Schweiz
Armee

Ukrainekrieg: Bundesrat will wieder eigene Rüstungsindustrie aufbauen

Drohnen, KI, Satelliten: Die Schweiz will wieder eine eigene Rüstungsindustrie aufbauen

Der Krieg in der Ukraine liess die Schweizer Rüstungsindustrie dramatisch darben: Mehrere EU-Staaten wollen nichts mehr von Schweizer Produkten wissen – wegen der Wiederausfuhrprobleme. Nun ergreift die Regierung Massnahmen.
20.06.2025, 16:0620.06.2025, 16:07
Othmar von Matt, Benjamin Rosch / ch media
Mehr «Schweiz»

Die Lage ist ernst. Der Krieg in der Ukraine hat Europa erschüttert – und die Schweiz bebt massiv mit. Die Diskussionen um die Weitergabe von Panzern und Munition an andere europäische Länder führten dazu, dass die Schweizer Rüstungsindustrie den Anschluss verloren hat. Diverse EU-Staaten wollen heute keine Rüstungsprodukte mehr kaufen aus der Schweiz. Teilweise dürfen Schweizer Unternehmen nicht mal mehr Offerten unterbreiten.

Ein Mechaniker wartet die Raupen an einem Panzer vom Typ Leopard 2 in einer Wartungshalle der RUAG, am Montag, 20. Maerz 2023, in Thun. (KEYSTONE/Peter Schneider)
Ein Mechaniker wartet die Raupen an einem Panzer vom Typ Leopard 2 in einer Wartungshalle der Ruag in Thun.Bild: keystone

Am Freitag hat der Bundesrat eine Strategie veröffentlicht, um die Schweizer Rüstungspolitik neu aufzustellen. Damit will der Bundesrat sicherstellen, «dass die Armee rechtzeitig mit der nötigen Bewaffnung, Ausrüstung und den erforderlichen Dienstleistungen versorgt und ihre Verteidigungsfähigkeit gestärkt wird».

Im Grundsatz sind es zwei Pfeiler: Zum einen erlässt der Bundesrat Massnahmen, um die hiesige Rüstungsindustrie – nicht zuletzt die Ruag MRO – zu unterstützen. Und zum anderen verstärkt er internationale Kooperationen, auch bei der Beschaffung von neuem Kriegsmaterial. «In Zukunft sollen dazu möglichst 60 Prozent des Rüstungsbeschaffungsvolumens in der Schweiz getätigt werden», schreibt der Bundesrat in einer Mitteilung.

Der Aufbau der Rüstungsindustrie mit Wissenschaft und Wirtschaft

Verteidigungsminister Martin Pfister und Rüstungschef Urs Loher setzen dafür auf eine verstärkte Zusammenarbeit mit Hochschulen, KMUs und Start-ups aus der Schweiz. Mit deren Know-how will das Verteidigungsdepartement VBS eine neue Schweizer Rüstungsindustrie aufbauen.

Im Zentrum der neuen Industrie stehen Zukunftsfelder, in denen die Schweizer Wissenschaft schon heute zur erweiterten Weltspitze gehört und für die Armee zentral werden: Drohnen, Künstliche Intelligenz (KI), Quantensensorik und Satelliten.

Bundesrat Martin Pfister, rechts, spricht neben Urs Loher, Ruestungschef, links, an einer Medienkonferenz ueber die Ruestungspolitische Strategie des Bundesrates, am Freitag, 20. Juni 2025, im Medienz ...
Verteidigungsminister Martin Pfister und Rüstungschef Urs Loher an der Medienkonferenz.Bild: keystone

2024 hatte das Bundesamt für Rüstung Armasuisse die Taskforce Drohnen ins Leben gerufen - für kleine und mittelgrosse Drohnen. Sie hat sich in der Zwischenzeit zu einem eigentlichen Ökosystem entwickelt. Gleich zu Beginn wurde die Taskforce von Drohnen-Start-ups überrannt: 70 Firmen nahmen an einer ersten Sitzung teil. 67 davon lieferten zwei Wochen später ein eigenes Konzept ab. Ein Beispiel, das zeigt, wie gross das Interesse von Wissenschaft und Wirtschaft ist, den Bereich Sicherheit seit dem Ukraine-Krieg voranzutreiben.

Zukunftsträchtige Technologien für die Sicherheit

Die Drohnen sind ein erstes Feld für den Aufbau der neuen Schweizer Rüstungsindustrie, in welchem Armasuisse nun Erfahrungen sammelt. Das Rüstungsamt will damit verhindern, dass Firmen mit sicherheitspolitisch wichtigem Know-how abwandern wie jene Schweizer Firma, die Drohnen für die Ukraine entwickelte, ihr Hauptquartier dann aber in den USA aufschlug.

Künstliche Intelligenz, Quantensensorik wie auch Satelliten gehören zu weiteren Feldern, in denen Armasuisse aktiv werden will. KI soll zum Beispiel verwendet werden, wenn ein Drohnenschwarm eine militärische Mission erfüllt: Fällt eine Drohne aus, lässt die KI eine andere deren Aufgabe übernehmen. Bei der Quantensensorik glaubt man im VBS an eine ähnlich disruptive Wirkung, da sich dann um Ecken sehen lässt.

Im Bereich Weltraum hat das Parlament einen zentralen strategischen Entscheid vorgespurt, als es verhinderte, dass das Unternehmen Beyond Gravity verkauft wird. Es beliefert unter anderem Amazon mit Dispensern, welche die 3236 Satelliten aus Raketen verteilen, die das globale Unternehmen in den Weltraum schiessen will.

Der Bundesrat entschied gestern, dass Beyond Gravity vom Finanz- ins Verteidigungsdepartement wandert. Es ist gut denkbar, dass letztlich die Ruag MRO, die dem Bund gehört und ebenfalls im VBS angesiedelt ist, Beyond Gravity übernimmt. Die Ruag MRO ist der Nukleus für den geplanten Neuaufbau der Schweizer Rüstungsindustrie.

Um die neue Rüstungsindustrie zu fördern, hat der Bundesrat zudem entschieden, die Investitionen in sicherheitsrelevante Forschung, Entwicklung und Innovation auszubauen, damit «das in der Schweiz vorhandene technologische Potenzial für die Armee genutzt und weiterentwickelt werden» kann.

Flugzeuge und Panzer aus Nachbarländern

Weil die Schweiz aber kaum eigene Hauptsysteme komplett herstellt, ist sie auf Importe aus anderen Ländern angewiesen. Kampfflugzeuge, Panzer und Artilleriesysteme will der Bundesrat bevorzugt aus anrainenden Nationen beschaffen: «Künftig sollen möglichst 30 Prozent des Rüstungsbeschaffungsvolumens in den Nachbarstaaten und weiteren europäischen Ländern getätigt werden.» Damit ändert die Schweiz den Kurs, nachdem sie 2022 noch grosse Investitionen in den USA tätigte – mit den 36 F-35 und den Boden-Luft-Systemen von Patriot.

Der Bundesrat hat das Verteidigungsdepartement beauftragt, die rüstungspolitische Strategie des Bundesrates in Zusammenarbeit mit weiteren Departementen umzusetzen. «Zu diesem Zweck wird eine langfristige, interdepartementale Arbeitsgruppe unter Beteiligung des EDA, EFD und WBF eingerichtet», heisst es in der Mitteilung. Die Strategie enthält bereits einen Aktionsplan.

Das zeigt: Der Handlungsbedarf ist dringend.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Die folgenschwersten Bergstürze in der Schweiz
1 / 20
Die folgenschwersten Bergstürze in der Schweiz

28. Mai 2025: Ein gewaltiger Gletscher- und Bergsturz vom Birchgletscher unterhalb des Kleinen Nesthorns verschüttet rund 90 Prozent des Walliser Dorfes Blatten im Lötschental. Über sechs Millionen Kubikmeter Geröll und drei Millionen Kubikmeter Eis donnern bis ins Tal, stauen die Lonza zu einem See auf und begraben Häuser, Kirche und Infrastruktur unter sich.

... Mehr lesen
quelle: keystone / jean-christophe bott
Auf Facebook teilenAuf X teilen
So sieht das aus, wenn Marco Odermatt seine Beine trainiert
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
111 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Der_Alte
20.06.2025 16:48registriert November 2024
So schnell kippt die Weltlage. War scheinbar alles nicht voraussehbar, hüstel ...

Noch 2021 verkauften wir die RUAG Ammotec (die ganze Kleinkalibersparte) an Beretta, im August 2022 gingen sämtliche Anteile an Beretta über.

Wenn wir schon keine Gewehrmunition (& diverse kleinere Kaliber) mehr herstellen können, sollte uns das zu denken geben.

Wäre doch eine Idee, bei Beretta anzufragen, ob alles rückabgewickelt werden kann, natürlich mit Aufzahlung und Gegengeschäften ... käme wahrscheinlich immer noch billiger, da im Moment die Maschinen noch in der Schweiz stehen.
894
Melden
Zum Kommentar
avatar
Il piccone
20.06.2025 16:19registriert August 2021
Moderne, effektive und z.t hoch spezialisierte Verteidigungsgüter herzustellen funktioniert nur, wenn man einen grossen markt beliefern und diese dort auch im einsatz testen kann. Sonst wirds einfach sehr teuer für sehr wenig Effektivität.
603
Melden
Zum Kommentar
avatar
ChriLu14
20.06.2025 16:35registriert Mai 2022
Es ist halt ein Dilemma, wenn man einem Dogma (Neutralität) folgend sich in der realen, internationalisierten Welt selbst beschränkt (Verkauf/Weitergabe von Rüstungsgütern) und den eigenen Erfolg und Nutzen behindert (weil der schweizer Markt zu klein ist)
575
Melden
Zum Kommentar
111
«Kollege Maillard hat sich verrannt»: SP-Nationalrätin kontert Gewerkschaftsboss
In der EU könnten sich Hunderttausende keinen Strom leisten, weil er zu teuer sei, sagte Pierre-Yves Maillard, Präsident des Gewerkschaftsbundes. Eine Liberalisierung sei falsch. Damit erntet er Widerspruch aus der SP.

Noch letzte Woche hatte sich die SP-Fraktion online über das Stromabkommen mit der EU unterhalten, weil es keine klare Positionierung gibt. Die Differenzen sollten intern thematisiert werden – nach dem Motto: Der Streit muss nicht über die Medien laufen.

Zur Story