Benoît Revaz, Direktor des Bundesamtes für Energie BFE, sprach an der Pressekonferenz von der «ersten Energiekrise Europas». Politik und Wirtschaft würden sich momentan darauf konzentrieren, die Versorgung aller Haushalte für den kommenden Winter zu gewährleisten.
Dazu gehörten ein «Rettungsschirm» für die Stromwerke oder die Sicherstellung der Versorgungssicherheit mit Gas. Zudem wolle man bereits auf den Winter 2022/2023 eine Wasserkraftreserve einrichten. Es seien diesbezüglich Verhandlungen mit Deutschland aufgenommen worden.
Welche Massnahmen in Kraft treten würden, käme es gleichwohl zu einer Mangellage mit Gas oder Strom, erläuterte Bastian Schwark, Leiter des Fachbereichs Energie der Wirtschaftlichen Landesversorgung WL. Zuvor versicherte Schwark jedoch, dass die Energieversorgung grundsätzlich gesichert sei. Es gebe aber Unsicherheiten «geopolitischer Natur».
So sei momentan noch unklar, ob die Pipeline Nord Stream 1 ab morgen, den 21. Juli, wieder Gas liefern werde. Am 11. Juli hatten reguläre Wartungsarbeiten an der Nord-Stream-Pipeline begonnen. In den letzten Tagen habe sich jedoch gezeigt, dass man verhalten optimistisch sein dürfe, was den Gastransfer betreffe.
Im Falle eines Gasmangels im Winter habe der Bund einen Massnahmenplan erstellt. Dieser sieht wie folgt aus:
In einer Gasmangellage gibt es Gas, aber zu wenig. Deshalb würde der Bund die Konsumentinnen und Konsumenten in einem ersten Schritt mittels Sparappellen aufrufen, den Gasverbrauch zu reduzieren. Gleichzeitig kann der Bund den Firmen mit Zweistoffanlagen die Umstellung von Gas auf Heizöl vorschreiben. Der Bundesrat kann die Verwendung von Gas für gewisse Anwendungen einschränken oder verbieten.
Von Kontingentierungen sind zunächst alle Anlagen betroffen, die nicht zu den sogenannten geschützten Verbrauchern zählen. Zu den geschützten Verbrauchern gehören Privathaushalte, Fernwärmeanlagen für Privathaushalte und grundlegende soziale Dienste. Zu letzteren zählen auch Spitäler, Energie- und Wasserversorgung sowie Blaulichtorganisationen.
«Es kann sein, dass die Strompreise wieder sinken, wenn Nord Stream 1 wieder Gas liefert. Dies ist jedoch sehr unsicher», sagte Urs Meister, Geschäftsführer der Eidgenössischen Elektrizitätskommission ElCom. Momentan seien die Preise sehr hoch: Die Handelspreise für Strom im ersten Quartal 2023 lägen derzeit 76 Prozent über dem Preis vom Juni dieses Jahres.
Elementar für die Schweiz seien die Füllstände der Wasserspeicher. Momentan lägen diese bei einem normalen Wert für die Jahreszeit. Die Atomkraftwerke hingegen laufen derzeit auf Vollast. Aber: «Wenn die Wassertemperatur der Aare auf 25 Grad steigt, wird die Leistung des Kernkraftwerks Beznau eingeschränkt», sagte Meister.
Der Geschäftsführer der ElCom sprach auch über mögliche Notmassnahmen. So plane man derzeit, eine Wasserkraftreserve einzurichten. Diese sieht vor, dass Speicherkraftwerksbetreiber gegen Entgelt eine bestimmte Menge Energie zurückbehalten, die bei Bedarf abgerufen werden kann. Meister betonte, dass dadurch jedoch keine zusätzliche Energie ins System einfliessen werde: «Die Wasserreserve eignet sich nicht dazu, die Strommangellage im Winter zu überbrücken.» Sie diene lediglich zur Überbrückung von einer «unvorhergesehenen Situation» für mehrere Tage.
Michael Frank wählte an der Pressekonferenz deutlichere Worte als seine Kollegen. Der Direktor des Verbands Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen VSE appellierte direkt an die Bevölkerung: «Nichts tun, ist keine Option. Wir müssen uns alle vorbereiten. Wir alle müssen heute einen Beitrag leisten, in dem wir weniger Strom und Gas verbrauchen. Jede Kilowattstunde zählt.»
Er fuhr fort mit der Präsentation des Massnahmenplans im Falle einer Strommangellage. Dieser sieht wie folgt aus:
«Zuerst würde der Bundesrat freiwillige Sparmassnahmen ausrufen», sagte Frank. Falls die Sparappelle nicht ausreichen, könnte der Bundesrat Einschränkungen beschliessen. Dies würde unter anderem Schaufenster, Heizgeräte oder Weihnachtsbeleuchtungen betreffen. «Im nächsten Schritt werden Grossverbraucher zum Stromsparen animiert», sagt Frank. Dies betreffe etwa rund 30'000 Unternehmen.
Trotz seiner markanten Worte betonte Frank, dass man derzeit nicht alarmistisch sein solle: «Nutzen wir die Zeit, um uns vorzubereiten. Im schlimmsten Fall werden wir froh sein, es getan zu haben. Im besten Fall werden wir krisenresistenter.» (dfr)
Energiesparen ist in jedem Fall sinnvoll. Immer!