In Zeiten des drohenden Strommangels klingt die Idee überzeugend: Die brach liegende Fläche zwischen Bahngleisen könnte mit Solarpanels ausgestattet und für die Energieproduktion genutzt werden. Im Gegensatz zu alpinen Solarparks gäbe es keine neuen Eingriffe in die Landschaft.
Und das Potenzial ist - gerade im Bahnland Schweiz - gross: Über 7000 Kilometer lang ist das Schienennetz hierzulande. Laut Schätzungen des Westschweizer Start-ups Sun-Ways liesse sich eine Terawattstunde Strom pro Jahr produzieren, sollten auf dem gesamten Schweizer Bahntrassee Solarpanels installiert werden. Dies entspräche etwa zwei Prozent des landesweiten Stromverbrauchs. Oder anders ausgedrückt: 30 Prozent des Energieverbrauchs des hiesigen öffentlichen Verkehrs.
Sun-Ways hat das Potenzial erkannt und ein Pilotprojekt ausgearbeitet: Auf einer rund 100 Meter langen Strecke bei Buttes im neuenburgischen Val-de-Travers möchte das Unternehmen das Bahntrassee mit Solarmodulen ausstatten - es wäre eine Schweizer Premiere. Das Projekt mit einem Budget von 400'000 Franken zählt auf die Unterstützung von einem Dutzend Partnerfirmen, der Schweizerischen Agentur für Innovationsförderung Innosuisse sowie dem Neuenburger Transportunternehmen TransN, dem die betreffenden Gleise gehören.
Nun zeigen Recherchen von CH Media jedoch: Aus dem international beachteten Pilotprojekt wird nichts. Die Vorbehalte des Bundesamts für Verkehr (BAV) sind zu gross.
Man habe das erwähnte Projekt geprüft und sei zum Schluss gekommen, dass Solarpanels im Bereich der Gleise nicht bewilligungsfähig seien, hält BAV-Sprecher Michael Müller fest. «Den Ausschlag gegeben für den abschlägigen Bescheid haben in erster Linie Sicherheitsüberlegungen.» So sei die Gleiskontrolle mit den Solarpanels nicht mehr ausreichend sichergestellt und bei der Gleisinstandhaltung drohten «erhebliche Mehrkosten».
Das BAV verweist ausserdem auf die bundesrätliche Verordnung über elektrische Leitungen. Diese schreibt vor, dass Leitungen, die nicht dem Bahnbetrieb dienen, ausserhalb des Gleisbereichs verlegt werden müssen. Nach Ansicht des Bundesamts für Verkehr gilt dieser Grundsatz «sinngemäss für alle eisenbahnfremden Objekte im Gleisbereich», ergo auch für die strittigen Solarmodule.
Nebst den Sicherheitsüberlegungen sprechen laut Michael Müller weitere Gründe gegen Photovoltaik-Anlagen zwischen den Gleisen. «Ein vorbeifahrender Zug wirbelt immer wieder Gegenstände auf, wodurch die Solarpanels beschädigt werden könnten», gibt der BAV-Sprecher zu bedenken.
Zudem müssten die Solarpanels regelmässig unterhalten werden - etwa weil sich durch den Gleisabrieb sowie Staub und Schmutz ihr Wirkungsgrad ohne Wartung rasch verringern würde. Da die Intervalle für Instandstellungen bei der Eisenbahn ohnehin knapp seien, «stört dies den Zugverkehr zusätzlich und kann zu Verspätungen führen», so die Befürchtung des Bundes.
Das Unternehmen Sun-Ways wollte den Entscheid am Mittwoch zunächst nicht kommentieren, schob am Donnerstag dann aber eine Stellungnahme nach. Die ablehnende Haltung des BAV basiere auf einem «vorläufigen technischen Bericht». Derzeit würden am Projekt technische Veränderungen vorgenommen, um einen neuen Genehmigungsantrag stellen zu können. Man habe das Vorhaben in Buttes also keinesfalls aufgegeben. Mitgründer Baptiste Danichert betont zudem, dass man mit mehreren anderen Ländern in Kontakt sei, um die entwickelte Technologie auf den Markt zu bringen.
Die Innovation besteht aus einem abnehmbaren System: Die Installation erfolgt durch einen Zug, der von der Schweizer Gleiswartungsfirma Scheuchzer entwickelt wurde. Dieser legt die Panels in der Vorwärtsfahrt zwischen die Gleise aus. Sie können bei Bedarf - etwa im Fall von Wartungsarbeiten - temporär wieder entfernt werden.
Der Bund will von dieser patentierten Technologie nichts wissen. Vielmehr setzt das Bundesamt für Verkehr darauf, dass die ÖV-Betriebe die Solarenergie «an besser geeigneten Standorten» als zwischen den Gleisen vorantreiben: auf ihren Freiflächen, Haus- und Perrondächern oder Lärmschutzwänden. Hochrechnungen haben laut Angaben auf der BAV-Website ergeben, dass die Transportunternehmen etwa 20 bis 30 Prozent ihres gesamten Strombedarfs auf ihren eigenen Gebäuden und Anlagen erzeugen könnten. (aargauerzeitung.ch)
Man hätte das hier gezeigte Projekt gerne mal im kleinen Massstab testen können. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass die Resultate ernüchternd ausgefallen wären.