Es ist noch nicht so lange her, da bereitete sich die Schweiz ernsthaft für eine Gasmangellage vor. Europa blickte angstvoll nach Russland. Der Krieg in der Ukraine hat die hiesige Gasversorgung umgekrempelt – die Auswirkungen sind noch immer spürbar.
Vorweg: Die Gasversorgung für die zu Ende gehende Heizperiode dürfte sichergestellt sein. Zuletzt haben sich die Speicher jedoch rasant geleert: Insgesamt stehen die Füllstände noch bei 25 bis 30 Prozent. Der Grund ist ein kälterer Winter als im Vorjahr. Das ist für die aktuelle Heizperiode nicht von Bedeutung, wohl aber fürs nächste Jahr.
Ab 1. April beginnen die Gasversorger Europas, ihre Speicher zu füllen. «Das Problem ist, dass Anreize fehlen, dies von sich aus zu tun. Seit November 2024 beobachtet man negative Sommer-Winter-Spreads, das heisst, Gas ist im Sommer teurer als im Winter», sagt Daniela Decurtins, Verbandsdirektorin der Schweizer Gasindustrie. Aktuell sind die Gaspreise so hoch wie seit zwei Jahren nicht mehr.
Hintergrund sind Vorsorgemassnahmen der EU: Neue Richtlinien geben vor, wie stark die Speicherfüllstände für den nächsten Winter sein müssen. Per 1. November müssen die Lager zu 90 Prozent gefüllt sein. Weil das Befüllen der Speicher lange dauert, führt dieses Ziel zu einem regelrechten Run auf Gas im Sommer. Die EU debattiert deshalb aktuell darüber, die Speichervorgaben zu flexibilisieren oder Alternativen zu finden.
Die Schweiz tut, was sie in solchen Situationen immer tut: Sie beobachtet die Lage. Allerdings kann sie dies mit einer gewissen Gelassenheit tun: Die aktuelle Gasspeicher-Verordnung gilt bis September 2026, wie Marianne Zünd vom Bundesamt für Energie bestätigt. Diese verpflichtet die Schweizer Gasversorger, 15 Prozent des Jahresverbrauchs als Reserve bereitzuhalten.
Das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung schrieb zu Monatsbeginn: «Die Versorgung für den Winter 2025/26 wird aus heutiger Sicht als unkritisch eingestuft, ausser die Speicher könnten als Folge eines allfällig kalten Winters 2024/25 mit entsprechend hohem Gasverbrauch nicht auf das momentan gute Niveau gefüllt werden.»
Darüber hinaus hat das Schweizer Parlament an der vergangenen Session ein Gas-Solidaritätsabkommen mit Italien und Deutschland gebilligt. Der Verpflichtungskredit beträgt 1,3 Milliarden Franken und stellt sicher, dass sich die drei Länder in Notsituationen gegenseitig aushelfen. Das ist deshalb wichtig, weil die Schweiz über keine inländischen Gasspeicher verfügt.
Pläne dazu gab und gibt es immer wieder. Aktuell gibt es ein Projekt in Oberwald VS, das von der Westschweizer Transportnetzgesellschaft Gaznat vorangetrieben wird, sagt Decurtins. «Es wird sich dabei vor allem auch die Frage der Finanzierung stellen.» 400 Millionen Franken sollen die Kosten in Oberwald betragen.
2025 dürfte etwas Bewegung in die Sache kommen: Zum einen plant Energieminister Albert Rösti einen runden Tisch zum Thema Energiespeicher, zum anderen soll er das oft versprochene, vielfach verzögerte Gasversorgungsgesetz vorlegen. Das gäbe doppelten Anlass, saisonale Speicher zu prüfen – ob sie sich für die Schweiz aber auch lohnen, ist höchst ungewiss.
Vorderhand nichts. Mehrere Energieversorger sind aktuell sogar dabei, ihre Gaspreise zu senken: Dazu gehören etwa Groupe E in der Westschweiz oder IWB in der Region Basel. Mitte März gaben auch die Stadtwerke Bern bekannt, die Gastarife per April zu senken. Dies ist aus Verbrauchersicht zwar erfreulich, allerdings noch mit Vorsicht zu geniessen: Weil Energieversorger meist längerfristige Verträge abschliessen, schlagen sich die Verwerfungen an den Märkten oft mit einer gewissen Verzögerung bei den Endverbrauchern durch. Dies liess sich bereits beim Ausbruch des Ukraine-Kriegs beobachten. (aargauerzeitung.ch)