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Nationalrat sagt ja zu Schnüffelsoftware 

Nationalrat sagt ja zu Schnüffelsoftware 

Der Nationalrat will den Strafverfolgungsbehörden für die Überwachung neue Mittel zur Verfügung stellen. 
17.06.2015, 09:1217.06.2015, 12:32
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Der Nationalrat hat es am Mittwoch abgelehnt, eine Gesetzesrevision an den Bundesrat zurückzuweisen. Mit 128 zu 50 Stimmen bei 7 Enthaltungen sprach sich der Nationalrat gegen die Rückweisung aus. Das Gesetz zurückweisen wollten die Grünen sowie Teile der SVP-Fraktion und der SP-Fraktion.

Mit dem Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF) will der Bundesrat die Möglichkeiten zur Überwachung Verdächtiger der technologischen Entwicklung anpassen. Das Abhören von Telefongesprächen im Rahmen von Strafverfahren ist schon heute möglich. Kriminelle können sich aber mit verschlüsselter Internet-Telefonie einer Überwachung entziehen. Das sei eine Einladung an die Kriminellen, auf diese Kanäle auszuweichen, sagte Justizministerin Simonetta Sommaruga.

Die Vorratsdatenspeicherung sei ein Unding, sagte Daniel Vischer (Grüne/ZH). Die Daten aller Bürgerinnen und Bürger würden ohne Anlass gespeichert. Überwacht werde bereits mit der Speicherung, nicht erst mit der Verwendung der Daten. Problematisch seien auch die Staatstrojaner: «Der Staat ist plötzlich auf Ihrem Computer anwesend.»

Skype-Gespräche mithören

Die Gesetzesrevision würde den Strafverfolgungsbehörden ermöglichen, Trojaner in Computer einzuschleusen, um Skype-Gespräche mitzuhören. Schon heute lassen die Gerichte solche Government Software (GovWare) zu, doch ist die Rechtslage umstritten.

Mit der Revision will der Bundesrat Klarheit schaffen. Die Schnüffelsoftware soll nur zum Einsatz kommen, wenn es um die Aufklärung schwerer Straftaten geht, beispielsweise um Mord oder Menschenhandel. Aus Sicht der Kritiker würde die Privatsphäre dennoch zu stark eingeschränkt.

Die vorberatende Nationalratskommission hat sich für die Legalisierung der GovWare ausgesprochen. Sie verlangt aber, dass nur Informatikprogramme eingesetzt werden, welche die Überwachung lückenlos und unveränderbar protokollieren. Auch soll die GovWare von einer zentralen Stelle des Bundes beschafft werden.

Umstrittene Vorratsdatenspeicherung

Neben den Staatstrojanern ist vor allem die Vorratsdatenspeicherung umstritten. Dabei geht es um die Frage, wie lange die Fernmeldeanbieter die Randdaten speichern müssen. Diese geben Auskunft darüber, wer wann mit wem wie lange telefoniert hat.

Heute werden die Randdaten sechs Monate lang aufbewahrt, künftig sollen die Strafverfolgungsbehörden auch nach zwölf Monaten noch darauf zugreifen können. Aus Sicht der Gegnerinnen und Gegner widerspricht das der internationalen Entwicklung: Im vergangenen Jahr hatte der Europäische Gerichtshof die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung ausser Kraft gesetzt.

Zahlreiche Änderungsanträge

Aus Sicht des Bundesrats tangiert das Urteil allerdings die Schweizer Regeln nicht, da in der Schweiz die gespeicherten Daten den Strafverfolgungsbehörden nur dann geliefert werden dürften, wenn ein dringender Verdacht auf eine schwerwiegende Straftat vorliegt und ein Zwangsmassnahmengericht dies genehmigt hat.

Der Nationalrat hat – sofern er die Vorlage nicht zurückweist – über zahlreiche Änderungsanträge zu entscheiden. Verlangt wird unter anderem, dass die Daten in der Schweiz aufbewahrt werden. Jene Vertreter der SVP, der Grünen und der SP, welche die Vorlage an den Bundesrat zurückweisen möchten, plädieren für ein Gesetz ohne Vorratsdatenspeicherung.

Der Ständerat hatte dem BÜPF im Frühling vor einem Jahr mit nur zwei Gegenstimmen bei vier Enthaltungen zugestimmt. Über das Nachrichtendienstgesetz diskutiert die kleine Kammer heute Mittwoch. Der Nationalrat hat dieses gutgeheissen. (whr/sda)

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