Schweiz
Coronavirus

30'000 Fälle pro Tag sind laut Richard Neher denkbar

«Innert Wochen könnte das halbe Land erkranken» – 30'000 Fälle pro Tag sind denkbar

02.01.2022, 03:3202.01.2022, 12:29
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In der Schweiz könnte innert weniger Wochen die halbe Bevölkerung nach Ansicht des Taskforce-Experten Richard Neher am Coronavirus erkranken. Dies, wenn sich die Omikron-Variante im gleichen Tempo wie bisher ausbreite. 30'000 Fälle pro Tag seien im Januar «denkbar».

Richard Neher, Leiter der Forschungsgruppe «Evolution von Viren und Bakterien» an der Universität Basel
Bild: Universität Basel

Nur schon 20'000 Fälle pro Tag in der Schweiz und eine ebenso hohe Dunkelziffer bedeuteten, dass sich pro Woche rund 3 Prozent der Bevölkerung infizierten, sagte das 42-jährige Mitglied der wissenschaftlichen Corona-Taskforce des Bundes im Interview mit der «SonntagsZeitung».

Zwar sei die Omikron-Variante gemäss ersten Daten aus Grossbritannien und Südafrika «etwas milder», sagte der Virenforscher und Biophysiker der Universität Basel. Trotzdem seien die Zahlen der Hospitalisierungen nicht unerheblich.

«Die Fallzahlen steigen sehr schnell, und wir haben nicht mehr viel Spielraum in den Spitälern», sagte Neher. Selbst wenn ein kleinerer Bruchteil der Fälle hospitalisiert werde, könnten sehr viele Fälle in kurzer Zeit das System schnell an die Grenze bringen. Wolle man eine grössere Krise in den Spitälern verhindern, «muss die Ausbreitung jetzt gebremst werden».

Als mögliche Massnahmen nannte der Wissenschaftler Beschränkungen von Grossveranstaltungen und für Orte, wo sich Menschen weiterhin ohne Maske in Innenräumen treffen. Die letzten knapp zwei Jahre hätten gezeigt, dass Kontaktbeschränkungen funktionierten und damit Wellen gebrochen werden könnte, sagte Neher.

Cassis: Lage «noch zu managen»

Bundespräsident Ignazio Cassis sah vorerst keinen Handlungsbedarf. Kurzfristig müsse eine Überlastung der Intensivstationen verhindert werden, aktuell sei aber deren schweizweite Belegung mit circa 80 Prozent «noch zu managen», sagte der Tessiner Bundesrat und Arzt im Interview mit dem «SonntagsBlick».

Der neu gewaehlte Bundespraesident Ignazio Cassis hoert sich waehrend einer Medienkonferenz eine Frage an, am Mittwoch, 8. Dezember 2021, in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Bild: keystone

Die Kapazitäten könnten gesteigert werden, falls dies nötig sei, erklärte Cassis. «Im Moment ist das aber nicht der Fall.» Lokale Engpässe könne es geben, dann komme wie in der ersten Welle «die interkantonale Solidarität» zum Tragen. «Und wir sind jederzeit bereit, auch mit Bundesmitteln wie dem Zivilschutz oder der Armee darauf zu reagieren.»

Für den obersten Gesundheitsdirektor Lukas Engelberger sind die nächsten Tage «entscheidend». Bis am Mittwoch würden neue Daten vorliegen, die zeigten, in welche Richtung es gehe, wurde der Präsident der Gesundheitsdirektorenkonferenz und Basler Regierungsrat in der «SonntagsZeitung» zitiert. Steige die Auslastung der Intensivstationen bis dahin weiter an, werde der Bundesrat nicht darum herumkommen, nächste Woche neue Massnahmen zu beschliessen oder den Kantonen zur Konsultation vorzulegen.

Das Gröbste Ende Januar vorbei?

Taskforce-Vizepräsident Urs Karrer warnte in der «NZZ am Sonntag» davor, Omikron zu unterschätzen. «Unsere grösste Sorge ist aktuell, dass wir im Januar und Februar sehr viele Covid-19-Patientinnen und -Patienten behandeln müssen und dass uns gleichzeitig sehr viel Personal fehlen wird, das selber krank, in Isolation oder in Quarantäne ist.»

Urs Karrer, Vizepraesident, National COVID-19 Science Task Force, spricht an einem Point de Presse zur Covid 19 Situation, am Dienstag, 7. Dezember 2021. (KEYSTONE/Anthony Anex)
Urs Karrer sorgt sich um die Entwicklung im Januar und Februar.Bild: keystone

Auch die Betreuung kranker oder isolierter Kinder des Personals könnten die Engpässe zusätzlich verschärfen, sagte der Infektiologe am Kantonsspital Winterthur im Interview. Zudem könne es trotz intensivierten Hygienemassnahmen schwierig werden, Omikron-Ansteckungen in den Spitälern und Pflegeheimen zu verhindern.

Bereits Ende Januar könnte das Gröbste der Omikron-Welle vorüber sein, schätzte Taskforce-Mitglied Richard Neher. Dem Virus würden ab einem gewissen Zeitpunkt die Wirte allmählich ausgehen. In Teilen Südafrikas scheine dieser Punkt schon erreicht zu sein.

«Das Virus wird zwar nicht verschwinden und uns sicher auch im nächsten Winter beschäftigen», sagte Neher. «Aber nicht in dem Ausmass, dass es erneut zu einer Krise kommen wird.» (saw/sda)

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207 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Roro Hobbyrocker
02.01.2022 05:21registriert August 2016
Die ganze Corona-Situation wird leider viel zu wenig ernst genommen.
Ich habe letzte Woche als LKW-Chauffeur ausgeholfen, bin in der ganzen Schweiz rumgekommen und musste mit Schrecken feststellen, dass viele Büros noch mit „allem“ Personal besetzt waren und sicher mehr als 50% keine oder die Maske falsch aufgehabt haben.
Es verärgert mich wenn man sich Mühe gibt, Kontakte minimiert, Boostern lässt und Treffen mit Freunden absagt und sieht dass es 50% der Bevölkerung schlicht und einfach egal ist.
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Philboe
02.01.2022 06:55registriert Juli 2015
Gehen wir mal davon aus das wir >30k Ansteckungen haben pro Tag sowie 10 Tage Isolation. So sind das 300'000 Personen die in Isolation sind. 3% der Bevölkerung. Eine Belastungsprobe für jedes Unternehmen, für jede Organisation etc. Ich glaube das wird eine spannende Zeit wo aber wirklich jeder gefragter den je ist was Flexibilität und Disziplin anbelangt. Die Regierung ist nicht alleine für alles Verantwortlich. Wir als Gesellschaft sind es. Wir müssen die Massnahmen auch umsetzen damit sie nützen. Ich hoffe für uns alle das es bald vorbei ist und wir die richtigen Konsequenzen daraus ziehen
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Simih
02.01.2022 05:27registriert Oktober 2019
Omikron, kurz, aber heftig? Das sind irgendwie sehr düstere Perspektiven, gekreuzt mit einem Hoffnungsschimmer auf ein vielleicht bald kommendes Ende der Pandemie.
Ich weiss nur, dass ich mir nächste Woche meinen Booster hole - habe gestern die SMS bekommen.
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