oberland.
1976 war auf einem Waldweg nahe der Autobahn bei Bad Hersfeld die 15-jährige Petra Hübner vergewaltigt und erdrosselt worden. Der Täter wurde nicht gefunden. Doch 2002 nahm ein Kriminalbeamter den ungeklärten Fall wieder auf und schickte die Kleider des Opfers ins Labor. Die Forensiker fanden Spermaspuren, worauf 138 Männer aus der Umgebung des Tatorts zur Speichelprobe gebeten wurden.
Der damals 45-jährige Jürgen Wolf nahm ohne Zwang am Test teil und wurde überführt. Da er zum Tatzeitpunkt erst 19 Jahre alt gewesen war, wurde er im Jugendstrafrecht zu zehn Jahren Haft verurteilt.
Im Sommer 2000 wurde ein neugeborenes Mädchen tot im Main-Donau-Kanal bei Essing in Niederbayern gefunden. Die Staatsanwaltschaft Regensburg forderte darauf 1300 junge Frauen zu einer freiwilligen DNA-Untersuchung auf – es handelte sich um den ersten Massen-Gentest an Frauen in Deutschland aus kriminalistischen Gründen.
Zwölf Frauen kooperierten nicht; gegen sie versuchte die Staatsanwaltschaft Zwangsbeschlüsse zu erwirken, scheiterte aber vor Gericht. Die Tat konnte nicht aufgeklärt werden.
Nachdem 2002 im bayrischen Poing die 38-jährige Gudrun Wudy missbraucht und ermordet worden war, forderte die Polizei sämtliche im Ort wohnhaften Männer zu einem Gentest auf. Dies betraf rund 1500 Personen. Bei 14 Männern, die nicht am Test teilnehmen wollten, wurde zwangsweise ein DNA-Profil erstellt.
Da kein Täter ermittelt werden konnte, weitete die Sonderkommission die DNA-Untersuchungen im März 2003 auf alle Männer im Alter von 14 bis 45 Jahren, die im Umkreis von fünf Kilometern rund um den Tatort wohnten, aus – betroffen waren damit rund 10'000 Personen. Auch diese Massnahme führte nicht zum Erfolg. Der 21-jährige Michael F. wurde im Oktober 2003 gefasst, weil er die Tat gefilmt hatte. Seine Ex-Freundin hatte das Video gesehen und den Mörder bei der Polizei gemeldet.
Der Dorfarzt im toggenburgischen Unterwasser, dessen Frau aus Simbabwe stammt, erhielt 2005 über Monate hinweg rassistisch gefärbte Drohbriefe. Schliesslich wurden die Reifen seines Autos zerstochen und sogar die Radmuttern an Fahrzeugen von Patienten gelöst. Die Polizei stellte DNA-Spuren an den Briefmarken sicher. Insgesamt befragten die Beamten 42 Personen und nahmen DNA-Proben von 24 weiteren.
Ende 2005 wurde dann die Täterin verhaftet; eine psychisch angeschlagene Patientin des Arztes. Sie gestand die Tat.
2005 und 2006 entführte ein Mann innerhalb weniger Monate zwei Mädchen im Alter von neun und elf Jahren und vergewaltigte sie. Als die Polizei bei ihren Ermittlungen nicht weiterkam, bat sie tausende von Männern zum DNA-Test – geplant war die Untersuchung von bis zu 100'000 Personen.
Nach der Prüfung von rund 14'200 Speichelproben konnten die Beamten 2008 einen 33-jährigen Lastwagenfahrer aus Dresden verhaften. Der Mann, der ein Geständnis ablegte, hatte freiwillig am Test teilgenommen.
Im Dezember 2010 wurde im Zürcher Seefeld eine 56-jährige Psychotherapeutin in ihrer Praxis getötet. Am Tatort wurden DNA-Spuren sichergestellt. 900 Personen wurden im Zusammenhang mit dem Fall befragt, doch der Täter konnte nicht ermittelt werden. Darauf ordnete der zuständige Staatsanwalt einen DNA-Massentest an. Einer der Betroffenen erhob Klage dagegen, die vom Obergericht aber zurückgewiesen wurde, da es sich um ein äusserst schweres Gewaltdelikt handle.
Bei rund 300 Männern, die zum Opfer und seinem Umfeld eine gewisse Verbindung hatten, wurde ein DNA-Profil erstellt. Es wurden nur Männer getestet, weil die am Tatort vorgefundenen DNA-Spuren von einem Mann stammten. Die Massnahme blieb jedoch ergebnislos, der Fall ist nach wie vor ungelöst.
Im April 2007 begann in Süddeutschland eine Serie von Anschlägen, bei denen ein unbekannter Täter mit Altöl gefüllte Flaschen auf die Fahrbahn warf. Dadurch wurden mehrere Unfälle verursacht. 2011 rutschte ein 37-jähriger Motorradfahrer auf einer dieser Ölspuren aus und prallte in ein entgegenkommendes Fahrzeug. Bei diesem tödlichen Unfall konnten die Ermittler an den aufgefundenen Flaschenverschlüssen DNA-Spuren sicherstellen.
Ende 2012 lud die Polizei in Kempten über 1400 Männer zu einem freiwilligen Gentest, um den «Ölflecktäter» zu finden. Auch hier blieb die Massnahme bisher erfolglos; der Fall konnte noch nicht aufgeklärt werden.
2010 wurde die Bankiersgattin Maria Bögerl in Heidenheim in ihrem eigenen Wagen aus ihrem Haus entführt. Eine Lösegeldübergabe scheiterte, das Opfer wurde ermordet. In Bögerls Auto fanden die Polizisten DNA-Spuren. Der Fall konnte trotz einem Sonderbeitrag in der Sendung «Aktenzeichen XY ... ungelöst» nicht aufgeklärt werden.
Anfang 2014 begann die Polizei einen DNA-Massentest, an dem alle Männer im Alter von 21 bis 68 Jahren aus der Gemeinde Neresheim teilnehmen sollten. Über 3000 Männer wurden angeschrieben. Im Frühjahr 2014 fehlten noch 500 Tests. Bisher hat die Auswertung der Proben nicht zur Ermittlung der Täter geführt.