Die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus (EKR) hat für die Zeit von 1995 bis 2018 Kenntnis von 910 Fällen zur Anti-Rassismus-Strafnorm. In 62 Prozent der Fälle kam es zu einer Verurteilung.
Im Fall des «Kosovaren schlitzen Schweizer auf»-Inserates bestätigte das Bundesgericht 2017 das Urteil. Es war der Ansicht, dass die Aussage im Inserat ein unsachliches Pauschalurteil sei, welches Menschen mit kosovarischen Wurzeln als überdurchschnittlich kriminell darstelle.
Im Zusammenhang mit dem Urteil wurde diskutiert, ob der Meinungsäusserungsfreiheit genügend Rechnung getragen wurde. Bei den meisten Fällen handle es sich allerdings nicht um Grenzfälle, heisst es in einer EKR-Publikation. Das gehe in der Öffentlichkeit oft vergessen.
Eindeutig war für die Strafverfolgungsbehörden etwa der Facebook-Kommentar «Schade ist nicht einer da wie Hitler, wo dieses Gesindel in die Gaskammer schickt» über muslimische Asylsuchende.
Bei solchen Aussagen sei klar, dass sie nichts Schützenswertes beinhalteten und auch in politischen Diskursen nichts verloren hätten, schreibt Juristin Vera Leimgruber in der EKR-Publikation. Bei Grenzfällen, in denen die Meinungsäusserungsfreiheit vermeintlich eingeschränkt werde, gehe es in der Regel um die Frage, ob eine Herabsetzung der Menschenwürde gegeben sei oder nicht.
Erstinstanzlich wegen Rassendiskriminierung verurteilt wurde zum Beispiel der Walliser SVP-Nationalrat Jean-Luc Addor. Dies wegen des Tweets «on en redemande» (wir wollen mehr davon) nach einem Tötungsdelikt in einer Moschee in St.Gallen im August 2014.
Keine Konsequenzen hatte dagegen die Verwendung des Wortes «Neger» für den Berner SVP-Nationalrat Erich Hess. Er hatte im Berner Stadtparlament gesagt, auf der Berner Schützenmatte sehe man «hauptsächlich Neger am Dealen». Die Staatsanwaltschaft kam zum Schluss, Hess habe damit nicht gesagt, dass sämtliche Personen schwarzer Hautfarbe Handel mit Drogen betrieben.
Straffrei blieb auch ein Türsteher, der zwei jungen Kosovo-Albanern im solothurnischen Egerkingen den Eintritt in eine Disco verweigerte und das mit der Balkan-Herkunft der beiden begründete.
Zu den umstrittenen Anti-Rassismus-Urteilen der letzten 25 Jahre gehören jene wegen der Leugnung von Genoziden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verurteilte die Schweiz 2005 wegen Verletzung der Meinungsäusserungsfreiheit. Der Grund war die Verurteilung des türkischen Politikers Dogu Perinçek, der bei Vorträgen in der Schweiz den Genonzid an den Armeniern geleugnet hatte.
In der Folge passte das Bundesgericht seine Rechtssprechung an. Es hob die Verurteilung eines ehemaligen Tessiner Politikers auf, der in einem Artikel den Genozid an den bosnischen Muslimen in Srebrenica geleugnet hatte.
Die Lausanner Richter führten in ihren Erwägungen aus, dass der Text zweifellos respektlos und beleidigend bezüglich des Andenkens und des Leidens der Opfer und ihrer Familien sei. Allerdings sei er nicht in einem Mass als Verletzung der Würde dieser Menschen zu betrachten, das ein strafrechtliches Eingreifen erforderlich machen würde. (sda)