Die kosovarische Regierung hat durchgegriffen: Seit Montag gilt zwischen 22 und 5 Uhr eine Ausgangssperre. Restaurants dürfen nur noch die Terrassen öffnen. Überall gilt Maskenpflicht – und die Polizei kontrolliert die Einhaltung der Massnahmen stärker als auch schon. Die epidemiologische Lage im Balkanland ist kritisch, die Infektionszahlen steigen. Deutschland etwa hat den Kosovo als Hochrisikogebiet eingestuft.
Die schwierige Situation im Land betrifft auch die Schweiz. Hierzulande leben viele Kosovaren, die in den Sommerferien in ihre Heimat zurückgekehrt sind. Gemäss einer Auswertung der wissenschaftlichen Taskforce von letzter Woche waren 40 Prozent der hospitalisierten Covid- Patienten Reiserückkehrer. Der Grossteil von ihnen – 80 Prozent – verbrachte die Ferien in Südosteuropa. Mit anderen Worten: Ungeimpfte Ferienrückkehrer aus dem Balkan füllen die Spitäler.
Nun zeigt sich: Das Problem ist noch grösser. Denn es sind längst nicht alle Reisenden in die Schweiz zurückgekehrt, die sich in Südosteuropa mit dem Virus angesteckt haben. Die Schweizer Reiseversicherer verzeichnen eine Zunahme von Repatriierungsanfragen, also von Personen, die aus medizinischen Gründen in die Heimat zurückgebracht werden wollen oder müssen.
Einer der führenden Anbieter in diesem Bereich, Allianz Partners, teilt mit, dass seit dem Beginn der Sommersaison eine Zunahme der Repatriierungsanfragen verzeichnet wird. Sprecher Nico Koch sagt:
Genaue Zahlen liefert das Unternehmen nicht, doch die Zuspitzung der Lage habe sich bereits vor zwei Monaten abgezeichnet. Die meisten Anfragen kämen aus Südosteuropa.
Die Europäische Reiseversicherung ERV stellte in den letzten Monaten ebenfalls eine Zunahme der Repatriierungsanfragen fest – die auch im Vergleich zur aktuellen Reisetätigkeit hoch sei. Das hat allerdings nicht nur mit Covid-Patienten zu tun, sondern mit einem anderen Corona-Effekt. «Es ist schwieriger, Patienten im Ausland in Spitälern unterzubringen, und die Unsicherheit ist hoch. Deshalb werden vermehrt Patienten in die Schweiz zurückgeholt, die unter normalen Umständen eher vor Ort im Ausland behandelt würden.»
Zwar verzeichnete auch die Mobiliar im Juli einen Anstieg von Repatriierungsanfragen, im August gingen sie aber bereits wieder zurück. Und vor allem: Die Versicherung musste nur einen einzigen Covid-19-Patienten in die Schweiz zurückführen – aus Spanien und das bereits im Juni.
Die Versicherer betrauen Firmen wie Medicall mit der Rückführung ihrer erkrankten Kunden. Das Unternehmen mit Sitz im zürcherischen Brüttisellen ist für rund 20 Versicherer tätig und deckt gut die Hälfte des schweizerischen Marktes ab. Medicall schätzt, dass derzeit rund 180 bis 200 Patienten auf einen Transport in die Schweiz warten – die Hälfte davon sind Covid-Patienten. «Aufgrund der zahlreichen Fälle mit Covid-Erkrankten haben wir einen besonders hohen Bedarf an Intensivpflegeplätzen», sagt Sprecher Gregor Tuor.
Speziell an der aktuellen Situation sind gemäss Tuor zwei Dinge. Einerseits sei wegen der vielen Coronapatienten der Bedarf an Intensivpflegplätzen hoch. Diese seien aber schwierig zu finden: «Die Situation war in den letzten Wochen sehr angespannt für uns, da wir in der ganzen Schweiz kaum noch Intensivpflegeplätze erhalten haben», sagt Tuor. Dank der Hilfe der kantonalen Gesundheitsdirektoren hat sich die Situation leicht entspannt, sei aber immer noch «intensiv».
Andererseits ist die Konzentration der Fälle auf Nordmazedonien und Kosovo speziell. Alleine aus dieser Region hat Medicall 20 Anfragen von Covid-Patienten für die Organisation eines Transportes offen, drei Viertel davon müssen auf eine Intensivstation. Medicall deckt etwa die Hälfte des Schweizer Marktes ab. Es ist davon auszugehen, dass in den beiden Ländern rund 30 Intensivpatienten auf einen Transport in die Schweiz warten.
Medicall wie auch andere Anbieter von Rückführungen haben übers Wochenende intensiv nach Plätzen in den Spitälern gesucht. Auf Twitter schrieb ein Arzt am Samstag, die Spitalleitung habe die Notärzte über Mehrarbeit vorinformiert. In Pristina würden 100 Patienten auf die Rückführung in die Schweiz warten, je nach Lage auf den Intensivstationen würden einige übers Wochenende in die Schweiz repatriiert:
Heute von unserer Leitung darüber informiert worden, dass noch etwas Arbeit auf uns zukommen wird... pic.twitter.com/xkcaRt5kkW
— Dr. Operidol (@Doctor_Jan) August 27, 2021
Die Zahlen decken sich nicht genau, stammen aber von unterschiedlichen Tagen. Vor allem zeigen sie aber das Grundproblem: Viele Covid-Patienten, die auf einen Transport in die Schweiz warten, sind intensivpflichtig. Repatriierungen nimmt auch die Rega vor. Allerdings gibt sie keine aktuellen Zahlen bekannt.
Die Situation in den Schweizer Spitälern ist insgesamt angespannt. Der Kanton Thurgau musste in den letzten Tagen bereits einige Patientinnen und Patienten in andere Kantone verlegen. Die Solidarität zwischen den Spitälern sei zwar gut, sagte Marc Kohler, CEO der Thurgauer Spitäler. Doch die Situation sei in allen Kantonen inzwischen heikel. Gemäss den offiziellen Daten des Bundes waren am Sonntag 75 Prozent aller Plätze in den Intensivstationen belegt.
Unter den Kantonen gibt es beträchtliche Unterschiede. In Schaffhausen etwa gibt es keine freien Betten mehr auf den Intensivstationen. Sehr angespannt präsentiert sich die Situation auch in den Kantonen Basel-Stadt, Solothurn, Zürich und Waadt. (bzbasel.ch)
Oshikuru
Den Impfverweigerern kann man noch so entgegen kommen, die wird man nie glücklich machen. Aber der grosse, vernünftige Teil der Bevölkerung würde im Notfall gerne noch ein Intensivbett haben... Jetzt sollte man echt mal vorwärts machen in Bern.
Mr. Stärneföifi
M.Ensch