Die Lage ist ernst. Der Krieg in der Ukraine hat Europa erschüttert – und die Schweiz bebt massiv mit. Die Diskussionen um die Weitergabe von Panzern und Munition an andere europäische Länder führten dazu, dass die Schweizer Rüstungsindustrie den Anschluss verloren hat. Diverse EU-Staaten wollen heute keine Rüstungsprodukte mehr kaufen aus der Schweiz. Teilweise dürfen Schweizer Unternehmen nicht mal mehr Offerten unterbreiten.
Am Freitag hat der Bundesrat eine Strategie veröffentlicht, um die Schweizer Rüstungspolitik neu aufzustellen. Damit will der Bundesrat sicherstellen, «dass die Armee rechtzeitig mit der nötigen Bewaffnung, Ausrüstung und den erforderlichen Dienstleistungen versorgt und ihre Verteidigungsfähigkeit gestärkt wird».
Im Grundsatz sind es zwei Pfeiler: Zum einen erlässt der Bundesrat Massnahmen, um die hiesige Rüstungsindustrie – nicht zuletzt die Ruag MRO – zu unterstützen. Und zum anderen verstärkt er internationale Kooperationen, auch bei der Beschaffung von neuem Kriegsmaterial. «In Zukunft sollen dazu möglichst 60 Prozent des Rüstungsbeschaffungsvolumens in der Schweiz getätigt werden», schreibt der Bundesrat in einer Mitteilung.
Verteidigungsminister Martin Pfister und Rüstungschef Urs Loher setzen dafür auf eine verstärkte Zusammenarbeit mit Hochschulen, KMUs und Start-ups aus der Schweiz. Mit deren Know-how will das Verteidigungsdepartement VBS eine neue Schweizer Rüstungsindustrie aufbauen.
Im Zentrum der neuen Industrie stehen Zukunftsfelder, in denen die Schweizer Wissenschaft schon heute zur erweiterten Weltspitze gehört und für die Armee zentral werden: Drohnen, Künstliche Intelligenz (KI), Quantensensorik und Satelliten.
2024 hatte das Bundesamt für Rüstung Armasuisse die Taskforce Drohnen ins Leben gerufen - für kleine und mittelgrosse Drohnen. Sie hat sich in der Zwischenzeit zu einem eigentlichen Ökosystem entwickelt. Gleich zu Beginn wurde die Taskforce von Drohnen-Start-ups überrannt: 70 Firmen nahmen an einer ersten Sitzung teil. 67 davon lieferten zwei Wochen später ein eigenes Konzept ab. Ein Beispiel, das zeigt, wie gross das Interesse von Wissenschaft und Wirtschaft ist, den Bereich Sicherheit seit dem Ukraine-Krieg voranzutreiben.
Die Drohnen sind ein erstes Feld für den Aufbau der neuen Schweizer Rüstungsindustrie, in welchem Armasuisse nun Erfahrungen sammelt. Das Rüstungsamt will damit verhindern, dass Firmen mit sicherheitspolitisch wichtigem Know-how abwandern wie jene Schweizer Firma, die Drohnen für die Ukraine entwickelte, ihr Hauptquartier dann aber in den USA aufschlug.
Künstliche Intelligenz, Quantensensorik wie auch Satelliten gehören zu weiteren Feldern, in denen Armasuisse aktiv werden will. KI soll zum Beispiel verwendet werden, wenn ein Drohnenschwarm eine militärische Mission erfüllt: Fällt eine Drohne aus, lässt die KI eine andere deren Aufgabe übernehmen. Bei der Quantensensorik glaubt man im VBS an eine ähnlich disruptive Wirkung, da sich dann um Ecken sehen lässt.
Im Bereich Weltraum hat das Parlament einen zentralen strategischen Entscheid vorgespurt, als es verhinderte, dass das Unternehmen Beyond Gravity verkauft wird. Es beliefert unter anderem Amazon mit Dispensern, welche die 3236 Satelliten aus Raketen verteilen, die das globale Unternehmen in den Weltraum schiessen will.
Der Bundesrat entschied gestern, dass Beyond Gravity vom Finanz- ins Verteidigungsdepartement wandert. Es ist gut denkbar, dass letztlich die Ruag MRO, die dem Bund gehört und ebenfalls im VBS angesiedelt ist, Beyond Gravity übernimmt. Die Ruag MRO ist der Nukleus für den geplanten Neuaufbau der Schweizer Rüstungsindustrie.
Um die neue Rüstungsindustrie zu fördern, hat der Bundesrat zudem entschieden, die Investitionen in sicherheitsrelevante Forschung, Entwicklung und Innovation auszubauen, damit «das in der Schweiz vorhandene technologische Potenzial für die Armee genutzt und weiterentwickelt werden» kann.
Weil die Schweiz aber kaum eigene Hauptsysteme komplett herstellt, ist sie auf Importe aus anderen Ländern angewiesen. Kampfflugzeuge, Panzer und Artilleriesysteme will der Bundesrat bevorzugt aus anrainenden Nationen beschaffen: «Künftig sollen möglichst 30 Prozent des Rüstungsbeschaffungsvolumens in den Nachbarstaaten und weiteren europäischen Ländern getätigt werden.» Damit ändert die Schweiz den Kurs, nachdem sie 2022 noch grosse Investitionen in den USA tätigte – mit den 36 F-35 und den Boden-Luft-Systemen von Patriot.
Der Bundesrat hat das Verteidigungsdepartement beauftragt, die rüstungspolitische Strategie des Bundesrates in Zusammenarbeit mit weiteren Departementen umzusetzen. «Zu diesem Zweck wird eine langfristige, interdepartementale Arbeitsgruppe unter Beteiligung des EDA, EFD und WBF eingerichtet», heisst es in der Mitteilung. Die Strategie enthält bereits einen Aktionsplan.
Das zeigt: Der Handlungsbedarf ist dringend.
Noch 2021 verkauften wir die RUAG Ammotec (die ganze Kleinkalibersparte) an Beretta, im August 2022 gingen sämtliche Anteile an Beretta über.
Wenn wir schon keine Gewehrmunition (& diverse kleinere Kaliber) mehr herstellen können, sollte uns das zu denken geben.
Wäre doch eine Idee, bei Beretta anzufragen, ob alles rückabgewickelt werden kann, natürlich mit Aufzahlung und Gegengeschäften ... käme wahrscheinlich immer noch billiger, da im Moment die Maschinen noch in der Schweiz stehen.