Die Schweiz hat in den vergangenen beiden Pandemiejahren in grösseren Mengen Impfstoffe gegen Covid-19 eingekauft. Dabei ist es möglicherweise zu erheblichen Fehlentscheiden getroffen. Zu diesem Schluss kamen Politikerinnen und Politiker während der Budgetdebatte der letzten Tage im Parlament. Seither wird im Bundeshaus jedes Dokument, das irgendwie mit der Impfstoffbeschaffung zu tun haben könnte, doppelt und dreifach im Rahmen einer Administrativuntersuchung durchleuchtet.
Erste Ergebnisse dazu wird es am Mittwochmorgen geben. Nationalrätinnen und Nationalräte der Finanzkommission wurden kurzfristig zu einer Sitzung um 6 Uhr ins Bundeshaus aufgeboten. Erwartet wird, dass ihnen die ersten Ergebnisse in Grundzügen erläutert werden: Um welche Gelder geht es? Welche Verpflichtungen ist die Schweiz überhaupt eingegangen?
Gemäss bislang bekannten Fakten geht es um die entscheidende Frage, wer im Land bei Finanzfragen das Sagen hat und vor allem bestimmen darf, wie viele Steuergelder wofür gesprochen werden.
Diese sogenannte «Finanzhoheit» liegt auf Bundesebene beim Parlament: National- und Ständerat beschliessen für jedes Jahr ein Budget, mit dem der Bundesrat und die Bundesverwaltung handeln dürfen. Werden unerwartete Mehrausgaben erwartet – so wie es im Fall der Impfstoffbeschaffung war – können sogenannte «Nachtragskredite» gesprochen werden, womit staatliche Ausgaben nachträglich bewilligt werden.
Hier ist es vermutlich zu Fehlentscheiden gekommen: Im Raum steht die Befürchtung, dass ein Bundesamt Verträge unterzeichnet hat, obwohl weder Budget, noch Kredite dafür bewilligt wurden. Publik wurden sie durch Finanzminister Ueli Maurer: Er verriet vergangene Woche während der Ständeratsdebatte, dass «einer dieser Verträge durch das BAG abgeschlossen wurde, ohne die Bestätigung des Parlaments vorzubehalten». Gemäss seinem damaligen Wissensstand hätte das Parlament daher beantragte Kredite nicht kürzen dürfen, wie es ein Antrag vergangene Woche verlangte.
Seither sind Juristinnen und Buchhalter am rotieren. Das federführende Innendepartement von Bundesrat Alain Berset spricht offiziell von «möglichen Versäumnissen». Sollten sich die Vermutungen bewahrheiten, so wäre die Budgethoheit des Parlaments verletzt.
Die Frage nach möglichen Konsequenzen ist spekulativ, da noch keine Details bekannt sind. Unklar ist zudem, wer überhaupt allfällige Fehler begangen hat: Das Eidgenössische Innendepartement unter Bundesrat Berset leitete zwar die Untersuchung ein, dieses dürfte auch die Arbeit des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) untersuchen. Möglich ist aber auch, dass ein weiteres Bundesamt eines anderen Departements den Vertrag abnahm oder ein Beratungsunternehmen eine rechtlich inkorrekte Empfehlung abgab, die zu befürchteten «Versäumnissen» führten.
Erwartet wird, dass diese Fragen beim Abschluss der Administrativuntersuchung beantwortet werden. Bis dies der Fall ist, dürften noch weitere Wochen verstreichen. Für morgen Mittwoch wird erwartet, dass zumindest die finanzpolitische Dimension der Untersuchung in ersten Zügen bekannt werden. Die Finanzkommission des Nationalrates kündigte für morgen 8 Uhr den Gang an die Medien an.